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Für Paris schrieb Joseph Haydn in den achtziger Jahren eine Reihe von Sinfonien, die ihm Weltruhm cintrugen. Zu ihnen gehört auch die in G-Dur, die als Nummer 88 oder auch, in der Reihenfolge der Breitkopf und Härtelschen Ausgabe, als Nummer 13 bezeichnet wird. Etwas von der geistreichen Konversation, wie sie in den Pariser Salons damals gepflegt wurde, steckt in diesem Werk, namentlich in den Ecksätzen, während sich in den Mittel sätzen der Komponist seiner Heimat zu erinnern scheint. Nach der bei Haydn gewohnten langsamen Einleitung, die hier, dem Gesamtcharakter der Sinfonie entsprechend, nichts von Schwere an sich hat, setzen die beiden Violinen mit dem Hauptthema ein. Es ist ein munteres Geplauder, das bald von den Holzbläsern übernommen wird. Ein eigentliches zweites Thema fehlt. Im Grunde ist die Exposition schon eine Durchführung des ersten, des Hauptthemas. Und dennoch findet Haydn in der Durchführung selbst unzählige Varianten, schon dadurch, daß er sich nun in ganz abgelegene Tonarten begrbt (wie fein die Modulation nach Es-Dur mit der Schlußfigur der Exposition!). Wie geistvoll wird die Reprise aufgenommen, indem zum Thema in den Geigen die Flöte einen halb lustigen, halb zärtlichen Kontrapunkt hin tupft. Ähnlich beschwingt, leicht, locker und geistvoll geht es im letzten Satz zu, in dem das Rondo-Hauptthema von einer Fülle überraschender Einfälle abgelöst wird. Besonders frap pant in der dritten Wiederkehr der Kanon zwischen Violinen und Bässen, der sich über 20 Takte erstreckt. Das sich anschließende letzte Zwischenthema ist besonders originell: Das Prinzip der für Haydn charakteristischen „durchbrochenen Arbeit“ ist dabei auf die Spitze getrieben, die Instrumente reden nur in „Bruchstücken“. Daraus erwächst zwanglos die letzte Themen-Wiederholung, die mit einer Generalpause abgeschlossen wird. Es ist ein Tanz des Volkes, ganz wie in Beethovens Pastoral-Sinfonie. Nicht nur das ist es, was die beiden Sinfonien verbindet. Sie gleichen sich in der ganzen Haltung. Beethovens Sechste gehört zu den unpathetischen, zu den Schöpfungen des Meisters, die keinen tragi schen Unterton haben. Nicht die heroische, die idyllische Natur ist es, die er da besingt. Heißt doch auch schon gleich der erste Satz: „Erwachen heiterer Empfindungen bei der An kunft auf dem Lande“. Wie bei Haydn fehlt der dramatische Gegensatz der Themen, die Gedanken sind nach „impressionistischer“ Manier lose aneinandergereiht. Sie „schildern“ zwar nicht Eindrücke aus der Natur, sondern drücken die Gefühle eines Menschen aus, der der Stadt entronnen ist und in der Natur sich und seine Seele wiederfindet. Es ist ein Pfingst- spaziergang in Tönen. Im zweiten Satz erleben wir eine „Szene am Bach“. Dem gegenständ lichen Titel entsprechend treten nun an die Stelle von Empfindungen Wahrnehmungen, die ins Musikalische übersetzt werden. Beethoven wird zum Programmusiker. In den Begleit stimmen hören wir den Bach murmeln. Noch deutlicher ist das Terzett der Vögel am Schluß der Szene: Nachtigall (Flöte), Wachtel (Oboe) und Kuckuck (Klarinette) werden porträ tiert. Im nächsten Satz beschreibt Beethoven das „Lustige Zusammensein der Landleute“. Es ist das Scherzo der Sinfonie. Auf dem Höhepunkt der Freude und Ausgelassenheit ein erschrecktes Innehalten. Ein Zwischensatz kündet: „Gewitter, Sturm“. Tremolo der Bässe: Ir der Ferne grollt der Donner. Ängstliches Durcheinander. Da bricht auch schon das Wetter los. Der Donner rollt, die Blitze zucken, der Regen rauscht. Einmal scheint sich das Gewitter verzogen zu haben, aber mit verstärkter Kraft holt es zu neuen Schlägen aus. Dann erst beruhigt sich das Wetter. Mensch und Tier atmen befreit und erquickt zugleich auf. Ein Dankgebet steigt zum Himmel empor (choralartiges Motiv). Dann leitet ein Flötensolo ohne Pause zum Schlußsatz über: „Hirtengesang. Frohe, dankbare Gefühle nach dem Sturm“. Musik, die Anregungen aus Naturstimmen aufgenommen hat, ist auch Ottorino Re- spighis Suite für kleines Orchester „Die Vögel”. Der große italienische Impressionist, der in den „Pinien“ sogar eine Schallplatte mit Nachtigallenlaut verlangt, hat hier fünf Stücke für Cembalo aus der Zeit des Barocks und des Rokokos instrumentiert, mit all dem Raffinement, über das seine Palette verfügte. Am bekanntesten davon ist das dritte, „Die Henne“ Ra- meaus, deren Original übrigens auf der Schallplatte zugänglich ist. Der Vergleich mit der Orchesterfassung ist ungemein aufschlußreich. Ein kräftig aufrauschendes „Präludium“ mit einem zierlichen Mittelsatz macht den Anfang, dann wird die sanfte Melancholie der „Taube“ beschworen, und nachdem die „Henne“ kräftig gegackert hat, lassen noch die „Nachtigall“ und der „Kuckuck“ ihre Stimmen ertönen. Dann wird in einem Anhang sinnvoll das Thema des Präludiums als Postludium wiederholt. Beachtenswert an diesen Stücken ist neben der Instrumentierungskunst des modernen Meisters die Kunst der Alten, den Naturalismus jener Naturlaute in eine gediegene musikalische Form zu bringen. Dr. Karl Laux