Volltext Seite (XML)
DIE MOLDAU (VLTAVA) Zwei Quellen entspringen im Schatten des Böhmer- waldes; die eine warm und sprudelnd, die andere kühl und ruhig. Die lustig in dem Gestein dahin rauschenden Wellen derselben vereinigen sich und erglänzen in den Strahlen der Morgensonne. Der schnell dahineilende Waldbach wird zum Flusse VLTAVA, der, immer weiter durch Böhmens Gaue dahinfließend, zu einem gewaltigen Strome an wächst; er fließt durch dichte Waldungen, in denen das fröhliche Treiben einer Jagd immer näher hörbar wird und das Waldhorn erschallt, er fließt durch wiesenreiche Trifte und Niederungen, wo unter lustigen Klängen ein Hochzeitsfest mit Ge sang und Tanz gefeiert wird. In der Nacht be lustigen sich die Wald- und Wassernymphen beim Mondschein auf den glänzenden Wellen desselben, in denen sich die vielen Burgfesten und Schlösser als Zeugen vergangener Herrlichkeit des Ritter tums und des geschwundenen Kriegsruhmes früherer Zeiten wiederspiegeln. In den Johannisstromschnellen braust der Strom, durch die Katarakte sich durchwindend, und bahnt sich gewaltsam r&it schäumenden Wellen den Weg durch die Felsenspalte in das breite Flußbett, in dem er mit majestätischer Ruhe gegen Prag weiter dahinfließt, bewillkommt vom altehrwürdigen VySehrad, worauf er in weiter Ferne vor den Augen des Dichters verschwindet.