Suche löschen...
Dresdner Journal : 15.01.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189601159
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960115
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960115
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-01
- Tag 1896-01-15
-
Monat
1896-01
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 15.01.1896
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
i78 Ausführung ein weiter Weg. Was an Verdächtigungen und Herabsetzungen deutscher Jndustrieerzeugnisse, deutscher Arbeit, deutschen Geschäftsbetriebes nur irgend möglicher^ weise geleistet werden konnte, um dem englischen Publikum eine heilsame Abneigung gegen alle« „Made in Germany" beizubringen, da« Haden die auf den wunderbaren Auf schwung der deutschen industriellen Leistungsfähigkeit neidischen englischen Konkurrenten schon früher gründlich besorgt. Mit welchem Effekt, zeigt die immer sich wiederholende Forderung an die Regierung, den englischen Absatzmarkt, wenn auch nicht in der Theorie, so doch in der Praxis möglichst hermetisch gegen den Import vom „Auslande", womit man ausschließlich Deutschland meint, abzusperren. Bis jetzt ist die englische Regierung dieser Forderung nicht näher getreten, wohl jedenfalls, weil sie die Ungangbarkeit nach dem an und für sich ihr vielleicht auch erwünschten Ziele einsieht. Die jetzige Spekulation der englischen Geschäftswelt auf den „Jingoismus" ihrer Landsleute wäre am Ende kein so ganz übler Einfall, wenn die Voraus setzungen, von denen sie auSgcht, nicht so völlig unhaltbar wären Daß Deutschland den Engländern wegen der süd afrikanischen Vorgänge unfreundlich und beleidigend be gegnet wäre, ist eine willkürliche, bei den Haaren herbei gezogene Beschuldigung, an die im Ernste auch kein verständiger Mensch in England glaubt. Um so weniger wird die große Masse des kaufenden Publikums aus dieser Beschuldigung die ihm von interessierter Seite nahe gelegten geschäftlichen Konsequenzen ziehen wollen, zumal der Grundsatz, da zu kaufen, wo man am reellsten und preiswürdigsten bedient wird, dem englischen Konsumenten allnachgerade zur zweiten Natur geworden ist. Mindestens müßten von den Wortführern des Boykottfeldzuges ganz andere und stärkere Argumente ins Gefecht gebracht werden, als bisher, und damit hat es gute Wege, nachdem die durch den Jamesonschen Handstreich heroorgerufene Er regung ihren Höhepunkt längst überschritten hat München, 14. Januar. Ganz unerklärlich ist die Erreg ung, welche in der bayerischen Hauptstadt noch immer infolge der Vorgänge nachzittert, die sich in der Sylvesternacht im Pschorrbräu aus Anlaß des inkorrekten, von allen zuständigen Stellen längst in aller Form gemißbilligten Verhaltens eines Unteroffiziers abgespielt haben. Daß Sozialdemokraten und freisinnige Demokraten über einen Vorgang, wie den gedachten in Entzücken versetzt werden und ihn als eine hochwillkommene Unterstützung in ihrem Bemühen ansehen, staatliche Einrichtungen bei der großen „Masse" verächtlich zu machen, das ist nichts Wunderbares. In anderen, als demagogischen Kreisen sollte man sich aber doch vor der fortgesetzten Verwertung des Pschorrbräu-Falles hüten Selbstverständlich tritt die Militärverwaltung dem vielfach geäußerten Ansinnen, in der Art der Ehrcnerweisung in öffentlichen Lokalen eine Änderung anzuordnen, mit Entschiedenheit entgegen. Laut Kommandanturbefehl ist sogar den Mannschaften das „Antreten" vor Offizieren und Unteroffizieren in öffentlichen Gastlokalen aufs neue eingeschärft worden. Gleichzeitig wird bekannt gemacht, daß die Erlaubnis, über Mitternacht auszubleiben, nicht mehr erteilt wird. Wer trotzdem länger ausbleibt, wird mit fünf Tagen Arrest bestraft. Ferner wurde über 15 Wirtschaften, von denen anzunehmen ist, daß in denselben dem Militär von dem Civilpublikum die gehörige Ächtung nicht entgegen gebracht wird, das Militärverbot verhängt worden. Es ist höchst bezeichnend, daß dieser Nachricht die schwer wiegende Meldung angesügt wird: „Die Aufregung unter den hiesigen Wirten ist infolge dieser Maßnahme sehr groß" Oldenburg, 14. Januar. In dem Befinden der Großherzogin traten gestern bei selten unterbrochenem Schlafe die körperlichen Leiden kaum in Erscheinung In den Zwischenzeiten war die Großherzogin bei voller Klar heit des Geistes. Das subjektive Befinden hat sich ge bessert bsterretch-llaßgra. Wien, 14. Januar. Ter bekannte christlich-soziale Agitator Pfarrer Deckert, welcher angeklagt war, sich durch aufhetzrnde Predigten gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung vergangen zu haben, wurde heute, nachdem die Geschworenen sämtliche Schuldfragen einstimmig verneint hatten, freigesprochen. A r a »k r e i ch. * Paris, 14. Januar. Das allgemeine Interesse konzentrierte sich heute bei Eröffnung der Kammern auf die Wahl der Präsidien und Bureaus. In der Deputiertenkammer wurde als einziger Kandidat für das Präsidium Brisson mit 294 von 351 Stimmen gewählt. Zum ersten Vizepräsidenten wurde Poincar« gewählt. Da die Wahl der drei anderen Vizepräsidenten zu keinem Ergebnis führte, ist ein zweiter Wahlgang erforderlich. Nach der Wahl der Schriftführer und Quästoren vertagte sich da» Hau» aus nächsten Donnerstag Die Spannung, mit derman die Präsidentenwahl im Senat erwartete, wurde noch nicht befriedigt, da der Senat nach kurzer Sitzung die Wahl auf Donnerstag vertagte. Hier stehen Magnin. und EonstanS einander gegenüber Eonstan«' Sieg wäre bedeutungsvoll, er würde den Sinn haben, daß die Senatsmehrheit ernstlich den Kampf gegen den Sozialismus, den Radikalismus und die Verlotterung aller bestehenden Gewalten und Einrichtungen aufnehmen will. Die Regierung tritt für Magnin ein Im Falle seiner Wahl soll Peytral Gouverneur der Banque de France werden. — Der „Figaro" sieht in der Deputierten kammer große Stürme voraus, und zwar nicht allein wegen der Finanz frage, sondern auch wegen der mora lischen Fragen, die das letzte Jahr hervorgebracht habe — Der erste Sekretär der deutschen Botschaft, Legations rat v. Schön, wurde zum Kommandeur der Ehrenlegion ernannt — Die Asfaire Lebaudy nimmt die Dimensionen eines Riesenskandals an. Das Ministerium geht mit eiserner Energie vor und schont niemanden, selbst die Ein flußreichsten und Höchsten nicht. Selbst die „stärksten" Regierungen haben sich bisher vor einer Macht gebeugt: vor der Presse. Man schickte zur Not wohl einmal ein paar Parlamentarier vor den Untersuchungsrichter oder auf die Anklagebank Aber sich an einem Journalisten zu vergreifen, der für ein großes Blatt schrieb — das wagte niemand. Die Übelthäter in der Presse hielten sich darum sür außerhalb der Gesetze stehend, für unantastbar und erlaubten sich alles. Easimir-Perier hat den ersten Ver such gewagt, diesen Leuten zu Leibe zu gehen. Er hat die Pariser Presse von Eanivet, Portalis, Dreyfus u. s. w. gesäubert Aber das war doch nur die „zweite Garnitur". Und Easimir-Perier mußte weichen — nicht am wenigsten, weil sich das ganze Gesindel zusammenthat gegen den Mann, der Ordnung machen wollte. Das jetzige Mini sterium geht nun auch endlich den Großen zu Leibe. Es holt die Schuldigen sogar aus der Redaktion des „Figaro" heraus Das ist unerhört. Das Publikum sieht staunend dieser Kühnheit zu und spendet Beifall Denn die jour nalistischen Missethäter waren deshalb am meisten verhaßt, weil es für sie niemals eine Nemesis zu geben schien. Und die Untersuchungsrichter gehen schonungslos vor. Jeder Tag bringt eine neue sensationelle Verhaftung. Das zeigt, was die Justiz in Frankreich vermag, wenn man sie frei walten läßt, und das beweist anderseits, daß man sie in all den Fällen, wo sie nichts vermocht hat, nicht hat frei walten laßen. — Aus London wird berichtet, daß die Verhandlung über Alton auf den 18. d. Mts. anberaumt sei. — Der Untersuchungsrichter verhörte heute wieder sämtliche Angeklagte in der Erpressungssache. Da Indiskretionen begangen wurden, hat der Richter allen Journalisten den Zutritt verboten Ein Kommissar und zwei Inspektoren haben auf dem Eredit Lyonnais Einsicht in die Vermögenspapiere Lebaudys genommen, um die Namen der Leute zu ermitteln, auf die Ehecks ausgestellt wurden. — Ein Gelbbuch über Madagaskar ist verteilt worden Nach einer Depesche des Generals Duchesne vom 6. Januar scheint die Ruhe in Madagaskar wieder überall hcrgestellt Tie Lage in Tananarivo ist befriedigend. — Die Behauptungen italienischer Blätter, daß die Abessynier in ihrem Feldzuge gegen die Italiener von französischer Seite heimlich unterstützt würden, daß französische Offiziere sich in der Armee des NeguS befänden, daß Franzosen den Abessyniern Waffen lieferten u. s. w., werden von maßgebender Seite als ganz unbegründet zurückgewicsen Wie die „Polit. Korr." mitteilt, habe die Regierung in dieser Angelegenheit stets die strengste Korrekt heit beobachtet, was auch von der italienischen Regierung anerkannt worden sei. Dem französischen Gouverneur in Lbock seien in dieser Richtung die strengsten Weisungen zugegangen, die von ihm mit größter Sorgsalt beobachtet würden — Die Engländer sind, so scheint es, eifrig bemüht, Frankreich auf ihre Seite zu bringen, und Rußland mit ihm. Die Franzosen besitzen, wie der Berichterstatter der „Kreuz - Ztg." unter dem 12. d. Mts mitteilte, allerdings ein Interesse daran, den Wert ihrer Freundschaft möglichst hoch erscheinen zu lassen. Nach diesem Vorbehalt sei die nachfolgende Stelle aus dem heutigen Leitartikel des „Temps" wiedergegeben, deren Inhalt für uns Deutsche, man braucht ei. kaum hervorzuheben, sehr interessant ist. Ein Londoner Telegramm also meldete bekanntlich, daß die „Westminster Gazette" von dem französisch-russisch-eng lischen Bündnis als von einer vollendeten Thatsache spreche Dazu bemerkt der „Temps", welcher seit dem Austauchen der vier großen Fragen: im äußersten Osten, in Armenien, in Venezuela und in Transvaal „neue internationale Gruppierungen" voraussieht und „da« Krachen alter Bündnisrahmen" vernehmen will: „Zweifellos sind uns ja seit Beginn der (Transvaal-) Krise bedeutsame Avancen gemacht worden Noch gestern boten zahlreiche, in den englischen Blättern abgedruckte Briefe — ohne von denen zu reden, die wir hier erhalten, — ein Schutz- und Trutzbündnis zwischen unseren beiden Ländern an Aber angenommen selbst, daß die Erinnerungen an ein „herzliches Einvernehmen" und an die Ergebnisse der „Waffenbrüderschaft" in der Krim die Franzosen zur Er neuerung eines Versuches ähnlicher Art geneigt machten, so kann man solche Angelegenheiten doch nicht von Zeitung zu Zeitung verhandeln Auch bleibt zu bemerken, daß die „Times" selbst, so verschwenderisch sie auch seit einiger Zeit mit Liebenswürdigkeiten gegen uns und mit harten Worten für Deutschland sind, doch gestern noch die Hoff nung aussprachen, England werde mit dem Dreibund bald zusammenwirken. Unter die Zahl der Böses stiftenden Er findungen muß man auch die Phantasie des römischen „Time«"-Berichterstatters zählen, wonach Italien seine Kolonie von Erytrea gegen bar angeboten und Frank reich dies Angebot angenommen habe. Danke schön für das Geschenk So mancher dürfte finden, daß es, selbst geschenkt, noch zu teuer wäre." Spanien. Madrid, >4. Januar. Nach amtlichen Berichten aus Havanna haben einige kleine Zusammenstöße stattgefunden; Maceo, welcher in der Vuelta Abajo ist, wird von fünf Kolonnen verfolgt. Der „Jmparcial" bringt die tele-, graphische Meldung von einem Gefecht des Bataillons „Tarragona" gegen zweitausend Rebellen in der Provinz Puerto Principe; der Feind wurde geschlagen und hatte einen Verlust von 12 Toten und 60 Verwundeten. Oberst lieutenant Mira ist verwundet Einer Meldung des „Heraldo" aus Havanna zufolge habe ferner Gomez mehrere Dörfer in der Umgegend von Havanna in Brand gesteckt und einen Ort angegriffen, sei aber zurückgeschlagen worden. Italien. Rom, 14. Januar. Hier geht das Gerücht von einer neuen Niederlage der Abessynier. Major Galliano soll durch das Einstellen des Feuers die Be lagerer, die glaubten, er sei ohne Munition, zum Massen sturm verlockt haben; hierbei habe Oberst Albertone, von Norden anrückend, die Abessynier überfallen Diese seien so zwischen zwei Feuer gekommen und hätten große Ver luste erlitten Ferner wird behauptet, England habe den Durchzug durch Zeila jetzt gestattet, doch herrsche die Meinung vor, die Expedition nach Harrar werde nur er folgen, wenn General Baratieri Mißerfolg habe, da sie andernfalls überflüssig sei. — Nach einer Meldung der „Agenzia Stefani" unter zeichnete der König heute ein Dekret, durch welches Major Galliano, der Verteidiger von Makalle, wegen seiner kriegerischen Verdienste zum Oberstlieutenant befördert wird. — Eonte Macola telegraphiert aus Adigrat von vorgestern an die „Gazetta di Venezia": Ras Makonnen er neuert seine Friedensverhandlungen. Auch König Menelik wäre nicht abgeneigt, Frieden zu schließen, allein die Königin Taitu will im Einverständnisse mit den tigrinifchen Anführern den erbitterten Krieg gegen die Italiener. — Wie verlautet, habe die Regierung beschlossen, inerhalb des laufenden Monats die italienischen Streit kräfte in Afrika auf 50000 Mann zu erhöhen, um ganz Abessynien zu besetzen und die italienische Herrschaft definitiv zu begründen (?). — Ein Mitglied der Regierung versicherte heute dem Korrespondenten der „Köln. Ztg ", daß der Beschluß be treffend die Hinausschiebung des Zusammentritts der Kammer nur mit Rücksicht aus den afrikanischen Feldzug erlassen sei und an den Schluß der Tagung gegenwärtig niemand mehr denke Sobald die Ent scheidung m Afrika erfolgt sei, werde die Kammer zu sammengerufen. Bezüglich Maka Iles sagte derselbe Minister, das Fort habe seinen Zweck erfüllt, wenn es Len Feind aufhalte, bis alle Verstärkungen um Baratieri versammelt seien — Die französische Regierung ist an den heiligen Stuhl mit dem Verlangen herangetreten, daß bei der nächsten Gelegenheit ein neuer französischer Kardinal der Kurie, das ist bekanntlich ein solcher, der seinen Sitz in Rom hat, ernannt werden möge. Es ist bisher nicht bekannt, wie diese Forderung im Vatikan ausgenommen worden ist. Man geht vielleicht mit der Annahme nicht fehl, daß auf die Entscheidung der Angelegenheit die Gestaltung der seit einiger Zeit nicht ungetrübten Be ziehungen zwischen dem Vatikan und der fran zösischen Negierung von Einfluß sein werde Wie der Korrespondent der „Franks Ztg" in letzterer Be ziehung erfährt, habe der Papst infolge der Proteste der französischen Katholiken gegen die passive Politik Ram pollaS beschlossen, einen Brief an den Präsidenten Faure zu schreiben, um eine Änderung der kirchenseindlichen Haltung Frankreichs zu veranlassen. — In Teglia bei Genua demonstrierten tausend Arbeiterinnen vor dem Rathaus wegen Schließung der Fabriken. Man befürchtet ernste Ausschreitungen; die Regierung sandte Polizei und Karabinier» dorthin Die Schließung erfolgte wegen Erhöhung der Einkommen steuer. Gr»tzdrit«a«tev. London, 14. Januar. Das fliegende Ge schwader ist heute in Dienst gestellt worden. Der Kom mandeur desselben, Kontreadmiral Dale hißte in Ports mouth auf dem Nelsonschiffe „Victory" zeitweilen die Flagge, später auf dem „Inflexible". DaS Geschwader soll sich am Freitag in Spithead versammeln. Dem „Daily Chronicle" zufolge macht es wahrscheinlich eine Weltreise — „Westminster Gazette" bestätigt den Äbschluß eines Abkommens zwischen Großbritannien und Frankreich sür die endgiltige Beilegung aller englisch französischen Grenzfragen in Siam, die im oberen Mekongthale inbegriffen. Die Einzelheiten des Abkommen« seien noch nicht bekannt. — Besorgnis erregte gestern in der Eity die Meldung von Massenverhaftungen in Johannesburg. Unter den Verhafteten befinden sich Vertreter fast aller großen Goldminengesellschaften am Rand, darunter die deutschen Unterthancn Langermann, Adler, Mosenthal, Sauer und Frecker, sowie auch mehrere Amerikaner und Franzosen. Die Zahl der Verhafteten übersteigt angeblich 300. Es verlautet, die Burenregierung sei entschlossen, die Führer der aufständischen Bewegung streng zu bestrafen. — Der Staatssekretär für die Kolonien Chamber lain sandte an Sir Hercules Robinson ein Telegramm, in welchen» er den Befürchtungen Ausdruck giebt, die zahlreichen Verhaftungen in Johannesburg würden der Industrie im Randgebiete schwere Störungen bereiten Chamberlain erkundigte sich sodann darnach, wessen die Gefangenen angeklagt seien, welche Strafen sie zu er warten hätten und ob es ihnen gestattet wäre, Bürgschaft zu stellen. Dieser Schritt Chamberlains dürfte auf Er suchen der amerikanischen und belgischen Regierung er folgt sein. — Aus New Pork läßt sich „Daily Chron " melden, daß ein gegen englische Interessen gerichtetes Überein kommen zwischen Deutschland, Frankreich und Rußland im September v. I., als Major v. Moltke dem Zaren ein Handschreiben des Kaisers über diesen Gegen stand überbrachte, getroffen worden sei. Fürst Lobanow habe als Zwischenträger in den Unterhandlungen sür eine Annäherung zwischen Frankreich und Deutschland gewirkt, die später durch einen Minister des Zaren bewerkstelligt worden sei. Als Ergebnis dieses angeblichen Übereinkommens würde, wenn ein britisches Geschwader in den venezuelischen Gewässern erschienen wäre, das französische nordatlantische Geschwader prompt gefolgt sein — Die Erholungsreise des Botschafters Grafen Hatzfeldt nach Brighton wird Hierals Beweis dafür auf gefaßt, daß in der Transvaalfrage eine beruhigte Auffassung platzgegriffcn hat. Nach einer Meldung würden bei Chamberlain starte Einslüsse geltend gemacht, um die Untersuchung über die Chartered Company nicht auf die Vorgeschichte ihrer Gründung auszudehnen, sondern auf die Aburteilung Jamesons zu beschränken, weil eine Anzahl von Abgeordneten bei der Gründung der Company interessiert worden sei. Labouchöre will die Angelegen heit gleich nach dem Zusammentritte des Parlaments zur Sprache bringen. R u s;l a n d«! St. Petersburg, 14. Januar. Von informierter Seite wird die Meldung englischer Blätter dementiert, daß zwischen Rußland, Deutschland und Frank reich ein antibritisches Übereinkommen bezüglich der Venczuelafrage bestehe und, falls ein englisches Ge schwader in den venezolanischen Gewässern erschiene, solchem sogleich ein französisch-russisches folgen werde. — Der hiesige, bekanntlich wohlunterrichtete Bericht erstatter der „Poiit. Corr." schreibt: In den Kundgebungen der öffentlichen Meinung in Rußland über die Trans vaal-Angelegenheit und die zwischen Deutschland und England entstandenen Differenzen trat eine sehr merkliche Reserve zu Tage. Nichtsdestoweniger zeigte es sich aber der Leser rechnen, wenn wir nachstehendes aus der von Ed. Hanslick in der „N. Fr. Pr." veröffentlichten Besprech ung der Oper mitteilen. Wir bemerken dazu, daß unsere eigene, nach den Klavierauszug des Werkes «Berlin, Bote und Bock) gebildete Meinung bei etwas günstigerer Äuffassung von Einzelheiten sich im ganzen mit dem Urteil des her vorragenden Wiener Muükkenners deckt und daß wir den „Evangelimann" ungeachtet der wenig originellen Musik erfindung sür eine äußerst geschickte und zweifellos wirk same Produktion hallen, die in heutiger Zeit jeder Lpern- bühne willkommen sein müßte Ed. Hanslick giebt zunächt den Inhalt des Librettos an: Auf der geistlichen Stiftsherrschaft St. Othmar leben zwei Brüder, Johannes und Mathias, der eine als Schul lehrer, der andere als Amtsc-ktuar angestellt. Beide lieben dasselbe Mädchen, die Nichte des gestrengen Justiziärs. Martha erwidert die Liebe des sanften, bescheidenen Mathias und stößt den Johannes mit seinen frechen Anträgen zurück. Von diesem aufgehetzt, jagt der Justiziär den Mathias so fort vom Amte. Bevor er den Ort verläßt, nimmt Mathias Abschied von der Geliebten Johannes belauscht die Liebesschwüre der beiden und rächt sich an ihnen, in dem er Feuer an die Scheune legt Der Verdacht muß auf Mathias fallen Trotz seiner Beteuerungen wird der Unschuldige zu zwanzig Jahren Kerkers verurteilt Der zweite Akt spielt dreißig Jahre später Martha hat sich inzwischen au« Verzweiflung getötet. Mathias zieht nach überstandener Kerkerhaft als Evangelimann mit der Bibel von Haus zu Haus. In einem dieser Häuser liegt sein Bruder Johannes zu Tode krank und von GewissenSqual gefoltert Er hört die tröstende Stimme des Evangcli- mannes, läßt diesen zu sich heraufkommen und beichtet ihm sein Verbrechen Mathias erkennt den Bruder, der ihn zu Grunde gerichtet, aber er verzeiht dem reuevoll Sterbenden und segnet ihn . . . HanSlick fährt dann fort: Ter Komponist, welcher nach neuester Sitte vor der Bezeichnung Oper ausweicht wie vor glühendem Eisen, obwohl sie weit genug ist, das Höchste wie das Alltäglichste, Ernst wie Scherz und jede« Mischungsverhältnis zwischen Ton und Wort in sich zu fassen, nennt seinen „Evan gelimann" ein musikalisches Schauspiel ES ist ganz eigentlich ein bürgerliches Rührstück von jener Gattung, welche, zeitweilig zurückgedrängt, »doch immer wieder auf- taucht, ja unsterblich bleibt, weil Hhre Wirkurg, namentlich auf deutsche» Publikum, die allersicherste ist. Der Jffland- Schröder-Kotzebuesche Zauber steht nur iD den Litteratur- geschichtcn als überwunden; modernisiert, von geschickter Hand gestaltet, übt er noch immer die alte Wirkung. Die feindlichen, schließlich versöhnten Brüder Rantzau, der aus dem Kerker heimkehrende Fabricius — uin nur neuere Beispiele anzuführen — rühren das Publikum jedesmal zu Thränen; mit ihnen hat der „Evangelimann" einige dramatische Motive gemein und auch die Wirkling Die Tragik des Stoffes, welche schon mit der Verjagung Mathias' durch den Justiziär anhebt, um sich bis zu dem schmerzlich ergreifenden AuSgange zu steigern, hat Kienzl sehr geschickt durch Einfügung heiterer und gemütlicher Episoden gemildert: die Kegclpartie und der Tanz im ersten Akte, das Soldatenspiel der Kinder und die lokalen Figuren des Leiermannes, der Ausruferin und dergleichen im zweiten. Kienzl gebührt das Lob, daß er die heiteren und die tragischen Scenen in ein wohl abgewogenes Ver hältnis gebracht, überhaupt seinen glücklich ausgefundenen Stoff mit überlegener litterarischer Bildung und Bühnen kenntnis für das Theater geformt hat. Bildung und Bühnenkenntnis scheinen mir auch die vorzugsweise be wegenden Kräfte seines musikalischen Schaffens zu sein Sie arbeiten stärker in ihm und für ihn, als das specisisch musikalische Talent. Fülle und Neuheit der Erfindung wird man seiner Partitur nicht nachrühmen; ich wüßte kaum eine einzige Melodie daraus als originell hervorzu heben Kienzl ist kein Entlehner, aber ein sehr sensibler Änempsinder; er spricht unwillkürlich mit fremden Stimmen, insbesondere der Wagner». Kienzl war (falls ich die halbvergangene Zeit brauchen darf) ein ganz unbedingter Wagner-Enthusiast; davon liefern seine kritischen Aufsätze, wie auch seine früheren Opern vollgiltige Proben Von Bayreuth, von jedem Takt und jedem Vers der „Nibelungen" berichtete er im Ton eines Verzückten Er erzählt aber auch, wie es ihm übel bekommen, als er Wagner gegenüber eines Tages seine Sympathie für Schumann nicht ableugnen mochte. Wagner litt durchaus nicht, daß man andere Götter habe neben ihm. In heftigsten Worten entlud er gegen den „abtrünnigen" Kienzl seinen Zorn, der einer Verbannung gleichkam. Kienzl hat sich dem Donnergotte nie wieder genähert. Sollte etwa diese betrübende Erfahrung auch nur ein klein wenig dazu beigetragen haben, Kienzl von dem extremsten Wagnerkultu» abzulenken, so kann er sie ruhig verschmerzen Mit weiteren Wagnernachbildungen, wie „Urwasi", hätte er niemals den Erfolg errungen, dessen sich jetzt sein „Evangelimann" erfreut. Tie wertvollen Errungenschaften Wagners wird kein moderner Opernkomponist ignorieren, noch gewißen Wagnerschen Wendungen und Effekten sich völlig verschließen können, die seit fünfzig Jahren in der Luft liegen. Aber mit der Absicht sich hin setzen, eine Oper im Nibelungenstil zu schreiben, ist das allerbedenklichste Unternehmen, und gerade in den „Nibelungen" erblickt Kienzl „erst den eigentlichen Wagner." Auf diesen weiter zu bauen ist lebensgefährlich, wenn auch nicht so außerordentlich schwer, wie manche glauben Es gehört dazu eine glänzende Technik, großes Nachahmungstalent und recht wenig eigene Ideen. Wir sehen dies an den neuesten Musikdramen Wer sind ihre Verfasser? Männer von Geist und Bildung, virtuose Dirigenten, JnstrumentierungSkünstler, contrapunktisch ge wandt und — melodisch impotent. Ihr Beispiel und „das Verderben der Unzähligen, die ihren Tod im gleichen Wagstück fanden", scheinen Kienzl rechtzeitig ab- gsschreckt zu haben. Er ist von seinein wackelnden Urwasi-Thron ins Torf herabgestiegen zu österreichischen Bauern, Schullehrern und Amtsschreibern, über welchen als allmächtiger Wotan im braunen Kaputrock — der Justiziär waltet. Dem realistischen Zug unserer Zeit folgt Kienzl als Text dichter und macht auch als Musiker dem Publikum freund liche Konzessionen. Chöre, Strophenlieder, Marsch- und Tanzstücke suchen sich un» durch leutselige Melodien einzu- schmeichcln So gut ihnen das gelingt, es läßt sich nicht leugnen, daß gerade die melodiösen Musikstücke im „Evan gelimann" die schwache Seite von Kienzls Begabung ver raten. Magdalenas Lied von der Jugendzeit, das überall den meisten Applaus einheimst, ist ein sentimentaler Bänkel- sang, dem man zu viel Ehre anthut, wenn man ihn der berühmten Trompeterklage „Es wär' zu schön gewesen" an die Seite stellt. Die Lieder der Kegclschicber und der spielenden Kinder sind uns willkommen als erfrischende Episoden, aber originell können wir sic nicht nennen Auch bei anderen Themen, die melodiöser an die Ober fläche dringen, fragt man sich unwillkürlich: woher klingt mir das doch bekannt? Neben und zwischen den lied- mäßigen Stücken herrscht überall die Wagnersche Methode. Der Gesang beivegt sich, zwischen Cantilene und Rezitativ schwebend, über einem selbständig fortlaufenden» meist kunstvoll polyphonen Lrchestersah, worin irgend ein kurze« Motiv durch alle Tonarten, Oktavengattungen, Umkehr ungen seinen „unendlichen" Leiden«weg zurücklegt In diesem Musikstil bewährt Kienzl eine sehr erfahrene ge schickte Hand. Ein Übelstand, der dabei empfindlich auf fällt, ist der Diangel an rhythmisher Abwechselung. Im ersten Akt zeugen das lang ausgesponnene Melodram zu MarthaS stummer Scene und das Orchestervorspiel des LiebeSduetlS (ein förmliches „Intermezzo") von Kienzls starkem Talent für Stimmungsmalerei. Ein ebenso ge lungenes Gegenstück zu diesen lyrischen Scenen ist die grelle Instrumental-Schilderung der Feuersbrunst; man sieht da förmlich die Funken fliegen und Balken zusammcn- stürzen. An dem Liebesduett selbst fesselt uns mehr die Empfindung als die Erfindung. Den erfrischenden Ein druck der Volksscenen habe ich bereits erwähnt; nur sind die Späße mit dem Schneider gar P» verbraucht und übermäßig auSgesponnen Im zweiten Akte üben wieder die Kinderspiele und die sich anschließende Scene mit dem Evangelimann ihre starke, rührende Wirkung auf das Publikum. Daß hier die bewegende Kraft weit mehr von der Situation ausgeht, als von der ziemlich nebensächlichen Musik, ist keine Frage. Da aber der Komponist zugleich sein Textdichter ist, so gehört die ganze Wirkung ihm allein, und er braucht Lob und Erfolg mit keinem zweiten zu teilen. Für die Erzählung de» Evangelimann» scheint dem Kom ponisten teilweise die Schilderung Tannhäusers von seiner Pilgerfahrt vorgeschwebt zu haben Aber die schauerlichen Klänge der gestopften Hörner und Trompeten, die kurz abgerissenen Kontrabaßfiguren thun e» allein nicht; was hat Wagner da für prächtige Motive! Für die Seelen qualen de» Johannes findet der Komponist neben er greifenden Accenten auch viel herkömmliche Thcaterphrasen. Trotz der ermüdenden Breite dieser Scenen blieb aber die starke Wirkung auf die Zuhörer nicht aus. . . — Die „vorläufige Mitteilung", die Professor M Reontgen in den Sitzungsberichten der Würzburger Physikalisch-medizinischen Gesellschaft über seine epoche machende Entdeckung veröffentlicht hat, ist nunmehr unter dem Titel „Eine neue Art von Strahlen" als Sonderabdruck im Verlag der Stahelschcn Buchhandlung in Würzburg erschienen. Die kleine Broschüre umfaßt nur zehn Druckseiten, stellt aber in ungemein klarer und überzeugender, wie wissenschaftlich exakter Form da« Wesen der Entdeckung dar. Wir begnügen un« für den Augenblick damit, den Schlußpassus der Roentgenschen Ab handlung zu citieren; er lautet: „Eine Art von Verwandt schaft zwischen den neuen Strahlen und den Lichtstrahlen scheint zu bestehen, wenigsten« deutet die Schattenbildung,
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)