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458 sich die „Correspondence universelle", welche den Reactionairen, die zur gewalt samen Unterdrückung des Geistes auffordern, der sich bei den Wahlen immer fort von Neuem als der herrschende zeigt, die Frage stellt: Seid Ihr sicher, daß die Armee Euch gehorchen wird; daß dieselbe dem reaclionairen General, den Ihr derselben zum Führer geben wollt, folgen wird, wenn Ihr Eure anti- populairen Beschlüsse mit Gewalt durchführen wollt und die Truppen sehen, daß die gegenwärtig beliebten Generale um Entlassung bitten? Wollt Ihr die ganz neue und junge DiSciplin derselben auf die Probe stelle», wenn Ihr derselben Befehl gebt, gegen ihre Brüder zu marschiren? Wie aber wollt Ihr ohne Ge walt verhindern, daß die partiellen wie die allgemeinen Wahlen sich mehr und mehr im radikalen Sinne aussprechen, so lange das allgemeine Stimmrecht Such feindselig gegenübersteht? Ihr werdet gezwungen werden, das Stimmrecht nicht allein zu regeln, zu modificiren, zu beschränken, sondern dasselbe ganz und gar zu unterdrücken oder wenigstens den vormaligen CenjüS wieder einzuführen. Wenn Ihr aber das thut, so bricht der Bürgerkrieg auö und Ihr werdet den Kürzeren ziehen, zugleich aber jede regelmäßige Regierung unmöglich machen. Eure Kampfpolitik ist folglich weiter nichts als der Sieg, an voraus bestimm tem Tage, des Radikalismus, wenn nicht sogar der Steg der Demagogie. — Und doch scheint die Rechte zu dieser Kampfpolitik noch immer entschlossen und nur noch über Tag und Stunde zweifelhaft zu sein, wo sie dieselbe ins Werk setzen wird. Ein eingesetzter Ausschuß von 6 Mitgliedern unter dem Vorsitze CyangarnicrS soll über letzteres einen für dir ganze Partei bindenden Beschluß fassen. Ein Gerücht will außerdem wissen, die Rechte denke daran, ThierS durch ein aus Daru, Buffet und Mae Mahon bestehendes Triumvirat zu ersetzen. Paris, 16. Mai. Gestern hat eine Zusammenkunft von Conservativen, keiner parlamentarischen Fraktion angehörigen, Abgeordneten stattgesunden, bet der hauptsächlich solche Deputirte, deren Hauptaugenmerk auf die „gesellschaftliche Erhaltung" gerichtet ist, zugegen waren. Die Versammlung erließ eine Einladung an alle Kammermitglieder der gleichen politischen Richtung, ihre Rückkehr nach Paris zu beschleunigen und am Montage an einer Konferenz Theil zu nehmen, in welcher die von ihnen den erwarteten Vorschlägen der Regierung gegenüber einzunehmcnde Haltung erörtert werden soll. Italien. Daß die Tage deS neunten PiuS gezählt sind, erweist sich auch aus dem Umstande, daß selbst die Organe deS UltramonlaniSmuS die Wahl deS neuen Papstes besprechen. Das „Vaterland" gibt heute zu, daß PiuS lX. „ange sichts der außerordentlichen Zeitlage auch außerordentliche Verfügungen" für die Wahl seines Nachfolgers getroffen habe. DaS sei noihwendig gewesen, weil Preußen die Ernennung eines deutschen Papstes betreibe. Die „deutsch; Ge lehrsamkeit" aber macht, wie das „Vaterland" nicht ganz unrichtig bemerkt, unfähig zu: Statthalterschaft Christi. Angesichts der zu erwartenden Unregel mäßigkeiten bei der Papst wähl würden Deutschland, Oesterreich und Italien auf Befolgung deS kanonischen Rechtes bestehen — welcher Respekt vor dem Rechte tem Organe der „Rechtspartei" Ausrufe der Entrüstung entlockt. UebrigenS versichert daS „Vaterland" zum Schluß, daß eS auch durch „die schlauesten Pläne der liberalen StaatSkünstler" nicht erschreckt werde; eine Phrase, die nicht von Vertrauen in die Sache der Jesuiten zeugt. England. London, 12. Mai. In Birmingham hat eine Versammlung von Ver tretern republikanischer Vereine stattgefunden, welche weniger um ihrer selbst willen, als wegen eines recht offenen und von den Kämpen der Republik wohl zu beherzigenden Briefes deö berühmten „Volksiribunen" John Bright Erwäh nung verdient. Die Leute hatten John Bright eingeladen, weil sie ihm wahr scheinlich große Sympathien mit der Republik unterschoben. Statt einer Zu stimmung mußten sie folgendes Schreiben über sich ergehen lassen: „Ich danke Ihnen für die Einladung zu der vorgeschlagenen Conferenz, obgleich ich nicht zugegen sein kann. Sie verlangen ein Wort der Ermuthigung, daS ich kaum geben kann. Der Besitz der besten Form einer staatlichen Verwaltung ist deS Erstrebens werch, aber cö mag auch eine weise Politik sein, zu versuchen, die StaatSregierung, welche wir haben, zu vervollkommnen, und nicht große Umwäl zungen zu erhoffen, die nothwendig ungeheure Gefahren in sich schließen. ES ist leichter, den Sturz einer Monarchie herbeizusühcen, als dem, waS an deren Stelle kommen soll, ein gesundes WachSthum zu geben, und ich befürchte, daß der Preis, den wir für eine Umwälzung zu zahlen haben würden, größer sein dürfte, als diese Werth ist. Unsere Vorfahren hatten nach dem durch die Dummheit und Verbrechen eines Monarchen herbeigeführten UmSurz der Monarchie fast ein ganzes Jahrhundert keine geordnete und feste Regierung. Frankreich hat nunmehr beinahe hundert Jahre viel Unglück und Schmach erdulde» müsse», weil eS die alte RegterungSform umstieß und nicht im Stande war, eine sichere neue zu finden, welche die Erbschast hätte übernehmen können. Spanien befindet sich gegenwärtig in derselben schwierigen Lage, und wir verfolgen daS Experiment mit Theilnahme und Besorgniß. In den letzten vierzig Jahren haben wir irr diesem Lande eine Reih; von Verbesserungen in unseren Gesetzen und in unserer Staatsverwaltung durchgemacht, die mit denen in andern Ländern jeden Vergleich aushalten, wenn sie dieselben nicht übertreffen. DaS gibt uns Hoffnung und Vertrauen, daß wir unierr Staatsverwaltung so gut machen können, daß die Verständigen im Volke sie unterstütze», achten und lieben müssen, und alles dies, ohne die Stürme auf uns herabzubeschwören, welche meiner Ansicht nach von dem Umsturz einer alten Monarchie unzertrennbar sind. Ich habe keine Sym pathie für Ihre Bestrebungen. Ich ziehe eS vor, Gutes zu wirken auf dem Wege politischer Reform durch eine Methode, die ich für weiser und weniger unsicher, wenn auch nicht so großartig erachte, und die Erfahrungen der Bergan- genheit dürfen uns mit Hoffnung und Vertrauen für die Zukunft erfüllen. Ihr -c. John Bright. Rußland. Aus Petersburg geht der Wiener „D. Ztg." die Nachricht zu, «S bestätige sich das Gerücht, daß der Khan von Khiwa Unterhandlungen angeboten habe und geneigt fei, Genugthuüna zu leisten. Er soll jetzt bereit sei», einen Handelsvertrag m t Rußland abzuschließen. Petersburg, 15. Mai. Nach einem aus Odessa eingeaangenen Tele gramm machte sich an der dortigen Fondsbörse heute Geldmangel besonders fühlbar; l» Folge dessen fand ein nicht unerhebliches Fallen der Werthpapiere statt. Der DiScont stelgt, Wechsel warm nur schwer zu 9 Procent zu begeben. Der Schah von Persien, der spätestens dm 22. Mai in Petersburg ein- treffen soll, wird seine Wohnung in der untere» Etage deS WinterPalaiS neh men, da di« persische Etiquette lyin »erbietet, in dm höheren Etagen eine« Ge bäudes zu wohnm. Nur 16 Personen seiner Suite find berechtigt, unter eine« Dache mit ihre« Monarchen zu weilen, und muß deshalb dat übrige Gefolge demnität,'die der Staqt durch seine Intervention der Börse gewährt hat und dle Aussicht auf weitere „Staasö Hilfe" bei neuen Krisen geeignet sind, die letzte sittliche Schranke bei diesen Börsenjägern und Glücksrittern zu zerstören. Sehr lassend bemerkt die „Deutsche Zeitung": „Wir wünschen, daß wir die Farben zu düster aufgetragen hätten und daß uns die ausbleibenden traurigen Folgen der hereingebrochenen Dörsen-Katastrophe eines Bessern belehren mögen. An scr Zeit hielten wir eS aber, gerade jetzt, wo die Empfänglichkeit für eine Abmahnung vielleicht mehr als je vorhanden ist, wo uns die Thatsachen mit solcher Wucht secandirm, darauf hinzuweisen, daß cS von dem Kaufman» geradezu leichtsinnig ist, für die Erreichung nebulöser Gewinne seine Existenz, die Existenz seiner Familie und seinen ehrlichen Namen einzusetzen, während ihn die Vernunft zur stetigen, redlichen Arbeit ruft." Deutschland. Berlin, 14.Mai. Die Prov.-Corr. spricht heute „nach dem parlamen tarischen Kampfe" sehr friedlich und versöhnend über die kirchenpolittschen Kämpfe. Sie sagt u. A.: Mit voller Zuversicht darf die Regierung vertrauen, daß, wenn erst die unmittelbaren KampsSbestimtnungen vorüber find, alle ernsten und besonnenen Geister mehr und mehr erkennen werden, wie eS sich bei den neuen Gesetzen in keiner Weise um eine Entchristlichung des Staates, um eine An- tustung deS GlaubcnSlebenS deS Volkes handelt, daß daS kirchliche Leben durch dieselben nicht berührt und beeinträchtigt wcrse, daß auch die katholische Kirche sich innerhalb dieser Gesetze in Bezug auf ihre eigentliche Aufgabe, die Lehre der HeilSwahrheit und die Verwaltung der HeilSmirtel, völlig frei bewegen könne. Berlin, den 15. Mai. Die vom Handelsministerium im Juni v. I. an geregte Frage bezüglich der Herabsetzung der Eisenbahn-Fahrpreise ist nunmehr in ein anderes Stadium getreten, und zwar aus dem deö Aufschiebens in das deö Aufgebenö. ES soll sich nämlich, wie dem „Fr. I." von hier mitgetheilt wird, aus den JahrcSreehnungen der einzelnen mehr oder minder frequenttrten Bahnen ergeben haben, daß bei den täglich im Steigen begriffenen Kosten für das Ma terial, der Erhöhung der Gehalte des Zugpersonals rc. an eine Herabsetzung der Personen Fahrpreise nicht mehr gedacht werden könne», vielmehr der Zeitpunkt nicht mehr allzu fern liegen dürfe, wo man der Frage w gen einer — wenn auch un bedeutenden — Erhöhung dieser Preise näher treten müsse. Dagegen soll die da mals mit der bereglen Angelegenheit verbundene Frage wegen Einführung des Einklassensystemö für durchgehende Schnellzüge, der gleichmäßigen Erhöhung der SchnellzugS-Fahrpreise rc. demnächst in gesonderter Weise weiter behandelt werden. Berlin. Einen interessanten Belag zu dem ungeheuren postalischen Verkehr der Hauptstadt Berlin liefert die jüngst herausgegcbene officielle Statistik der deutschen Reichs-Postverwaltung. Es beträgt danach die Zahl der im Jahre 1872 Berlin angckommmen Briefe, Postkarten und Drucksachen nebst Waaren- probcn 39,264,678 Stück, der von hier auö abgesandtcn Briefe rc. ziemlich eben soviel, der angekommenen Packet- und Geldsendungen 2,898,792 Stück, der abgc- sandten Packet- und Geldsendungen 3,782,016 Stück, der eingegangenen Post vorschüsse 143,550 Stück, der angekommenen Postmandate 822 Stück, der aus gelieferten Postanweisungen 810,086 Stück, der im Abonnement bezogenen Zei- tungönummcrn aber gar 55,433,636 Stück Die Portoeinnahme aus dem Postverkehr Berlins allein beziffert sich im Jahre 1872 auf 2,073,388 Thaler! Das gejammte deutsche Ncichs-Postgebiet umfaßt gegenwärtig einen Flächenraum von 8080,, Quadraimeilen mit 34,341,035 Emwohnern, oder mit 4250 Einwohnern auf die Quadratmeilc, und ist somit daö größte Postgcbict des europäischen Kontinents. Ueber die mangelhafte Ausstattung der deutschen Reichsmünzen hielt der clericale Abg. Ncichensperger-Crefelv eine äußast launige Rede. Er sagte w. A. : D'e Popularität einer Münze hängt von ihrer äußeren Erscheinung ab. Deö- balb habe ich so sehr bedauert, daß Sie die Nickelmünzen acceptirt haben. Eine Nickel münze ist sehr häßlich und in Belgien ruhen diese Münzen zum größten Theil in den Kell-rn der Bank; werden sie einmal auögegeben, so fließen sic sehr schnell wieder zurück. Was nun die Ausprägung unserer neuen Goldmünzen .l ctrifft, so finde ich sie mehr oder weniger unkünstlerisch auSgesührt (Sehr richtig!) und leider muß ich sagen, daß gerade die preußischen die schlechtesten sind. (Zu stimmung.) Sie haben gar keinen charakteristischen, ausgeprägten Styl und doch ist, wie bei jeder Hervorbringung einer Kunst, so auch bei einer Münze ein bestimmter Styl das erste Erfordcrniß. Die übrigen Fürstenköpfe auf den deutschen Münzen sind weit ausdruckvoller und energischer ausgeführt als taS Bildniß unseres erhabenen Kaisers. Auf einer Münze, die ich hier habe, ist, so kurze Zeit sie erst circulirt hat, daS Herzschild in dem Wappen schon völlig verwischt, so daß es auösieht, als ob der Adler in der Brust ein Loch babe. (Große Heiterkeit.) Auch die Umschrift ist auf den preußischen Münzen nicht so gut und scharf auSgesührt wie auf den andern. Endlich möchte ich noch auf einet, schlimmen Uebclstand aufmerksam machen. Ich habe früher selbst dafür gestimmt, daß de» Landesherren daS Recht gewahrt werden sclle, ihre Köpfe aus die neuen Goldmünzen zu setzen. Aber cS muß nun doch auf irgend eine Weise bei diesen Münzen verhütet werden, daß Jemand, wie cS leicht geschch n kann, zu dem Glauben verleitet werde, der König von Würt temberg z. B. sei Kaiser von Deutschland. (Troße Heiterkeit.) Ja, Eie wis sen das wohl besser, aber nach tausend Jahren können sich Münzkundige dar über vergeblich den Kopf zerbrechen, waS der Reichsadler mit dem König von Württemberg zu thun hat. (Heiterkeit.) Auch in Bezug auf daö neu zu schaf fende Papiergeld bitte ich die Regierung für eine »echt einfache und würdige Ausstattung zu sorgen. Die bisherigen deutschen Banknoten und Tassenscheine bilden ein wahres Sammelsurium von Ausstattung und find besonders reich an allerhand kleinen Bildchen. Meistens stellen diese Bildchen Frauenspersonen dar (große Heiterkeit); die Gewohnheit stammt aus der französischen Revolution, in welcher die betreffende Dame eine phrygische Mütze trug. Diese Figuren sind dann noch mit den wunderlichsten Schnörkeln verziert; ich möchte wirklich die Negierung bitten, bei den künftigen Reichsbanknoten ganz vom weiblichen Ge schlechte abzusehen, da eS nicht güt ist, daß die Frauen durch so viele Hände gehen. (Beifall und Heiterkeit.) . Oesterreich. Eine Wiener Depesche vom 15. d. M. Mittags besagt: Die Wiener Börsen- und Creditbank wurde insolvent erklärt. Bis jetzt 65 Insolvenzen, darunter Börsenmakler ersten Ranges. Ferner Börsencomptoir Mayer j«»., Teitelbaum und Kohn. Wien, 15. Mai. Die Gcsammtzahl der heutigen Insolvenzen übersteigt Hunderte. Große Anstrengungen werden gemacht, einige wankende Banken un» Häuser zu stützen. Frankreich. Einer Klarheit in der Erörterung der Situation Frankreichs befleißigt