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Dresdner Journal : 04.05.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189605041
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960504
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960504
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-05
- Tag 1896-05-04
-
Monat
1896-05
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 04.05.1896
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Deutscher Reichstag. >2. Sitzung vom 2. Mai 18V«. 1 Uhr. Im Tische de« Bundesrats: v. Bo etlicher, Graf Posa- LowSky. Da» Mandat de- Abg. v. Holleuser ist durch Ernennung desselben zum Vortragenden Rat im Ministerium de» Innern erledigt. Auf der Tagesordnung steht zunScht die Interpella tion der Abgg. Meyer-Danzig (frerkons) und Ben : „Beabsichtigen die verbündeten Regierungen demnächst mit Ler Konvertierung der 4- und »^prozentigen ReichS- ,anleihe in »prozentige vorzugehen-" Der Staatesrkretär im Reichrschapamt Gras vPosadow-ky erNSrt sich zur sofortigen Beantwortung der Interpellation bereit. Abg. Meyer-Danzig hält die Konvertierung für not wendig, sobald man annehmc, daß der jetzige niedrige Geld stand als stabil anzusehen sei. Die Landschaften könnten den Zinsfuß ihrer Papiere nicht konvertieren, da sie sonst große Berluste erleiden würden. Die Landwirte müßten daher den hohen Zinsfuß, der ganz ungerechtfertigt sei, weiter bezahlen. In anderen Ländern habe man bcreitS den niedrigen Zinsfuß, nur Deutschland könne sich nicht entschließen, seiner Landwirt schaft durch die Konvertierung die Tragung der Schuldenlast zu erleichtern. Staatssekretär de» Reichsschatzamts Or. Gras v. Pofa- dowsky: M. H.l Der Hr. Interpellant hat an die Verbün deten Regierungen die klare und runde Frage gerichtet, ob die selben geneigt sind, die RcichSanlechcn auf 3 Proz. zu konver tieren Ich bedauere, schon nach der Natur der Sache, eine gleich klare und runde Antwort ans diese Frage nicht erteilen zu können, wie sie vielleicht der Hr. Interpellant wünscht Ich muß nach wie vor daran sesthalten, daß dre Reichsregierung zu einer Konvertierung der ReichSanlerhe nur übergehen kann in Übereinstimmung mit den Maßregeln, welche die Linzelstaaten zur Konvertierung ihrer eigenen Anleihen zu ergreifen ge denken. Würden wir das nicht thun, so würden wir denEinzel- staaien finanziell präjudiziercn, den Einzelstaaien, deren finan zielles Interesse an einer Konvertierung ihrer Anleihen ein viel größeres als das de» Reich» ist Könnte ich also die Frage bejahend beantworten, so müßte bereit» ein endgiltiger Entschluß der Einzelregierungen vorliegen. Lüge aber ein solcher Ent schluß vor, so würde Ihnen bereits ein Konvertierungsgesetz zugegangen sein, oder ich hätte aus naheliegenden Gründen, bi» die Einbringung eines solchen KonvertierungsgesetzeS beim hohen Hause erfolgt, über die Frage zu schweigen. Ich nehme auch an, daß der Herr Interpellant bei seiner Interpellation nur beabsichtigt, die Konvertiernugssruge bei den verbündeten Regierungen in mahnende Erinnerung zu bringen. Verfolgten wir lediglich taktifch-politische Gesichtspunkte, so könnte uns ein solches Vorgehen außerordentlich erwünscht sein; denn darüber wird sich das hohe Haus nicht zweifelhaft sein, daß in den Kreisen der Interessenten diese Maßregel eine unerwünschte ser und denselben vielleicht sehr hart erscheinen wird. Wir könnten also nur wünschen, daß in diesen beteiligten Kreisen das Ge fühl sich ausbUdet, daß bei einer Konvertierung die verbündeten Regierungen mehr dem Drängen der gesetzgebenden Versamm lung als ihrem eigenen Triebe folgen. M. H., man darf bei einer Konvertierung auch nicht vergessen, daß für eine ganze Anzahl Anstalten und Bermögensmasfen geradezu eine Verpflichtung besteht, ihre Bestände entweder in StaalS papieren oder in gleichwertigen Papieren öffentlicher Ver bände anzulegen. Für die verbündeten Negierungen kann meines Erachtens bei der Entscheidung der Frage der Konvertierung zunächst nur ein Gesichtspunkt maßgebend sein: das ist die Entwickelung des Geldmärkte» überhaupt. Der Hr. Antragsteller hat dem gegenüber wirtschasiliche Gründe in den Vordergrund geschoben. Ich glaube, er wird davon überzeugt sein, daß derartige wirtschaftliche Gründe, die neben der Ent wickelung des Geldmarktes inS Gewicht fallen, gewiß für die verbündeten Regierungen fehr schwerwiegender Natur sind; ich meine aber, die wirtschaftlichen Gründe, die angeführt sind, lassen sich doch nicht in einer Weise, wie es geschehen ist, mit Ler Konvertierungsfrage verkoppeln. Darüber ist das hohe Haus sicher einig, daß eine Konversion nur einem Sinken des allgemeinen Zinsfußes folgen, ihm aber nicht vorangehen kann. Wäre eS nun richtig, daß der allgemeine Zinsfuß bereits aus 3 Proz gesunken wäre, dann hätten eigentlich die erwerbenden Kreise keinerlei Interesse daran, zu weichem Zinsfuß die früher ausgegebenen Anleihen verzinst werden; ist aber der allgemeine Zinsfuß auf dem freien Markt noch nicht auf 3 Proz. geiunken, so, glaube ich, kann man nicht zum Schaden der Staats- gläubiger die Konversion fordern, um im Interesse derjenigen Bevölkerungskreise, die des Kredits bedürfen, den allgemeinen Zinsfuß künstlich herabzudrücken Der Hr Abg. Or. Barth hat in der vorigen Tagung in dieser Beziehung eine Aus sührung gemacht, die mir recht bemerkenswert er scheint. Er sagte nämlich, nicht darauf kommt cs an, zu welchem Zinsfuß das Reich und der Staat ihre Anleihen thatfächlich verzinsen, sondern für den allgemeinen Zinsfuß kommt es lediglich darauf an, zn welchem Zinsfuß das Reich neue Anleihen kontrahieren kann. M H, ist dieser Gesichts punkt richtig, so würden eigentlich die produktiven Stande daran, zu welchem Zinssuß frühere Anleihen begeben sind, gar kein Interesse haben, sondern sie würden nur ein Interesse Haden, zu welchem Zinsfuß jetzt Staat und Reich ihre Anleihen be geben und, wir Ihnen bekannt, werden die Reichsanleihen fchon feit über 5 Jahren zu dem 3proz Typ emittiert Diese Aus führung wäre uns in einem Falle unwichtig, wenn wir näm lich am öffentlichen Markt Geldmangel hätten und infolgedessen die verhältnismäßig geringen Kapitalien, die sich zu plazieren suchen, selbstverständlich nur 4Proz. Papiere lausen würden. Aber das ist unrichtig Man hat statistisch festgestelll, daß im Dezember 1895 in den Regierungstresors und in den großen Banken der Hauptländer Europas und Amerikas sich ein Gold bestand von über 19 Milliarden Francs befand, während dieser Goldbestand im Jahre 1892 etwas über 16 Milliarden und derjenige von 1891 nur etwas über 8'^ Milliarden Francs be trugen. Im Gegenteil, das arbeitslos umherlungcrnde Kapital ist die Ursache, daß der Zinsfuß gedrückt ist und infolge. dessen die niedriger verzinslichen Papiere gestiegen sind Man kann also, glaube ich, nicht behaupten, daß die höhere Verzinsung älterer Anleihen ein Grund dasür ist, daß die erwerbenden Kreise zu hohe Zinsen zu zahlen haben. M. H., e« kann also unmöglich die Absicht der Regierung sein, eine Konversion dazu zu benutzen, um den allgemeinen Zinsfuß künstlich herabzudrücken; es kann auch nicht bei der Stellung, die der Staat gegenüber seinen Gläubigern hat, die doch wohl wesentlich ander» ist al- die Stellung eine» Privatschuldner» gegenüber einem Privat- gläubiger, Aufgabe de» Staate» sein, jede günstige, vielleicht vorübergehende Gelegenheit beim Schopfe zu fassen, um durch Kündigung früherer Anleihen an diefen zu sparen Ich meine, ein Staat kann mit gutem Gewißen nur dann konvertieren, wenn er die Überzeugung hat, daß nicht in absehbarer Zeit wieder Konjunkturen eintretrn, die den ZinSsuß in die Höhe schrauben, die infolgedessen ein Sinken der niedriger verzins- lichen Papiere bewirken, und die den Gläubigern, neben dem ZinSverlust eventuell, wenn sie die niedrig verzinslichen TitreS anstatt der höher verzinslichen angenommen haben, auch noch einen Kapital-Verlust zufügen Wie hat sich nun der Kurs unserer Reichsanleihen entwickelt- Am 20 März 1895, als diese Angelegenheit in der Budgetkommission des hohen Haufe» zuerst besprochen wurde, stand der Kurs der 3 proz ReichS- anleihe 98,2b, am 26 März 189b, bei Verhandlung der Frage im Plenum, hatte sich der Kurs aus 97,80 gesenkt. Jetzt, m H, ist Ihnen ja bekannt, daß dieser Kur- zwischen 99,SU und 99,8U pendelt. Ich glaube aber, wenn ein Staat dazu schreitet, seinen Gläubigern niedrig verzin-b-re Papiere anzubieten, so darf er nicht auf die KurSentwickelung in einem kurzen Zeitraum zurückblicken, sondern man muß sich fragen: zu welchem DurchschnittSzinSsuß hat der Staat thatfächlich seine Anleihen bi-her verzinst? Wenn wir die Frage nach dieser Seite hin erörtern, so ergiebt sich, daß die SHprozentigen Rcichsanleihen im Jahre 1894/95 von der RelchSfinanzverwaltung durchschnitt lich zu 102^, realisiert sind — die Dezimalstellen sind un wesentlich, die werden Sie mir erlassen — und daß daher die Verzinsung der 3^prozentigcn Reichsanleihen noch im Jahre 1894/95 sich saft auf 3>z, Proz. belaufen hat Sehen wir aber zu den 3prozcnligcn TitreS über, fo finden wir, daß im Durch schnitt der Jahre 1890/91 bis 1893/94 das Reich für feine 3prozentigcn Papiere nur etwas über 8b gelöst hat, und daß also die Verzinsung jener 3prozentigcn Papiere thatfächlich über Proz. betragen hat. Im Jahre 1894/9S, wo die Papiere anfingen zu steigen, haben wir die s'^prozenttge ReichSanltthe zu etwa 87 H durchschnittlich realisiert und haben also auch im Jahre 1894/25 fast noch 3'^ Proz. für die 3prozentige Reichs anleihe als Zins bezahlt. Erst im Jahre 189S/96, in welchem Jahre etwa 34 H Millionen begeben sind, ist es gelungen, die 3prozentige Reichsanleihe zu 99'^ zu realisieren. (HörtHhört!), und hat erst in diesem Jahre die Verzinsung rund 3 Proz. und eine Dezimalstelle darüber betragen. (Hört, hört!) — M. H., Sie sagen: hört, hört Aus jenen Zahlen folgt doch aber das eine, daß erst knapp ein Jahr verflossen ist, seit da» Reich in der Lage ist, wirklich 3prozentiges Geld aukzunehmen und seine Anleihen thatsächlich mit 3 Proz. zu verzinsen. Ob daS ein Zeitraum ist, der für einen Staat genügt, um fo- sort zu einer Konversion aller früheren Anleihen aus 3 Proz. vorzugehen, das scheint mir doch außerordentlich fraglich Aber gegen den Antrag des Hrn. Interpellanten spricht noch ein ganz anderes Bedenken. Die Zahlen, die er gegeben hat be züglich der Verschuldung des Reichs und der Einzelstaaten sind nicht ganz zutreffend. Tas Reich und die Einzelstaaien haben, soweit mir statistisches Material zur Zeit vorliegt, etwa den doppelten Betrag an 3 proz Titres wie an 3'^proz., und die Schulden, die hier in Frage kommen, betragen e:wa 6 Milliarden an 4 proz. und 3H Milliarden an 3^ proz. Titres. Hierzu tritt die sehr bedeutende Masse an Titeln der öffentlichen Kreditinstitute und der Kommunen. Ich glaube, schon diese Zahl würde e» als politisch und finanziell weise erscheinen lassen, eine Teilung der Masse bei der Konversion vorzunehmen. Würden sich die ungeheuren Mafien, die andernfalls annähernd gleichzeitig zur Konvertierung gelangten, von der Basis ihres bisherigen Zinssatzes auf einmal lo»löjen, fo könnte man mit Recht eine außerordentliche Umwälzung auf unferem Geldmärkte erwarten. M. H., die nächste Folge würde doch wahr scheinlich die sein, daß unser gutes deutsches Geld ins Ausland geht (Sehr richtig!), und wir Papiere fremder Provenienz dafür hereinbekommen und zwar Papiere von zweifelhafter Haltbarkeit. (Sehr richtig! rechts ) Der Vor redner hat die Sache so dargestellt, als ob, nachdem die Land schaften auf 3 Proz. konvertiert haben, da- Reich und der Staat nun sozusagen moralisch gezwungen seien, auch ihrerseits dreiprozentig zu konvertieren. Tas kann ich nicht zugeben. Tas Reich und der Staat haben ihre eigenen Interessen und können nur von ihren Gesichtspunkten aus eine derartige Kon version vornehmen. Ich kann auch nicht zugestehen, daß darin, daß unseren Reichsbeamten anhcimgcstellt ist, ihre in3»^prozen- tigen Papieren angelegten Kautionen in 3prozentige umzu wandeln, irgend eine konkludente Handlung der Reichsregierung liege. Es ist ja klar, daß, wenn die 3'^ prozentigen Papiere eine sinkende, die 3prozentigrn eine steigende Tendenz zeigen, man den eigenen Beamten nicht daS Risiko abnehmen, sondern es ihnen selbst überlafien will, ob sie nunmehr ihre Kautionen noch in 3>^ prozentigen Papieren belaßen wollen oder ob sie vorziehen aus Erwägungen der Zukunft, ihre Kautionen nur in 3prozentigen Papieren anzulegen Ich kann zum Schluß namens des Hrn. Reichskanzlers die positive Er klärung abgeben, daß derselbe unter keinen Um ständen eine Kanvertierungsvorlagc dem Bundes rate unterbreiten wird ohne vollständige Überein stimmung und ein gleichmäßiges Vorgehen bezüglich der Konvertierung in den hauptsächlichsten Einzel staaten (Bravo!), und aus diesem Gesichtspunkte heraus kann ich auch ferner die Erklärung abgeben, daß in dieser Session auf eine Konvertierungsvorlage nicht zu rechnen ist. (Bravo!) Aus Antrag des Abg. Rintelen (Z) tritt da- Haus in die Besprechung der Interpellation ein. Abg. Rintelen (Z) stimmt den Ausführungen de» Staatssekretärs im wesentlichen zu Ter Landwirtschaft möge die Herabsetzung des Zinsfußes erwünscht sein, ankeren Krrijen de» Erwerbsleben» aber nicht, und man müße sich nach den Interessen der Gesamtheit richten. Abg Graf Stolberg (kons.) betont imLamen eine» Teil- feiner Parteifreunde, daß für sie bei der Stellungnahme zur KonvtrtierungSsrage der Zusammenhang dieser Frage mit der Notlage der Landwirtschaft maßgebend sei. Solange die Re gierung die großen Mittel nicht acceptiere, müsse mit einem System der kleinen Mittel vorgegangen werden, und dazu ge höre auch die Herabsetzung der Zinslast. Abg. Friedberg (nl.) hebt hervor, man müsse zunächst abwarten, ob der niedrige Zin-suß bereit» al» stabil zu be trachten sei. Ein Zinsfuß von 4 Proz. habe keine wirtschaft liche Berechtigung mehr, der Zinsfuß dürfte heute zwischen 3 und 3^ Proz. schwanken, von einer Stabilierung unter 3'/, Proz könne aber noch keine Rede sein. Abg Bebel (Soz.) hält die Konvertierung nach dem Stand der kapitalistischen Wirtschaftsordnung für notwendig Abg. Barth (frs Vag) ist ebenfalls für die Konvertierung, da der jetzige niedrige Zinsfuß als stabil erachtet werden müsse. Abg Gamp lsreikons) spricht sich gleichfalls für die Herab setzung deS ZinSsußc» aus. Staatssekretär Graf PosadowSky weist die Äußerung deS Abg. Bebel, eS habe auf die Haltung der Regierung der Umstand eingewirkt, daß deutsche Fürsten Kapitalien in 4pro- zentiger RcichSanleihe angelegt hätten, mit aller Entschiedenheit zurück; eS sei auch nicht im Entferntesten eine solche Einwirkung von irgend welcher Seite aus irgend eine Instanz versucht worden. Abg. Graefe (dschsoz. Refp.) spricht sich gegen die Kon vertierung auS. Ebenso die Abgg. Schädler(Z), Frhr. v. Langen (kons.) und Pauli (sreikons) im Namen eine» Teils ihrer Parteien Abg. Galler (südd. ^Solksp.) steht der «onveriierungS- frage freundlich gegenüber Nach einigen Bemerkungen de» Interpellanten wird die Besprechung der Interpellation geschlossen. Nächste Sitzung Montag 1 Uhr: Interpellation Auer, betr. die Verhaftung deS Abg. Bueb; Abgabentarif für den Kaiser-Wilhelm-Kanal; zweite Lesung des Margarinegesetzes. Dresdurr Nachrichten vom 4. Mai. -j- Wie ein Telegramm aus Meran meldet, verschied daselbst nach langem, schwerem Leiden Hr. Generalkonsul a. D Carl Mankiewicz. Der Verstorbene war 35 Jahre Teilhaber der hiesigen Bankfirma Philipp Elimeyer, aus welcher er seiner schweren Krankheit wegen 1894 ausschied, und hat außerdem als Mitbegründer einer großen Anzahl industrieller Unternehmungen, deren Ver waltung er zum Teil noch angehörte, eine umfassende Thätigkeit entfaltet. Auch alle Humanitären Bestrebungen fanden durch den Verstorbenen lebhafte Unterstützung und besonders die gemeinnützigen und wohlthätigen Vereine unserer Stadt verlieren in ihm einen eifrigen Förderer * Aus dem Polizeiberichte. In der Seevorstadt hat sich am letzten Sonnabend gegen '-^9 Uhr abends eine 54 Jahre alte, seit einem Vierteljahr nervenkranke Frau ungeachtet steter Beobachtung aus dem Fenster ihrer in einem dritten Obergeschosse gelegenen Wohnung in den Hofraum gestürzt. Sie ist alsbald tot ge wesen. * Die (gelbe) Dresdner Straßenbahn hat mit dem heutigen Tage auf der Linie Blasewitz-Reichen bachstraße ausschließlich den elektrischen Betrieb ein- geführt. Von Blasewitz bis zum Georgplatz wird Ober leitung benutzt, während von dort ab die Kraft der Akku mulatoren in Anwendung kommt — Die Wagen der Linie Schäferstraße-Striesen fahren von heute ab nicht mehr durch die König Johannstraße, sondern nehmen ihren Weg wieder an der Kreuzkirche vorüber, durch die Gewandhausstraße und über den Georgplatz Rachrichtrir aus den Larrdesteürrl. * Leipzig, 3.Mai. An der Kantateversammlung der Deutschen Buchhändler hierselbst ist die Beteiligung dieses Mal eine sehr rege. Es find nahe an dreihundert auswärtige Mitglieder des Börsenvereins Deutscher Buchhändler anwesend, darunter 81, die für ihre Firma selbst oder durch einen Bevollmächtigten abrechnen, 165, die durch den Kommissionär abrechnen laßen. Außerdem werden 95 Leipziger Verleger für ihre Firma selbst oder durch einen Bevollmächtigten abrechnen. Gestern wurde die neue Gedenktafel für die im Kriege 1870/71 gefallenen Buchhändler im Deutschen Buchhändlerhause feierlich ent hüllt, abends fand dort eine gesellige Vereinigung statt und heute wurde das althergebrachte Kantateessen ab gehalten, an dem sich über 800 Personen beteiligten. In der Bibliothek des Börsenvereins Deutscher Buchhändler ist gegenwärtig eine hochinteressante Sammlung ausgestellt, welche die Entwickelung des Buchtitels von der frühesten Vergangenheit bis zur Gegenwart veranschaulicht * Marienberg, 3. Mai. Unter Vorsitz des Herrn Amtshauptmanns v. Löben fand am 21. April eine Beratung des Hilfskomitees, welches im vergangenen Herbste eine öffentliche Sammlung für die durch den großen Brand am 11. September v. I. schwer geschä digten Bewohner des benachbarten Pockaus veranstaltet hatte, daselbst statt, in welcher über die Verteilung der durch diese Sammlung für die Brandkalamitosen einge gangenen Beiträge endgültig Beschluß gefaßt wurde Außer den Unterstützungen in Naturalien sind insgesamt 4488 M 35 Pf. eingegangen. Diese Summe machte es möglich, daß hiervon den 7 unansässigen Kalamitosen der erlittene Mobiliarschaden nach der durch das Komitee fest gestellten Höhe im Gesamtbeträge von 921 M. voll ent-' fchädigt werden konnte, während der Rest an die 7 an sässigen Kalamitosen nach Verhältnis des von diesem er littenen und durch Versicherung ungedeckt gebliebenen Schadens zur Verteilung gelangte. Es konnten auf diese Weise jedem Kalamitosen ungefähr 30 Proz. diese» Schadcns gedeckt werden Den armen Bewohnern von Pockau ist damit eine große Hilfe geleistet worden. Dank den edlen Gebern! * Reichenbach i. V., 3. Mai Der gesamte Kosten aufwand für das hiesige BiSmarck-Denkmal wird sich auf rund 11000 M belaufen Der Fond» für diese» Denkmal hat schon die ansehnliche Höhe von 9700 M. erreicht; die noch fehlenden 1300 M. hofft man in Kürze durch weitere freiwillige Spenden aufzubringen 6. Löbau, 3. Mai. Der kürzlich in Walddorf ver storbene Rentier Leberecht Hennig hat für die dortigen Ortsarmen ein Legat von 7500 M ausgesetzt I - Schandau, 3. Mai Die Elbe ist wieder über die niedrigen Thalpfade und die Dämme ober- und unter halb von Schandau getreten; auch die Landungsplätze der Dampfschiffe und der Überfahrtsboote sind unter Wasser gesetzt —tb. Großenhain, 4. Mai. Der seit 55 Jahren bestehende Brauerei- und Mälzerei-Verein — der älteste der fünf in Sachsen bestehenden Vereine gleicher Art — hielt gestern hierselbst seine diesjährige Haupt versammlung ab, welche von dem Vereinsvorsitzenden Braumeister Berndt geleitet wurde. Einen wichtigen Gegenstand der Verhandlungen bildete ein Vortrag de» Vorsitzenden de» Bundes mittlerer und kleinerer Brauereien Deutschlands, des Brauereibesitzers vr. Wallburg in Friedrichshagen bei Berlin, der besonders die Stellung der mittleren und kleineren Brauereien zu den zu Bierfabriken herangewachsenen Großbrauereien, die Ausdehnung der Unfallversicherungspflicht auf die kleineren Brauereinen und die anzustrebende Einführung einer progressiven Brau steuer behandelte. Als nächstjähriger Versammlungsort wurde Freiberg bestimmt. Vermischtes. * WaS die Telegraphie zu leisten vermag, hat kürzlich ein Berliner Handelshaus erfahren Dieses richtete eine telegraphische Anfrage nach Buenos-Ayres, die um gehend beantwortet werden sollte. Die Depesche ging um 1 Uhr nachmittags von Berlin ab und um 4 Uhr lief die Antwort auf dem dortigen Haupttelegraphenamte ein Also hatte der Weg der Frage- und Antwort-Depeschen von der Hauptstadt Deutschlands nach derjenigen Argen tiniens und zurück nur 3 Stunden in Anspruch genommen, trotzdem jedes Telegramm 12 Mal übertragen werden mußte. Berlin gab die Depesche nach Emden, dieses nach London, London nach Falmouth, von wo sie nach Lißabon übermittelt wurde. Portugals Hauptstadt gab sie nach Madeira. Von hier ging sie nach Teneriffa auf den Kanarischen Inseln und dann nach San Vicente auf den Kapverdischen Inseln. San Vicente gab sie nach Pernam buco, dieses an Bahia und Bahia an Rio de Janeiro Brasiliens Hauptstadt gab sie über SantoS und Montevideo nach Buenos-Ayres. Die Antwort machte den gleichen Weg zurück. Dabei ist noch zu bemerken, daß es ein Privattelegramm war, da» nicht Anspruch auf Bevorzugung hatte, wie etwa ein amtliches. * In Budapest fand vorgestern die feierliche Er öffnung der Millenniumsausstellung statt Der „Nat.-Ztg." wird darüber gemeldet: Alle Straßen sind mit Fahnen und Guirlanden reich geschmückt. Des großen Andranges wegen mußten bereits um 10 Uhr die Straßen polizeilich abgesperrt werden. Um 9 Uhr begann die Auf fahrt der zur Eröffnungsfeier geladenen Gäste. Vor der Jndustriehalle ist das prächtige Königszelt errichtet; vor diesem hatten sich gegen 10 Uhr die Mitglieder des öster reichischen Herrscherhauses versammelt; gegenüber dem Zelte hatten die Mitglieder des diplomatischen Corps, zu beiden Seiten des Zeltes der ungarische Reichstag, das öster reichische Herrenhaus und Abgeordnetenhaus, die beider seitigen Minister und hohe Beamte und Offiziere Auf stellung genommen. Punkt 11 Uhr verkündeten brausende Eljenrufe die Ankunft des Königspaares, welches den ganzen Weg entlang Gegenstand begeisterter Ovationen seitens der spalierbildenden Menge war. Nachdem der König und die Königin sich auf die im Zelte errichtete Tribüne begeben hatten, trat der Handelsminister Daniel, als Präsident der Landesausstellungskommission, vor und hielt eine begeisterte Ansprache an den König. Redner hob hervor, daß durch besondere Gnade des Schicksals eS dem Lande, welches durch Jahrhunderte der westlichen Kultur als Schutzwall diente, vergönnt sei, das tausend jährige Bestehen zu feiern Doppelte Freude erfülle die Herzen der Ungarn, daß sie diese Feier begehen könnten unter dem Scepter desjenigen Fürsten, unter dessen weiser Herrschaft das konstitutionelle Leben die schönste Vollendung erreicht habe, und daß der König und die Königin sowie die Mitglieder des Herrscherhauses durch ihre Mitwirkung und ihr Erscheinen die Pracht der Ausstellung erhöhten. Ter König antwortete: „Von aufrichtiger Freude erfüllt, sind Wir zur Eröffnung dieser, einen geschichtlichen Zeit abschnitt bezeichnenden Ausstellung erschienen Besonder» Der verrückte Flinsheim. Eine Erzählung vcn Charlotte Riese. 4 (Fortsetzung.) Die Baronin sah mich überrascht an. Ist das wirklich dein Ernst? Nun ja, es mag sein, daß er keine groben Fehler hat; aber er ist gar kein Flins- heim, und von meiner Familie hat er auch nichts. Er ist so schrecklich aufrichtig. Er macht uns fort während auf Fehler aufmerksam, die doch für Menschen unseres Standes gar keine Fehler sind. Kurt und Knud können doch nichts dafür, daß sie Schulden machen. Sie sind eben mit einem weiten Blick er logen, und der liebe Gott wird schon weiter für sie sorgen Ach, und beim lieben Gott fällt mir ein, daß ich mit Ludolf auch in religiöser Beziehung gar nicht übereinstimme. Er will immer, daß man so leben soll, wie es die Bibel vorschreibt, Wort für Wort: Nächstenliebe, Gleichheit vor Gott, und so weiter, gerade als wenn die Bibel heute und nicht vor so und so viel Jahrhunderten geschrieben wäre, wo man noch gar keine Ahnung von den Flin-Heim und den guten alten Familien hatte. Ich bin wirklich außer ordentlich fromm und eine sehr gute Ehristm; aber daß zwischen Adel und Bürgerstand auch im Himmel eine Kluft bestehen wird, davon bin ich doch fest über zeugt. Ich weiß, lieber Erich, daß auch du dieser Ansicht bist. Ader Ludolf behauptet, vor Gott wären alle Menschen gleich, und wir müßten uns alle genää nach seinen Worten richten, sonst würden wir nicht selig. Ich begnügte mich, zu der Rede der Baronin manchmal och und oh zu sagen. Denn sie konnte keinen Widerspruch vertragen. Auch war ich noch zu jung und zu schüchtern, mich mit der „Tante" in einen Streit einzulassen. Aber ich wiederholte doch zum Schluß meine erste Behauptung, daß Ludolf viel besser sei als ich selbst. Noch an demselben Tage brachte mich der FlinS- hausener Wagen einige Meilen ins Land hinein; dann nahm ich mein kleine» Felleisen auf den Rücken und marschierte der Stadt Schleswig zu, wo meine Mutter lin eigenes Hau» hatte. Ludolf begleitete mich eine Strecke. Er war still und in sich gekehrt, wie ich ihn immer kannte, und wie er so neben mir fortschritt mit seiner schlechten Haltung und den un geschickten Bewegungen, da mußte ich doch darüber nachdenken, wie er sich wohl später einmal in der roten Amtmannsuniform und dem Kammerherrnfrack auSnehmrn würde. Denn daß er beide Würden mit der Zeit erlangen würde, davon war ich überzeugt. Die Flinsheim waren immer AmtleuteundKammerherrcn geworden, auch wenn sie nicht» Besondere« leisteten. Ich hotte auch noch andere Gedanken auf diesem Wege Wenn ich mir überlegt, wa» die alte Baronin mit mir ge sprachen hatte, dann kam es mir so vor, als wäre ich selbst im Unklaren über Ludolf. Wir hatten ja immer sehr freundschaftlich mit einander verkehrt, aber seine eigentlichen Ansichten kannte ich trotzdem so wenig, als wäre er mir ganz fremd. Wenn man aber jung ist, dann denkt man nicht gern allzu lange über einen Gegenstand nach, besonder- wenn cr einem unbequem ist; und ich kann nicht leugnen, daß mir Ludolf plötzlich etwas unbequem wurde. Auf dem Landwege, den wir gingen, grüßte er jedcn Begeg nenden zuerst; die kleinen Torfkinder, die, den Finger im Munde, den feingekleideten Studenten anstaunten, schob er mit einem freundlichen Wort zur Seite, oder er gab ihnen einen Schilling. Kurz, er benahm sich, al« wenn ihn diese gewöhnlichen Menschenkinder geradezu interessierten, al- ob er sie nicht wie das langweilige Volk betrachtete, das zwar auf der Welt sein muß, aber keinen gebildeten oder edel geborenen Menschen etwas angeht. Schließlich trennte ich mich von Ludolf in dem Gefühl, daß ich ihn nicht mehr recht verstünde: ich hatte ihn sehr gern, aber ich em Pfand doch kein besondere» Verlangen, ihn bald wiederzusehen, und bedauerte e» daher gar nicht, daß un» da» Leben für längere Zeit auseinander!»httc Rach den Sommerferien ging jH auf eine süd deutsche Universität, und da ein Onkel von mir bei der Gesandtschaft in Pari» ongestellt war, so besuchte ich den in den großen Ferien de» nächsten Jahre» Nach dem Examen wollte meine Mutter, daß ich zu nächst etwas von der Welt sehen sollte. Ich ließ mich bei der Gesandtschaft in Wien attachieren, und eS ver gingen wohl vier oder fünf Jahre, bis ich wieder einmal nach Hamburg kam. Aber wie ich im Ham burger Gasthof die Fremdenliste durchblättere, finde ich zu meiner Freude darin auch den Baron Flinsheim auf Flinshausen. Er war an demselben Tage ange kommen wie ich, und ich ließ mich, obgleich es schon ziemlich spät am Abend war, sogleich bei ihm melden. Aber es war nicht der alte Majoratsherr, der mich empfing, sondern Bruno, der älteste Sohn und nun mehrige Besitzer, derselbe, dessen jüngsten Sohn wir heute begraben haben. Er saß hinter einer ganzen Batterie von Flaschen und bewillkommnete mich mit großer Heiterkeit Sieh' da, Erich, bist Du auch einmal hier? Mach doch nicht ein so trübseliges Gesicht, Mensch! Alle Menschen müssen einmal sterben! Mein Alter hat auch dran glauben müssen. Er war ein guter Kerl und ich habe ihm riesig nachgetrauert. Aber eS hat alles ein Ende DaS Leben tritt mit ernsten Pflichten an uns heran, und der Vater liegt still und friedlich in unserer Familiengruft Ich habe sie neu tünchen lassen, sie sieht sehr anständig au» Mama ist viel dort, wie Du Dir denken kannst, sie ist womöglich noch frömmer geworden. (Fortfetz»», folgt.)
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