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Dresdner Journal : 07.05.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189605078
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960507
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960507
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-05
- Tag 1896-05-07
-
Monat
1896-05
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 07.05.1896
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Für Dresden vierteljährlich s Mart Lv Pf., bei den Kaiser lich brutschen Poftanstalten virrteliährllch a Mark; auster halb de» Deutschen Reiche« Poft- und Stempelzuschlag. Einzelne Nummern: 10 Ps Grschetnrii: Täglich mit Ausnahme der «sonn und Feiertage abend«. Fernspr Anschluß: Nr 129.» «ntL«»t«»»,»Oe»iltzre«: Für den Raum einer gespal tene» Zette Neiner Schrift Sv Pf Unter „Eingesandt" die Zeile so Ps. Bei Tabellen- und Zistcrtlsatz entsprechender Aufschlag Heran»,eher: königliche Expedition de« Dresdner Journal« Dresden, Zwingerstr SV. Fernspr-«nfchlust: Nr.ir«r». ^S105. Donnerstag, den 7. Mai, abends. 18S6. Diejenigen JezieKer unseres Plattes, welche dasselbe von hier aus nach einem andern Aufenthaltsort nachqesendet zu haben wünschen, bitten wir, mit der bezüglichen Bestellung gleich zeitig die an die Post zu entrichtende Über weisungsgebühr einsenden zu wollen. Die selbe beträgt im ersten Monat eines Viertel jahres 60 Pfg., im zweiten Monat 40 Pfg. und im dritten Monat 20 Pf. Auf ausdrücklichen Wunsch besorgen wir die Aachsendung unter Kreuzband. Die Ge bühren hierfür richten sich nach dem Gewicht der einzelnen Sendungen. Löuigl. Expedition des Dresdner Journals. Amtlicher Teil. Dresden, 4. Mai. Mit Allerhöchster Genehmigung 2r. Majestät des Königs ist dem Sekondlieutenant des 2. Ulanen-Regiments Nr. 18 Christian Herbert Müller für die von ihm nicht ohne eigne Lebens gefahr bewirkte Errettung eines Unteroffiziers vom Tode des Ertrinkens in der Mulde bei Rochlitz die silberne Lebensrettungsmedaille nebst der Befugniß zum Tragen derselben am weißen Bande verliehen worden. Sruttmrrugeu, Versetzungen re. im öffentlichen Dienste. Teprrrtemeut Ser Finanzen. BeiderPost-Verwaltung sind ernannt worden: Karl Paul Sturm, zeither Postdirector in Schneeberg - Neustädtel, als solcher in Meerane; Hermann August Rogall, zeither Poftveiwaiter in WiitgenSdorf «Bez. Zwickau, al» Oberpostajsiftent im Bezirke der Kaiser!. Ober- direction zu Leipzig; Alwin Weise, Julius Carl Hartwig, Edmund Rudolf Barnstorfs, Carl Ernst Richter, Ernst Max Krapf und Theodor Ferdinand Raphelt, zeither Postajsistenteu, als Ober-Postasfifienten im Bezirke der Kaiscrl Oberpostdirection zu Dresden; Karl Martin PetterS, Tischlermeister, als Post- agent in Lichtenhain: — Paul Arthur Distel und Benno Camillo Born, zeither Postiecrrtärr, als Ober-Postsccretäre im Bezirke der Kaiser». Obcr-Postdirection zu Leipzig. Departement »e» Kult«» «nist SffentltchenUnterrtchtS Erledigt: die 4 ständige Lehrerstellt ,n Zwönitz. Kollator: da« K Ministerium des Kultu« und öffentlichen Unter richts. TaS AnsangSgehall der Stelle beträgt einschl 1S Wvhnungsgeld jährlich 12üv M. — Pf. und steigt nach der bestehenden GehaltSstasfel allmählich bis zum Höchstgehalte von 24vv M. — Pf einschl 12 Logiegeld. besuche mit den erforderlichen Beilagen sind bis zum 2d. Mai an den K. Be- zirksschnlinspektor Schulrat Saupe in Chemnitz einzureichen. Nichtamtlicher Teil. Die christlich-deutsche LoltSfitte. II - Zu den ehrwürdigsten und segensreichsten der deutschen Volkssitten gehört die Hans- und Fami lienchronik, in welcher der Hausvater Hochzeiten, Geburten, Krankheiten, Sterbefälle und andere wichtige Familien-Ereignisse und -führungen in Freud und Leid eintrug. Es ist etwas Schönes und Er hebendes um das Wissen von der eigenen Familie, nm das, was Gott im Lause der Zeiten an ihr ge than, wie er sie geführt und geleitet hat. Wie oft wird dem Volke Israel eingeschärft, das, was sein Bundesgott an ihm gethan, auch den Kindern zu erzählen, damit sie gedächten und rühmten die Wunder und Gnadenerweise des Herrn. So sollen auch die Eltern unsrer Tage die Kinder Rückblicke thun lassen in das, was als Not und Heimsuchung, aber auch als Hilfe Gottes in der Familie erlebt worden ist. Jede Familie hat von beiden Beispiele genug aufzuweisen, wenn nur die Augen und Herzen dafür nicht fehlen. Die Laster und Versuchungen der Welt haben weniger Gefahren für die Jünglinge, welche ernste und heilige Erinnerungen an die Eltern und das Haus ihrer Väter in ihren Herzen mit in die Fremde nehmen Dieser betvahrende und heiligende Einfluß bleibt durchs ganze Leben und wirkt segnend, ermutigend und ermahnend fort von einem Geschlecht zum andern: „Rühmlich, christlich nnd auch tröstlich ist, Daß man zu keiner Zeit vergißt Der alten lieben Vorjahren, Die vor un» in dem Leben waren " Jede Familie, jede Ehe, ob vornehm oder gering, hat ihre Geschichte, die nicht vergessen werden, nicht ungeschrieben bleiben sollte. „Jede Familie muß den aristokratischen Stolz haben", sagt Riehl, „eine eigen artige Familie zu sein. Sie sollte darum sorgfältig alles sammeln und bewahren, was ihren besonderen Charakter zeigt. Mit einem solchen Familien-Konser- vatismus ist es aber im deutschen Hause jetzt meist traurig bestellt. Selbst in gebildeten Kreisen wissen manche nicht einmal mehr, wer und was ihre Groß väter gewesen sind. Die Chronik ist dem Hause gegenüber eine öffentliche Urkunde; wo aber keine Pietät für die Urkunden des Hauses ist, da ist auch keine für die öffentlichen Urkunden. Geschichtslosig- keit in der Familie erzeugt GeschichtSlosigkeit in Staat und Gesellschaft. Wie schön müßte es sein, wenn jeder unserer alten westfälischen „Höfe" von ältester Zeit her eine Hauschronik besäße, in welcher Freud und Leid der Besitzer sich verzeichnet fänden! Was würden diese alten Bücher uns zu erzählen haben von den Tagen Wittekinds bis auf das Geschlecht dieser Zeit; wie ganz anders würde mancher Bauer auf Haus und Hof, Wald und Feld hernicderschauen. Müßte nicht eine solche Haus- und Familienchronik ein wahrer Familienschatz sein, der in seinen stillen Schriftzügen gar wunderbare Mahnungen enthielte an die Nachkommen der alten entschlafenen Geschlechter, Mahnungen in Dank und Freude gegen Gott, zu Treue und Liebe gegen die Nachbarn?" „Wohl dem, der feiner Vätcr qern gedenkt, Der froh von ihren Thaten. ihrer Größe Den Hörer unterhält, und still sich freuend, Ans Ende dieser schönen Reihe sich geschlossen sieht." Wo aber keine besondere» Chroniken bestanden, da benutzte früher der Hausvater als rechter HauSpriester die große Familienbibel dazu. Sehr erfreulicher Weise beginnt diese schöne Sitte in unseren Tagen wieder mehr und mehr sich einzubürgern, ein Beweis, daß auch erstorbene Sitten sich wieder beleben lassen, wenn nur jeder an seinem Teile dazu mithilft. Bei uns in Sachsen z. B ist in der den jungen Eheleuten von der Kirche als bestes Geschenk auf den Lebens weg mitgegebenen Traubibrl eine ,Hauöchronik" vor- gehestrt, in welcher man kurze Nolizen über die Familie, die Namen und Hauptereigaiffc im Leben der Eltern und Großeltern, namentlich aber die eigenen Führungen Gottes in Freud und Leid für Kind und Kindeskind einzeichnet.*) Möchte doch dieser schöne alte Brauch christlicher Häuser reckst bald wieder allgemeine Sitte nnd damit zugleich die Bibel von einem schönen Prunkstück wieder mehr zu einem vertrauten Haus- und Familienbuche lverden. Wie die Avelsge^chlechter ihre ausführlichen Familiengeschichten besitzen, so sollte jede auf sich haltende Bürgerfamilie mindestens ihre Familienchronik haben. *) Als cnipsehleiiswert zu bezeichnen und im Vuchhandct zu bczirhen ist u. a. auch: Lebens Chronik von Moser, Berlin, Lilhogr. Jnstilut. Als Beispiel sei z. B eine derartige, in einer alten Nürnberger Bibel befindliche Chronik eines Schäfers vom Jahre 1690 erwähnt: „Im Namen der hochgelobtrn Dreieinigkeit, Gottes deS Vaters, des Sohnes, des heiligen Geistes Amen. Ich danke meinem Gott von Herzen für alle Wohlthaten, die Er mir von Kindheit her dis auf diese Stunde gnädiglich widerfahren lassen, und bitte Ihn, daß Er mich und die lieben Meinigen im wahren Glauben und gott seligen Leben bis an mein letztes seliges Ende erhalten und mir und den Meinigen ein seliges Stündlein am letzten Ende in Gnaden geben und mich am jüngsten Tage zur ewigen Himmelsfreude und Seligkeit durch Seinen lieben Sohn Christum Jesum auferwecken wolle! — Absonderlich aber danke ich dem gnädigen Gott und Vater, daß er mich in der christlichen Kirche von ehrlichen, christlichen Eltern hat lassen geboren werden. Mein lieber Vater ist Petrus Raue, durch Gottes Gnade 47 Jahre Schäfer allhirr, seines Alters anjetzo 72 Jahr, die Mutter Margarethe Richterin, ihres Alters 69 Jahr; Gott stärke und erhalte die lieben Eltern in ihrem hohen Alter! Bon diesen Eltern bin ich auf dieserWelt geboren anno 1651 den 7. Mai und den 11. dieses zur heiligen Taufe gebracht, da niir der Name Gregorius gegeben worden. Bei der Taufe gedenke ich des heiligen, tröstlichen Gnaden bundes Gottes, da Gott, der himmlische Vater, mir versprochen, mein lieber Vater zu sein, mich an Leib und Seele zu versorgen; Christus, daß Er wollte mein treuer Heiland und Seligmacher sein; der heilige Geist, daß Er wolle mein treuer Tröster und Beistand sein. Darauf ich mich durch meine lieben Pathcn zugesagt, an Ihn zu glauben, zu leben und zu sterben." Zum Schluß folgen Angaben über Frau und Kinder, Krank heilen, Errettungen rc. Eine andere herrliche Sitte unserer frommen Vor fahren ist das Tischgebet vor und nach dem Essen, und zwar durch den Hausherrn selbst, sowie die ge meinsame, „das ganze Haus" rnit Kindern und In gesinde umfassende Ha ns and acht. Es ist hier nicht angängig, bei diesen Hausgottesdiensten, die übrigens gar nicht nur eine alte Sitte vergangener Tage, sondern geradezu die Pflicht jedes christlichen Hausherrn aller Stände und Zeiten sind, länger zu verweilen. Auch in dieser Beziehung sei aber auf Riehls herrliches Buch „Die Familie" verwiesen. Ein wie tiefes, sinniges Verständnis für das Wesen des christlich-deutschen Hauses und Volkes leuchtet aus jeder Seite dieses Buches hervor! Wie ernst und schön spricht Riehl vom Amt der Bibel im Hause und der hauspriesterlichen Würde des Hausvaters. „Es steckt mehr Ehre, Rang und Herrscherrecht darin, als in einer ganzen Reihe von Titeln und Orden. Gar viele arme Schächer von Familienvätern sehen das ganz gut ein, fürchten aber docb, der feingebildete Nachbar möge sie auslachen. Sie schämen sich nicht, wenig oder nichts zu sein in ihrem Hause; aber viel zu sein, Priester und Herr des Hauses zu sein, des schämen sie sich. Die Feigheit ist's, die uns verdirbt. Denn es gehört mehr Mut und begeisterte Über zeugung-treue dazu, in der Sitte, im sozialen Leben, im Hause mit der Revolution zu brechen, als im politischen." Tie wahrhaft rührende, unauslöschliche Liebe, mit welcher unsere Vorfahren an ihrer Heimat, an dem Hause ih:er Väter hingen, off?nbart sich in besonders schöner Weise in der Sitte, da- Haus innen und außen aus der Fülle deutscher Spruchweiiheit mit Inschriften aller Art, ernsten und heiteren, zu schmücken. Diese Hausinschriften sind ein lautredcndes Zeugnis von dem frommen Sinne unserer Väter, von dem Bestreben, ihrem ganzen Sein und Leben eine religiöse Weihe zu geben, und der Heilandsmahnung, ihn vor den Menschen zu bekennen, selbst in Holz und Stein nachzukommen. „Wir bauen hier so jeste llnd sind doch fremde Gäste. Wo wir sollen ewig sein, r- aueu wir so wenig ein." Oder: « Wer Golt vertraut, Hat wohlgebant, Im Himmel und auf Erden." Oder. „Au-gang und Eingang segne Gott, 7vuljchb«it und List mach' Er zu Spott Vor Lüge, Diebstabl, Flut und Brand Bewahr die« Hau« de« Herren Hand; Sein Won und Name wohn allhier, llud Christi Kreuz sei sein Panier!" „Ich kann mich des Gedankens nicht entschlagen", sagt Riehl, „daß in den vielen Jahren nicht mancher ein- oder ausgegangen sei mit einer Spitzbüberei im Sinn, die er bei dem zufälligen Blick auf solchen Spruch habe bleiben lassen." Treten wir in das Innere deS Hauses ein, so hat auch hier das tiefe Gemüt der christlich-deutschen VolkSsitte die Hausflur, die Thüren, das Hausgerät, Truhe, Schränke, Schüsseln, Uhr, Ofen rc. mit der trefflichsten Spruchweisheit, mit manch tiefsinnigem ruemento geziert. „So geht die Zeit Zur Ewigkeit'. steht an einer großen Standuhr, und an einem Bette: „So geh' ich aus mein Bette zu, — Wer weiß, wann in mein Grab Trum hilf, daß ich die letzte Ruh' Stet« in Gedanken hab." Und im Eßzimmer steht geschrieben: .Wer ungebetet zu Tische geht, Und ohne Tanken wieder aujsteht. Der ist dein Ochs und Esel gleich Und kommt nicht in das Himmelreich " Welch eine Segensmacht von einem frommen Bilde ausgehen kann, beweist Graf Zinzcndorf. Er erzählt, daß er den ersten Anstoß zu seinem späteren Leben auf einer Reise von einem BUde des Gekreuzigten empfangen habe, unter dem geschrieben stand: „Das that Ich für Dich, was thust Du für Mich?" Durch alles dies wird das Hans eine Burg, der Hüter einer gehaltvollen, segensreichen Sitte, bildet sich ein organischer Zusammenhang zwischen Wohnung und Familie, Persönlichkeit des Hauses und Heiligkeit des Familienlebens. Die Sitte des Hauses, der Heimat, des Volkes ist daher ein kostbares Gut, welches wir wie ein edles Kleinod hüten müssen. Aus der Fülle der vielen schönen alten Volkssitten sei, als der Erhaltung und Förderung besonders wür dig, hier nur noch hingewiesen auf die Paten- und Gevatterbriefe, die sich erfreulicherweise in christ lichen Gemeinden, besonders auf dem Londe, wieder mehr und mehr eindürgern, ferner aus das sinnige, anheimelnde „Grüß Gott" bei der Begegnung und das „Behüt Dich Gott" beim Abschiede, sowie auf die meist sehr hübschen, die Volks- und Stammesari, die Einfachheit und die Sitte der Väter wie nicht- anderes sonst erhaltenden Volkstrachten. So ist die christliche Sitte der beste Prediger, der beste Bolkserzieher, der weiseste Staatsmann Wo sie fehlt, da fehlt der Grund und Boden für jede erfolgreiche Arbeit zum Wohle des Volkes, der Familie. Ein Volk ohne Geschichte, eine Familie ohne Sitte, ein Mensch ohne Familiensinn nnd Heimatgefühl ist wie ein Haus ohne Fundament. Drum: ..Christensitt' im deutschen Land, Schirm, Herr Christ, mit starker Hand, Als der Jugend Benedeien, Des Volkes Frühling, Glanz und Maien!" Die Wiederbelebung einer solch eminent konser vativen staatserhaltenden Großmacht, wie die Sitte es ist, als Damm und Schutzwehr gegen die zerstören den Mächte der Zeit, ist daher von höchster Wichtig keit für Monarchie, soziale und staatliche Ordnung, für Kirche, Familie und Gesellschaft. Es gilt, unterer Ratton Volkstum und Christentum zu erhalten, ehe Luick und Wissenschaft. K. .Hoftheater. — Neustadt — Am 6 Mai: Goethe- Cyklus II Abend „Die Geschwister", Schauspiel in einem Akt von Goethe. — „Clavigo", Trauerspiel in fünf Akten von Goethe Die beiden gestern abend aufgeführten Stücke des Dichters gehören ihrer EntstehungSzeit nach der Sturm- und Drangperiode an, ohne da» eigenste Gepräge dieser zu tragen. „Clavigo" stammt aus dem Frühjahr des Jahres 1774, „Die Geschwister" sind in den letzten Oktobertagen t776, ein Jahr nach dem Eintreffen Goethes in Weimar, geschrieben, beide Dichtungen, grundverschieden in sich, doch übereinstimmende Zeugnisse, wre tief der Zug zum einfach Intimen, zur poetisch klaren Gestaltung der ihn umgebenden Welt des Tage« neben dem höheren Drange im Schöpfer des „Prometheus" und „Faust" lebendig war Die Fäden, die auch diese bürgerlichen Dramen mit Goethe» Individualität verbinden und sie zu Selbstbekenntnissen machen, sind leicht aufgezeigt; für ihre Nachwirkung aber ist es von Bedeutung, daß der jugendliche Dichter, mitten im Strom der großen weltumspannenden, in neuen, gewaltigen Formen sich dar stellenden Produktion, der bescheidenen Stimmung, wie dem Stoff ihr Recht ließ Da sowohl da» bürgerliche Trauer spiel, al» das Neine psychologische Drama, die höchste Simplizität erforderten, so gab er ihnen diese und scheute nicht davor zurück, sich mit „Clavigo" an die von Lessing geschaffene Form anzuschließen Da die Bezüge, die das größere wie da« kleinere Stück zu Goethes innerem Leben und äußerem Leben hatten, dem größeren Publikum völlig unerkennbar waren, („Die Geschwister" erschienen übrigens erst ein Jahrzehnt nach ihrer Entstehung und Weimarischen Auf führung im dritten Band der Göschenschen Ausgabe von Goethes Schriften im Druck), so lag die höchste Kühnheit des „Clavigo" wohl darin, daß dies Stück noch lebende, in weiten Kreisen genannte Männer auf die Bühne brachte. Und es war eine Ironie des Schicksals, daß in demselben Jahre (1774), in dem der junge Frankfurter Dichter den spanischen Ehrenhandel des genial-abenteuerlichen Beaumarchais voll guten Glauben« in seiner Weise dramatisierte, dieser selbe Beaumarchais auf deutschem Boden (in Nürnberg und Wien) al« ein ebenso gefähr licher wie gewandter politischer Agent entlarvt und ver haftet wurde. Der spätere Figarodichter hätte alsbald nach dem Entstehen des Trauerspieles sich selbst aus einer deutschen Bühne sehen können, würde sich freilich schwer lich im Spiegel der Goethischen Dichtung erkannt haben „Die Geschwister" setzen für ihre Wirkung vorau«, daß die ein wenig schwüle Atmosphäre, die in der Situation liegt, bis zum Schluffe nur von Wilhelm empfunden wird, während Marianne in zugleich munterer und rührender Naivität sich dem seltsamen Gefühl überläßt, das ihr Leben beherrscht. Frl. GaSny spielte die nicht leichte Rolle der Marianne mit warmer Natürlichkeit und Lebhaftigkeit, entwickelte sogar in ein paar Zügen und Accenten eine Feinheit, mit der sie uns bisher noch nicht erfreut hat; die Herren Dettmer (Wilhelm) und Gunz (Fabrice) thaten der anziehenden und charakteristischen Frische, mit der da» ganze kleine Stück dargestellt wurde, keinen Eintrag, wenn auch der Wilhelm noch einige wärmer, voller au» dem Herzen quellende Laute erfordert, al« ibm Hr. Dettmer lieh Die Vorführung de« „Clavigo" gestaltete sich durch die außerordentlich glückliche Wiedergabe der Hauptsache, des bedeutenden Gegenspiel« von Clavigo und Carlo» zu einer höchst eindringlichen und wirksamen Hr. Wiese (Clavigo) stattete den halb großen, halb kleinen Men schen, der Clavigo sein soll, mit der Empfindung, dem Zauber einer von Haus aus liebenswürdigen Persönlich keit aus, ließ uns das grausame Schwanken in der Brust de« weichgeschasfcnen, aber vom Ehrgeiz getriebenen Mannes ergreifend mitleben, brachte in Haltung und Ton deutlich zum Bewußtsein, daß es nicht eine bloße Treu losigkeit, sondern ein wirklicher Konflikt der Pflichten ist, au« dem Clavigo» Schuld erwächst. Hr. Wiene (Carlo») spielte den weltklugen Freund mit einer leisen, in keiner Weise aufvringlichen Überlegenheit, mit dem weltmännisch leichten Ton, der auch in der Schärfe noch gefällig bleiben will, mit wirklicher Wärme für den Freund, die von so vielen Darstellern de» Carlo» au« der Gestalt hinauSgesvielt wird Der Gesprächston ist in dieser Rolle der durchaus natürliche, vollberechtigte, jede Deklamation unstatthaft, nur sollten da, wo der Dichter selbst etwas leidenschaftlichere, eindringlichere Accente gewollt, die Stellen gleichsam unterstrichen hat, die gewichtigen Sätze nicht zu leicht und gelegentlich hingeworfen werden, wo» in der im allgemeinen vorzüglich gerundeten Leistung de« Künstler« ein paarmal doch geschah Frl. Politz (Marie Beaumarchais) traf den Grundton hilfloser Sentimentali tät, den Schmerz eines in seinem Tiefsten verwundeten Herzens ganz vortrefflich, in der äußeren Wiedergabe der Zerstörung, der Todeskrankheit Mariens hatte sie ein wenig zu viel gethan. Hr Waldeck (Beaumarchais) hatte nicht seinen glücklichen Abend, entweder interessierte ihn die Gestalt nicht oder er wußte sich mit ihr nicht abzu finden: der großen Scene mit Clavigo im zweiten Akte fehlte e» an der ironischen Klugheit, der Auübruch der Leidenschaft im vierten Akt wurde zu einer gewaltsamen Stärke gesteigert, die der Situation nicht entsprach Die Herren Bauer (Guilbert) und Wind» (Buenko) sowie Frl Tullinger (Sophie Guilbert) trugen in ihren kleineren Rollen zum Gelingen des Ganzen sehr löb lich bei Adolph Stern. pariser Kunstausstellungen. Der Salon du Champ de Mar» und der Salon de» Champ»-Elysöes sind wieder eröffnet und finden leb haften Zuspruch. Im Champ de Mars find diesmal 1794 Gemälde, 151 Bildhauerwerke, 274 Kunstgegenstände und 61 Architekturobjekte ausgestellt. Im Jndustriepalaste der ChampS-Elysöes finden sich 2093 Gemälde, 1073 Zeich nungen, 736 Bildhauerwerke und 777 Kunstgegenstände verschiedener Art. Das sind zusammen 4879 Nummern. Bei dieser Masse wird man sich nicht auf eine eingehend« Beschreibung einlassen. Da« wäre für den Leser und für den Schreiber, aber auch für den weitaus größten Teil der au»stellenden Künstler nicht erfreulich. Tenn der Ge samteindruck de« Champ de Mars-SalonS ist unbedingt der der Mittelmäßigkeit Wir finden diese auch in den Champs-Elysee«, aber in viel geringerem Maße. Wahr haft Großartige» giebt e« freilich auch da nicht zu sehen Puvi« de Chavanne«, der Präsident der MarSfeldkünstler, ist mit seinen Kompositionen für die Bibliothek in Boston dort der einzige, der uns gerechte Achtung abnötigt Dann schreiben wir in unser Tagebuch: „Betreff» de» Champ de Mars-Salon« nicht« neues vor Pari«!" Der Ster« der dortigen Meister ist offenbar im Niedergang begriffen. Ihre Kräfte scheinen allmählich zu schwinden, und woran soll sich dann die Jugend halten? Sie schwankt zwischen allen möglichen Schulen immer unbestimmter hin und her, verliert ihre Zierde: dir jugendliche Frische, wird nervö« in der Pariser Atmosphäre und versimpelt In den Champ»-- Elpsse» gewinnt man wenigstens noch einen Eindruck. Dort weht der lebendige Odem der Kunst noch durch die Säle, aber er hat einen eigentümlichen Beigeschmack E»
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