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Dresdner Journal : 10.04.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189604104
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960410
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960410
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-04
- Tag 1896-04-10
-
Monat
1896-04
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 10.04.1896
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Dresdner Ionmal 10! b. B. 18S6 82 10» s. Freitag, den 10. April, abends 104 B. 102,50 » 104,80 b ». 10»,L0 <S. 10»,»0 U. 10» » 102,25 s. 108 « 104,SO ». vei»«*»rr«»: Für Dresden viertel,Shri ich 2 Mart dOPs, bei den Saisir- luh dermchr» Poüanft,>ü-u virrtrljShrlich »Mart; »»her- halb de» Dentfchea »eiche« Poft- and Etempelchajchta« Winzeln» »»«»ein: 10 Pf. Urschel»«»: rsglitd mit U«»nah«e der Sonn. und Feiertage abend« FernN>r.«>lchlud:«rL»»^ vukßn»t«n,is»«tdfttzre»r Für de» -Naum einer aesdal» teneu Zeile kleiner Schrift »0 Pf. Unter „Lingrsandt" die Zeile SO Pf. Bei ladeNrn. und Ziffernsatz entsprechender «usschtag. Her»»««edtr: Wvniglich« Lrpedrtion de« Dresdner Journal« Dresden, Awingerstr. «0 Herns»r..«nschlub:Xr 1»»». >03,25 B. 02,75 S. 02,60 <S. 04,2L <ö. 04,25 G. 02 B. rs B. »4 G. >4,50 S. »2,25 E. 4,75 S. 4,50 G. 5 G. 1 G. t B. r G. i G. >,50 G. >,25 G. > G. >0 G. ,75 B. ,60 G. G. 8 5 G 4.5 iS. 0 S. 0 G. 5 «. 75 G. »0 iS lO b. matter, r Ma» vr G., Hafer 121,00 still. Mai N. <S, :. S, Mai 10 M. fest- echts- onsul icken- pzig; chul- llma ling, laus >ym- lnna lstav chil- »orn, Frl- l»ax tuch eger in Frl. sarl in Frl. 0r. tftl 4ck- ilir sch, frl ör- 1N, in nn ff- >g, au in dt Ämtlicher Teil. Se Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, den Betriebsinspektor bei der Staatseifenbahn- Verwaltung, prädizirten Banrath Karl Hermann Andrae in Dresden Altstadt zum Betriebsdirektor in Zwickau und den Vorstand der Bauinspektion Leipzig II, Bauinspektor Friedrich Bernhard Müller zum Be triebsinspektvr bei der Bctriebs-Oberinspektion Dresden- Altstadt zu ernennen Se. Majestät der König haben dem Juwelier, Gold und Silberfchmied Gustav Julius Erdmann Jähne in Dresden das Prädikat „Königlicher Hof- Juwelier" Allergnädigst zu verleihen geruht nichtamtlicher Leit. Tit Aushebung deS bulgarischen Lchiöinas. Das sogenannte „bulgarische Schisma" bilde! gegen wärtia, nachdem die Emigrantenfrage durch die Pensio nierung der ehemaligen bulgarischen Offiziere, die sich während dec Stambnlowschen Aera aus Furcht vor Beifolgungen wegen ihrer hochverräterischen Pläne nach Russland geflüchtet hatten, glücklich gelöst worden ist, noch den einzigen dunklen Punkt auf dem Bilde der wiederhergestellten russisch bulgarischen Herzensfreund- schast. Fürst Ferdinand hat nun bei seiner jüngsten Anwesenheit m Konstantinopel die ersten Schritte unternommen, auch diesen dunklen Punkt zu beseitigen, wobei er sich ausschließlich von dem Wunsche hat leiten lassen, den Anspruch auf besonderen Dank des Beherrschers aller Reußen für diese der Sache Ruß lands geleisteten Dienste zu erwerben. Denn an der Beseitigung des bulgarischen Schismas, das einen Pfahl im Fleische des Orthodoxentums bildet, hat Rußland ein außerordentlich s Interesse. Rußland war es, welches in Konstantinopel vor 2'> Jahren die hohe Pforte veranlaßt hat, ihre Zu stimmung zur Bildung des bulgarischen Exarchats unter dem Vorbehalt zu erteilen, daß das Oberhaupt der bulgarischen Kirche neben dem griechischen Patriarchen in Konstantinopel seinen Sitz habe. Die Annahme dieser Bedingung bildet aber den Ausgangspunkt zu dem bulgarischen Schisma Tas im Jahre 1872 in Konstantinopel versammelte ökumenische Konzil, auf welchem nur die russische Nationalkirche nicht vertreten war, mußte nach der Prüfung der gegen die bulgarische Rationalkirche wegen ihres antikanonischeu Ursprungs erhobenen Anklage auf „schuldig" erkennen und die bulgarische Kirche als schismatisch aus der orthodoxen Kirchengcmeinschaft auSstoßen, denn nach den Satz ungen der griechisch - orthodoxen Kirche dürfen in einer Stadt nicht zwei voneinander unabhängige Kirchenverweser ihren Sitz haben. Rußland hat gegen diesen Rechtssprnch der Konstantinopeler Kirchen Versammlung keinen Protest erhoben, sondern sich nur Vorbehalten, in einem später zusammenzuberufenden allgemeinen Kirchenkonzil, auf welchem auch die russische Nationalkirche vertreten sein sollte, diese Streitfrage nochmals zur Entscheidung zu bringen. Tie russische Negierung gab sich hierbei der Hoffnung hin, daß sie die hohe Pforte unter geänderten politischen Verhältnissen noch dazu werde bestimmen Kunst und Wissenschaft. K. Hoftheater. — Neustadt — Am 9. d. Mts: „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua", republika nisches Trauerspiel in fünf Akten von Schiller. Im Neustädter Hoftheater beherrscht zur Zeit die Wiederholung des „Schiller-Cyklus" den Spielplan. Er freulicherweise scheint auch die abermalige Gesamtdarstellung von Schillers Dramen ein nahezu so zahlreiches Publikum herangezogen zu haben, als deren erste Vorführung, und da nicht anzunehmen ist, daß es im wesentlichen der gleiche Teilnehmcrkreis sei, der sich zum zweiten Cyklus ver sammelt, so liegt der Schluß nahe, daß, wenn die Bühne nur einige Anstrengungen aufwenden will, das Publikum noch immer für das Große und Mächtige und nicht bloß für das Neueste zu haben ist. Zu erneuter Kritik giebt die programmmäßig abrollende Folge der Wiederholungen natürlich nur in den wenigen Fällen Anlaß, wo eine Neubesetzung wichtiger Rollen statt findet Doch sei nach der gestrigen Vorstellung des „Fiesco" mit Gcnugthuung betont, daß man der Erfahrungen des ersten Cyklus eingedenk scheint Der Grundton der ganzen Wiedergabe des pathetisch schwungreichen JuaendwerkeS unsere» großen Dichters, der bei der ersten Aufführung zu dröhnend und kulissenerschütternd erklang, war diesmal ge mäßigter und ließ eben darum feineren Abstufungen und Wirkungen größeren Spielraum Den Mohren Muley Hassan spielte am gestrigen Abend Hr Holthaus inter essant und charakteristisch, wie fast jede Figur, die der Künstler hinstellt; doch wollten sich Maste und Einzel- vorsührung nicht völlig decken Die erstere brachte da« Tierische, Elementare im Wesen de« urwüchsigen Gauner« zu höchst eindringlicher Erscheinung, in der Einzrlausführung überwog die Erkenntnis, daß dieser Mohr eine nachdenkliche Bestie können, ihre Einwilligung zur Übersiedelung des bulgarischen Exarchats von Konstantinopel nach Sofia zu geben, wodurch der im Konzil 1872 über die bulgarische Kirche verhängte Kirchenbann von selbst die weitere Berechtigung verlieren würde. Dieser von Rußland erwünschte Zeitpunkt ist jedoch bis her nicht eingetreten. Bald nach dem Jahre 1872 brachen bekanntlich die Balkanwirren aus, die den russisch türkischen Krieg und die Bildung eines selbständigen Bulgariens zur Folge hatten, und die auch jetzt noch unter der bulgarischen Bevölkerung Makedoniens andanern. Die hohe Pforte wollte unter diesen Umständen um keinen Preis den bulgarischen Exarchen aus ihrem unmittelbaren Machtbereich ziehen lassen, da sie überzeugt war, daß er in Sofia ihr als geistiges Haupt des nach der politischen Emanzipation ringenden bulgarischen Volkes viel gefährlicher sein und daß sein Sitz zum Hauptherde der Revolution in sämtlichen von Bulgaren bewohnten türkischen Provinzen werden würde. Die Bulgaren selbst hatten auch nach Errichtung ihres Fürstentums nud der später erfolgten Angliederung Ostrumeliens an dasselbe kein Interesse an der Verlegung des Exarchats nach ihrer Hauptstadt, da in diesem Falle seine kirchliche Autorität auf Bulgarien selbst einge schränkt, und die „makedonischen Brüder" in kirch licher Beziehung wieder unter die Oberhoheit des griechischen Patriarchen gebracht worden wären, und das würde ja der Verzichtleistung auf die Verwirk lichung der großbulgarischen Pläne in Makedonien gleichgekommen sein, die das Hauptziel der bulgan scheu Nationalbestrebungen bilden. Selbstverständlich würde es Rußland, da es von diesen Bestrebungen nichts wissen will, sehr gern sehen, wenn der bulgarische Exarch im Einvernehmen mit der hohen Pforte und dem bulgarischen Fürsten nach Sofia übersiedeln und seine kirchliche Fürsorge fortan nur auf die Bulgaren im Fürstentum er strecken würde, weil Rußland dadurch mit einem Schlage zwei große Ziele seiner Balkanpolitik erreicht hätte, nämlich nicht nur die Beseitigung des bulgarischen Schismas, sondern auch die dauernde Befestigung der Ruhe auf der Balkanhalbinsel, die jetzt immerhin noch von der bulgarischen Jrridenta in Makedonien gefährdet wird Wenn Fürst Ferdinand das bulgarische Schisma aus der Welt schafft, so verpflichtet er dadurch Ruß land unzweifelhaft zu großem Dank. Aber ander seits — und das dürfte schließlich doch für die Ent scheidung der Angelegenheit von maßgebendem Einflüsse sein — setzt er sich zweifellos in Widerspruch mit den nationalen Empfindungen seines eigenen Volkes, welchem der ihm zugemutete Entsagungsakt durchaus unsympathisch ist. Fürst Ferdinand wird demnach bei seiner bevorstehenden Anknnst am Zarenhofe im besten Falle nur seine Bereitwilligkeit erklären können, nach Kräften an der Beseitigung des Schismas mit- zuwirken, einen Erfolg seiner Bemühungen aber wird er seinem mächtigen Beschützer zur Zeit noch nicht in sichere Aussicht stellen können. Lages-tschichk. Dresden, 1». April. Se. Majestät der König kamen heute vormittag von Villa Strehlen ins Residenzschloß und nahmen die Vorträge der Herren Staatsminister und Departementschefs der Königl. Hofstaaten sowie militärische Meldungen entgegen. Nachmittags kehrten Se. Majestät nach Villa Strehlen zurück Deutsches Reich. * Berlin, 9. April Über die Reise der Kaiser lichen Majestäten wird aus Messina berichtet: Gestern abend wurde der Hafen, an welchem ein glänzender Fackel - zug stattfand, von der „Hohenzollern" aus elektrisch be leuchtet. Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin landeten heute vormittag unter lebhaften Kundgebungen der zahlreich anwesenden Bevölkerung bei dem Zollaebäude und begaben Sich durch die an der Kathedrale vorüberführenden Straßen Primo Settembre und Garibaldi zur Besichtigung der Befestigungen. Die Stadt ist reich mit Flaggen geschmückt, in den Straßen herrscht ein überaus reges Leben Nach mittags 1 Uhr kehrten die Majestäten von Torre San Rizzio aus, wo sie das herrliche Panorama nach dem Fest lande zu bewundert hatten, zurück; auf dem ganzen Wege begrüßte die zahlreich versammelte Menge die Majestäten aufs wärmste und warf Blumen in den Wagen. Als di« Majestäten an der Landungsbrücke ankamen, brach die Volksmenge in begeisterte Ruse aus. An der Landungsbrücke stellte der deutsche Konsul Jakob den Majestäten die Mitglieder der deutschen Kolonie vor, welche Ihrer Majestät der Kaiserin einen prachtvollen Blumenstrauß überreichten Vor der Einschiffung auf der „Hohenzollern" verlieh Se. Majestät der Kaiser dem Professor Salinas und dem Karabinierobersten De Angelis den Kroncnorden Die „Hohenzollern" verließ alsdann den Hasen von Messina auf der Weiterreise nach Venedig, währrnd von dcn reich beflaggten Schiffen, vom Kai und von den mit Menschen angesüllten Ballonen immer neue enthusiastische Kundgebungen die Majestäten begleiteten — Der Reichskanzler Fürst Hohenlohe hat, wie die „Nordd. Allg. Ztg." bestätigt, seine Gemahlin nach Paris begleitet und hält sich dort seit einigen Tagen inkognito auf. Tic völlig private Natur des Aufenthaltes des Reichskanzlers in Paris schließt offizielle Besuche und Empfänge aus Ter Fürst beabsichtigt, sich in einigen Tagen von Paris nach Wien zu begeben. — Über den weiteren Verlauf des christlich-sozialen Parteitages für den Norden und den Osten des Reiches ist noch zu berichten: In der Nachsitzung, welche der öffent lichen Versammlung folgte, gab der Parteitag seine Zu stimmung zum Vorschläge, die Frage der christlich sozialen Arbeit auf dem Lande in einer für den Herbst anzu- beraumenden Versammlung wiederholt zu erörtern Weiter hin erwählte der Parteitag im Einklang mit den Frank furter Beschlüssen das „Volk" zum Parteiorgan Offizielle Kundgebungen, für welche allein die Partei leitung verantworlich ist, sollen mit einem besonderen Kenn zeichen versehen werden. Es wurden dann noch Organi sationsfragen besprochen und der Parteitag mit einem Hoch auf die christlich-soziale Sache geschlossen — In den Tagen vom 27 bis 29 Mai wird in Aachen ein internationaler Bergarbeiterkongreß abgehaltcn. Ten Vorsitz wird das englische Parlaments- nlckgiied Pickard führen. Zur Diskussion steht die Frage einer Zentralisation der Wohlthätigkeitseinrichtungcn. — Bei der heutigen Reichstags-Ersatzwahl im 4 hannoverschen Wahlkreise (Osnabrück) wurden nach den bisherigen Zählungen folgende Stimmen abgegeben: für Wamhoff (natlib.) 7108, Schelc (Welfe) 4989, Weidner (deutsch-soz. Reformpartei) 1295, Schrader (Soz) 3050 und Hilsenkamp (freis) 150 Stimmen. — Ohne daß man den Diskussionen zwischen An hängern der Zentrumspartei über die agrarischen Fragen allzugroßen Wert beizulegen gezwungen wäre, lohnt es sich doch, die einzelnen Phasen dieses Zwistes zu verfolgen. Infolge der von uns schon erwähnten Ver öffentlichung in der „Deutschen Reichszeitung" hat Fürst Löwenstein dem genannten Blatte folgende Erklärung zugesendet: „Baron v Lok- erkennt in der berufsgenossenschaftlichen Reorganisation das Heil- und Nettungsmittel wie der Gesellschaft im allge meinen, so auch des bäuerlichen Standes. Er be findet sich hierbei im Einklang mit den Lehren Leos XIII und mit der Überzeugung fast aller christ lichen Sozialpolitiker Nicht diese Bestrebungen des Frhrn v Lok' werden verhängnisvoll für das Zentrum; ver hängnisvoll wäre nur, wenn das Zentrum sich diesen Anschauungen verschließen oder gar ent gegentreten würde, und wenn eS abweichend von den Normen, die es sich selbst in dem Programm bei seiner Konstituierung 1871 gegeben hat, die liberta«; in üuläi^ seinen Mitgliedern nicht gestatten wollte! — Gott sei Dank besteht aber hierfür keine Gefahr; noch vor wenigen Tagen erhielt ich aus sicherster Ouelle die kategorische, beruhigendste Versicherung, daß sowohl das ideaie Ziel berufsgenossenschastlicher Organisation der Gesellschaft, als auch die im Punkt 3 des Programms vom Jahre 1871 gewährleistete Freiheit von dem ganzen Zentrum jetzt (seit drei Jahren wieder) hochgehalten werden und auch ferner als Grundsätze werden gewahrt und be folgt werden Was von den Bestrebungen der Gründung einer „katholischen Volkspartei" — an Stelle des Zentrums und Schaffung einer Ständevertretung, in welcher der Adel eine bevorzugte Sonderstellung mit gesetzgeberischen Be fugnissen einnehmen solle, behauptet worden ist, wird ivohl eben so sehr eine Erfindung seiner geängstigten Phantasie sein, wie seine Behauptung, daß ich an solchen Bestreb ungen beteiügt sei. Ich wäre reif fürs Irrenhaus, wenn ich Beseitigung des Zentrums und Wiedererneuerung geburtsständischer Vertretungen anstrebcn wollte." Aus diese Erklärung des Fürsten Löwenstein antwortet nun das leitende ultramontane Blatt, die „Kölnische Volkszeitung", in folgender Auslassung: „Wir würden das Schreiben des Fürsten ohne jede Bemerkung ab drucken, wenn der hochverdiente Kommissar der deutschen Katholikenversammlungen nicht leider diese Gelegenheit zu einem Angriff auf das Zentrum benutzte Wenn er sagt, die im Programm von 1871 gewährleistete Frei heit werde „jetzt (seit drei Jahren wieder)" hochgehalten, so kann das nur den Sinn haben, daß sie vor drei Jahren in programmwidriger Weise verletzt worden sei. Das bestreiten wir. Punkt 3 des auch vom Fürsten Löwenstein unterzeichneten Pro gramms von 1871 besagt: „Die Fraktion verhandelt und beschließt über alle in dem Reichstag zur Beratung kom menden Gegenstände, ohne daß übrigens den einzelnen Mitgliedern der Fraktion verwehrt wäre, im Reichs tage ihre Stimme abweichend von dem Fraktions beschluß abzugeben" Tarin liegt lediglich die Ver neinung des Fraktionszwanges, aber nichts weniger als die Verkündung einer unbeschränkten UberO» in ckubii^ d. h. der Freiheit, in allen erdenklichen Dingen, über welche innerhalb der Fraktion Meinungsvel schieden heilen entstehen können, nach Gutdünken zu thun und zu lasten, ivas man Lust hat. Dieser Grundsatz würde zur Folge haben, daß die Mitglieder der Fraktion jeden Augenblick gegen einander stimmen, sich so neutralisieren lind jeden politischen Einfluß einbüßen, was dann über kurz oder lang dcn Zerfall der Fraktion zur Folge haben müßte Grundsatz muß umgekehrt sein: Die Fraktion hat zu den auftauchendcn wichtigen Fragen möglichst geschlossen Stellung zu nehmen, jedoch unter Ausschluß des Fraktions zwanges. Danach ist auch 1893, d. h. bei der Militär vorlage , verfahren worden Bekanntlich entschied die große Mehrheit der Fraktion sich gegen diese Vorlage in der Hueneschen Fassung, zwölf Mitglieder stimmten dafür. Nach der Auflösung des Reichstages haben mehrere der difsentierendcn Herren eine Wiederwahl abgelehnt, einige andere wurden nicht wieder ausgestellt, ohne daß die Frak tion sich eingemischt hätte, wieder andere wurden wiedcrge- wählt und gehören noch heute der Fraktion an." Daß heute die „Germania" energisch sür das Verbot des Getreidetermtnhandels eiatritt, ist vielleicht schon eine Folge der „agrarischen Diskussionen". — Im „Vorwärts" ist zu lesen: Die sächsische Landesversammlung ist so verlaufen, wie es unter den obwaltenden Umständen nicht anders zu erwarten war In dem Hauptpunkte, welcher zur Entscheidung stand — in der Frage, wie aus das Wahlrechtsattentat der Regierung zu antworten ist, hat die Landesversammlung mit großer Mehrheit für die Beibehaltung der Mandate und für die Beteiligung an den nächsten Klastenwahlen sich ausgesprochen Wir hätten es anders gewünscht und haben in Bezug auf unsere Anschauung keinen Zweifel gelassen. Und wir sind auch überzeugt, die Mandatsniederlegung wäre deschlosten worden, wenn nicht durch einen bedauerlichen Mißgriff die sachliche Diskussion aus das persönliche Gebiet hinübergespielt und das durch jenen Mißgriff hcrvorgerusene Odium aus den Vorschlag der Mandatsniederlegung übertragen worden wäre. Indes so lieb es uns und wohl den meisten unserer Freunde außerhalb Sachsens auch gewesen wäre, wenn unsere Ansicht gesiegt hätte, so erkennen wir doch gern an, daß die Frage ohne jegliche prinzipielle Bedeutung ist und daß auch sür die Mandatsbeibehaltung sich triftige Gründe vorbringen lasten Alles kommt nun und gelegentlich ein galgenhumoristischer Gesell ist So kam nicht alles in freien Fluß, obschon die Hauptszenen durchaus die Wirkungskraft der geistvollen, scharf heraus- gearbeiteten Auffassung des Darstellers bewährten und ihm rauschenden Beifall eintrugen Die Leistungen der Damen Frl. Ulrich und Frl. Salbach, der Herren Waldeck, Müller, Porth und Franz sind schon bei der „Fiesco"- Vorstellung des ersten Cyklus gebührend hervorgehoben worden, sodaß nur noch der seinempsundenen und ergreifend einfachen Wiedergabe der Rolle der Bertha Verrina durch Frl. Politz zu gedenken ist, deren große Szene im ersten Akt ich am 14. Februar zu sehen behindert war Ad. Stern Eine neue Erwerbung der Königl. Gemäldegalerie. Ein neues, vor kurzem vom Direktor in Venedig er worbenes Gemälde der alten italienischen Schule ist seit heute im Kabinett 1 des ersten Stockwerkes der Königl. Gemäldegalerie ausgestellt. Es ist ein in der Kunstlitte- ratur bereit« seit langer Zeit bekanntes und besprochene« Bild der ferraresischen Frührenaissance, der „heilige Se bastian" des Cosimo Tura, genannt Cosmö, ein Gemälde, da« sich ehedem unter Nr 57 in der bekannten Galerie Costabile zu Ferrara, seit der Auflösung dieser Samm lung aber im Besitze Guggenheim« in Venedig befand. Da« auf Holz gemalte, 1,71 m hohe, 0,59 m breite Bild zeigt die fast lebensgroße, nur mit weißem Lenden tuche bekleidete Gestalt de« jugendlichen Märtyrer«, von elf Pfeilen durchbohrt, an die grüne Steinsäule eine« statt lichen Portal« gefesselt. Ein durchsichtiger Heiligenschein umgiebt da« mit tiefschmerzlichem Ausdrucke gen Himmel gerichtete Haupt Link« schweift der Blick de« Beschauer» durch die halbgeöffnete schlichte Holzthür in« Freie bm- au«; und ein geharnischter Krieger, der seinen Schild gegen den Sockel der Säule gelehnt hat, hält hier, auf die Stange eines feuerroten Banners gestützt, Wache bei dem wegen seines christlichen Bekenntnisses zum Tode ver urteilten römischen Tribunen Tie beiden Hauptmeister der ferraresischen Schule des fünfzehnten Jahrhunderts, die sich im Anschluß an die strenge Schule des benachbarten Padua (Squarcione, Man tegna), aber nicht ohne Beeinflussung durch Piero della Francesca, den toskanischen Meister der Perspektive, zu einer gewissen herben, eigenartigen Größe entwickelt hatte, waren bekanntlich FranceSco Cossa und Cosimo Tura Tura war um 1432 in Ferrara geboren Seit 1458 finden wir ihn hier im ständigen Dienste des Herzogs; 1495 starb er in seiner Vaterstadt Er gilt als „der eigentlicheCharakterkopfderserraresischenSchule" ErundCossa gehören gerade wegen der eigentümlich reifen Herbheit ihrer Formensprache, der festen, manchmal metallisch glänzenden Modellierung ihre« Nackten, der vornehmen, keineswegs reiz losen Kühlheit ihrer Färbung und der absichtlichen Ver wertung ihrer neu errungenen perspektivischen Kenntnisse zu jenen vollwertigen Vertretern der italienischen Früh renaissance, denen das vorige, in weichen Formen und Farben schwelgende Jahrhundert kühl und verständnislos gegenüberstand, während unsere Zeit sie wieder zu Ehren gebracht und vielfach gerade in ihren Werken die an ziehendsten Schöpfungen der italienischen Kunst anerkannt hat Gerade mit den ferraresischen Meistern dieser Richt ung hat die Forschung sich erst in neuerer Zeit eingehend beschäftigt. Früher pflegte man sie unter sich und mit anderen zu verwechseln Franceesco Cossa war schon seit 1750 mit seinem schönen VcrkündigungSbilde (Nr 43) in unserer Galerie vertreten; aber sein Werk ging damals unter Mantegna« Namen Umgekehrt galt unser neu er worbener „Heiliger Sebastian" Tura « vormal« in der Galerie Costabile für rin Werk Cossa«, bi« e« aus Gnmd der hebräischen Inschrift am Sockel der Säule, die angeb lich „Kaxister l-nurentius Costa" gelrsen werden muß, für ein Jugendbild dieses Costa, des ein Menschenalter jüngeren Meisters erklärt wurde, der wahrscheinlich Turas Schüler in Ferrara gewesen war, später in Bologna aber in einen „merkwürdigen Austausch" mit Francesco Francia geriet Als Jugendbild Costas feierte Camillo Laderchi in seiner bekannten Schrift .,Ca pittura b'm-rarego" (Ferrara 1856, p. 40) unseren heiligen Sebastian als „köstliches Bild" (preffosa tavola); und als Jugendbild Costas reihten auch noch Crowe und Cavalcaselle (Deutsche Ausg. V S. 575) es ein, die freilich gerade aus diesem Grunde nichts Rechtes mit ihm anzusangen wußten Neuerdings aber sehen die ange sehensten Kunstkenner ein charakteristisches Weick Turas selbst in dem Bilde. Giovanni Morelli (Ivan Lermolieff) be zeichnet es noch in seinem letzten Werke „Die Galerie zu Berlin" (Leipzig 1893, S. 56) al« ein untrügliches Werk des Eosm,-; und selbst Kenner, die nicht stet« Morelli« Meinung teilen, haben ihm in diesem Falle zu gestimmt. Morelli führt das Bild — unter der Voraus setzung, daß die Inschrift wirklich auf Costa deutet —, gerade al« Hleispiel dafür an, daß dem wirklichen Kenner sogar eine echt alte Inschrift weniger bedeute, als die künstlerische Handschrift de« Meisters Zeigt die Inschrift wirklich Costa» Namen, was sich ja feststellen lassen wird, so hat dieser vielleicht in den Nebendingen seinem Meister Tura geholfen und aus Scherz seinen Namen mit Buch staben, die dieser nicht lesen konnte, dar aufgesetzt Sollte die Forschung aber auch, wa» freilich unwahrscheinlich er scheint, jemals darauf zurückkommen, die Hand Cossa« oder Costa« anstatt derjenigen Tura» in dem Bilde zu erkennen, so würde da« seiner kunstgeschichtlichen Bedeutung und seinem künstlerischen Werte, da diese Meister Tura völlig ebenbürtig sind, natürlich nicht den mindesten Abbruch thun Unter allen Umständen bleibt es eine ..preriosa tavola" der ferraresischen Frührenaifsance, die gerade deshalb in die Dresdner Galerie gehört, weil die
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