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* worden zu sein. Die Elsaß-Lothringschen Bahnm werden uns mit diese« neuen Kredit schon 145 Millionen Thaler kosten, das ist auf den Kopf der dortigen Bevölkerung beinahe 100 Thaler. Dem entspräche für das übrige Deutschland eine Kapitalaufwendung für Eisenbahnen von 3800 Millionen Thlr. Abgeord neter Richter rügte deshalb im Reichstage die allzustarke Berückstchtigung elsaß- lothringscher Bedürfnisse aus den Milliarden gegenüber den geringen Summen, welche für produktive Zwecke diesseits des RheineS daraus übrig bleiben." Herr Richter hat jedoch dabei ganz verschwiege», daß diese rtestzen Eisenbahnbauten in Elsaß-Lothrmgen nicht für-die produktiven Zwecke des Friedens nölhig find, sondern lediglich den sogenannten „strategischen Nothwendigkeitcn" ihre Entsteh ung verdanken. Also eine Auslage für künftige Kriegel Frankreich wartet mit der höchsten Spannung der Dinge, die kommen werden, sobald die Nationalversammlung in Versailles ihre Sitzungen wieder er öffnet haben wird. Mittlerweile bieten die Monarchisten alles auf, um die Plane und Wege der Republikaner zu durchkreuzen. Wie eS aber den Anschein hat, so schaden sie durch ihr Thun und Treiben ihrer Sache wett mehr, als sie rhc nützen. ThierS verhält sich sehr — zugeknöpft und «an weiß durchaus nicht, in welches Fahrwasser er einlenken wird, wenn die Nationalversammlung ihre Thätigkeit wieder beginnt. — Nach einem Pariser Telegramm der „Times" ist die Zahlung der vierten Milliarde, welche Frankreich an Deutschland zu entrichten hat, beendigt. Zur Zahlung der fünften Milliarde hat die Regierung bereits 700 Millionen Franken in baarem Gelds und in Wechseln bereit und da zu diesem monatlich 100 Mil lionen hinzugcfügt werden können, so wird dis Summe am 1. September auf 1,100 Millionen anzcwachsen sein. In Folge dessen kann die Zahlung der fünften Milliarde ohne j de Erschütterung des GeldverkchrS und ohne einen Griff in die Kasse der Bank von Frankreich bewerkstelligt werden. Man kann über Frankreich denken wie man will, so viel muß man aber doch zugeben: Frank reich muß ein sehr reiches Land, muß ein Land von großartigen pekuniären HülfSmitten sein, und seine Finanzverwaltung unter der Republik und ihrem Präsidenten ThierS ist wahrhaft musterhaft, ja erstaunenSwcrth. In Spanien scheint eö sich sehr entschieden zum Bessern zu wenden. Die Kraft der Karlisten scheint ziemlich gebrochen zu sein und eine Bande naci» der andern wird zerstreut und unschädlich gemacht. DiePolitik der Regierung sinder auch in den Provinzen Anklang, daS Volk ist im Allgemeinen für die liberalen Tendenzen empfänglich. Die Macht der Priester und ihr Einfluß auf das Volk ist nahezu geschwunden. Keine Dynastie besitzt mehr die Sympathien der Be völkerung, und wenn auch die Kirchen stets gefüllt find, so ist doch heute ein Bürgerkrieg zur Verthei»igung der Religion eine Unmöglichkeit geworden. Einer der bcd uünbssn Politiker Spaniens that dieser Tage folgende Aeuße- rung, welche die Sachlage deutlich charaklerisirt: Die Republik wird fich all- mählig befestigen, wenn eS der Regierung gelungen sein wird, die militärischen Com- plote zu vereiteln und eine Föderation z» organistren, welche die Provinzen ver einigen und die Einheit des StaatcS aufrecht erhalten soll. Wir haben in Spanien mehrere Vötkergruppen, welche ein Ganzes zu bilden glauben, weil sie Jahrhunderte hindurch ihre Eigentyümlichkeiten und Gewohnheiten beibehalten haben. Die spanische Nation ist einig, di se Einigkeit documentirt sie aber den Fremden gegenüber, wenn cS gilt, ben heimischen Boden zu vertheidigen." — Die Regierung hat sich in einer Proklamation an Vie Wähler gewendet, worin sie sagt, „die Nationalversammlung habe daS Gesetz für ihre Einberufung zu einem unwiderruflichen gemacht. In Folge dessen sei die Regierung energisch ge gen Düs.rügen vorgegangen, welche das Verdikt der Nationalversammlung außer halb der legalen Bedingungen cinbcrufen wollten. Die Regierung werde mit derselben Strenge gegen Diejenigen vorgehen, welche etwa die Wahlen stören oder fich weigern sollten, ihre Resultate anzuerkennen." Die Mintsterkrisis in Italien ist glücklich teseiuzt. DaS zütherige Mi nisterium bleibt am Ru)er. — Der heilige Vater krankt noch immerzu. Von «wer vollständigen Genesung kann wohl keine Rede sein. Aus der Türelei brachte die verflösset.« Woche keine Nachricht von Wichtigkeit Der große „Krach" in Wien. Seit Wochen, ja seit Monaten wird der sogenannte „große Krach" angc- kündigt. Der Zusammensturz des Kartenhauses, daS nm allen Mitteln der Vetkünstelung, des Lugs und bcr ungemcssnsten Habsucht auf dem trügerischen Grunde der Agiotage aufgerichtet wurde, ward oft genug vvlhcrgesagt; allein die Vernichtung der Werths, wie sie sich in den letzten Tagen auf der Wiener Börse vollzieht, überragt in ihrer traurigen, geradezu unberechenbaren Wirkung alle Erwartungen und Befürchtungen, macht jede Berechnung zu Schanden. Nach der Vorstadt Ztg. sind wohl an die Hunderte von Millionen Gulden von dem CourSwcrthe der meisten Wiener Effecten abgebröckelt. Em Ereigniß, daS mit so wuchtigem Schlage an dem National-Vermögcn, an dem Glücke und an der Wohlfahrt so vieler Familien rüttelt, hat wohl seine unleugbare traurige Berechtigung, außerhalb vcS engeren Kreises der Börse und ihrer Besucher dle höchste Beachtung auf sich zu lenken. Die Ueberladung, die Ueberspekulation rächt fich nun furchtbar und dehnt ihre Wirkung auf jene Kreise aus, die aus sachlicher Unkenntniß und aus Angst ob der rapiden Entwcrthung ihres Besitzes sich desselben um jeden Preis ent äußern wollen und dadurch selbst jenes stürmische AuSgeboi steigern, daS über jcd: noch so scharf und verläßlich markttte Werthgrenze hinwegsctzt. Diejenigen allerdings, die sich an Börsenunternehmungen wie an einer Spielhölle betheiltg- ten, müssen eS sich gefallen lassen, daß sie, da sie nun einmal v» l»nque ge spielt, ihren ganzen Einsatz einbüßen; allein Jenen, welche ihr Vermögen m verläßlichen Werthen angelegt haben, in der Auö- und Voraussicht, einen ent sprechenden Zinftngenuß zu sichern, müssen wir entschieden rathen, ihren Besitz festzuhalten und chn nicht wegzu schleudern zu den in den meisten Fällen in ganz unberechtigter Weise cntwertheten Cursen. Allenthalben werden die Sünden und Verirrungen heute erkannt und zu- gestanden, drren fich die fieberhaften Ausschreitungen der Ueberspekulation schul dig gemacht haben. Zumal der Wucher, der mit den Grundstücken getrieben wurde, die in den meisten Fällen bis zur Unerträglichkeit hinaufgeschraubte Theuerung der Aohnungömiethe und in ihrem Gefolge die, Venheuerung so vieler anderer Lebens bedürfnisse, entspringen sicherlich direkt der krankhaften Anspannung der Spekulation oder find theilweise eine unwillkürliche Eonftquenz derselben. Wir haben eS hier mit einnl Uebel der Zeit zu thun, an dem nicht nur Oesterreich allein krankt. GS ist eine verheerende Seuche, die ihren Umzug durch die Welt hält. Allein de« ruhigen und klar blickenden Beobachter wtrd es nicht entgehen, daß eS nicht das Wesm der Sache, sondern der Mißbrauch derselben ist, welcher in dm letzten CurSschlachten, die an verschiedenen Börsen Europas geschlagen wurden, eine so furchtbare Ernüchterung erfahren hat. Die jetzige Erschütterung ist nur zu erklärlich nach dem gewaltigen Risse, den die unnatürliche Anspan nung zur Folge haben mußte. Allein daS Gleichgewicht der Kräfte wird fich na turgemäß wieder Herstellen. Die Lehre war ftirchtbar eindringlich; sie wird aber auch eine Gesundung unserer wirthschaftlichen Zustände zur Folge haben. Deutschland. Berlin, 9. Mai. Die „Germania" veröffentlicht das „Sendschreiben der am Grabe des heiligen BonifaciuS in Fulda versammelten Obcrhirtm an den KleruS und sämmtliche Gläubiger ihrer Diöcesen." Darin heißt eS u. a. in Bezug auf die neuen Kirchmgesetze: „Noch haben die gedachten Vorlagen keine Gesetzeskraft; — was immer aber kommen mag, wir werden mit der Gnade Gottes die in unseren Denkschriften entwickelten Grundsätze, die nicht die unseren, sondern die deS ChristenthumS und der ewigen Gerechtigkeit find, standhaft und einmülhig vertheidigen und unsere Hirtenpflicht so erfüllen, daß wir in der Stunde unseres Todes vor dem Richterstuhle deS göttlichen Hirten, der uns gesendet, und der sei» Leben für die Seinigen hingegeben hat, nicht als Miethlings verworfen werden. . . . Nach der Einrichtung, welche Gott seiner Kirche für alle Zeiten gegeben hat, kann Niemandem durch Bestimmung einer weltlichen Obrigkeit ein Recht verliehen werden, wonach er, un- beschadlt seiner Angehörigkeit zur Kirche in kirchlichen Dingen von dem geisti gen Urtheilspruche au die weltliche Macht appelliren könnte. Vielmehr ruht auf solchem der göttlichen Ordnung widerstreitenden Vorgehen die Strass der Er- rommunication, welche in Folge einer solchen Appellation von selbst eintritt. Wir werden, dem beständigen Brauche der Kirche folgend, die Entscheidung in ollen die Kirche betrcsscnden zweifelhaften Fragen 'in die Hände des Heiligen Vaters legen, den Christus zum obersten Hirten seiner Küche gesetzt hat und in dessen Gemeinschaft und Gehorsam wir mit GottcS Gnade stets verbleiben werden. . . . Wenn die Kirche Christi ihr r rechtmäßigen Freiheit beraubt wird, wenn das öffentliche Leben, wenn Presse und Literatur fast nur Unglauben und Gering Schätzung oder Haß gegen das Christenthum und di; Kirche athmen, wenn die Jugend durch eine dem Christenthum entfremdete Schule und Wissenschaft gebildet wird, wenn unter dem Drucke dieser Zustände de: Klerus mehr und mehr auSstirbt oder vom Zeitgeist« erfüllt und verderbt wird: dann muß der christliche Glaube, die christliche Liebe und Eintracht, die christliche Sitte auch da zusammendrechen und schwinden wo sie bisher so fest beüanden, in unserm guten katholischen Volke. Und dann wird nichts niehr ein Verderben und eine Zerstörung aufhalten, an die wir nur mit Entsetzen denken können." — Die „Germ." resumirt und kennzeichnet daS bischöfliche Sendschreiben mit den Wor ten: „Die Bischöfe haben gesprochen! ?ion possumos (wir können nicht), sagen sie; veo gratis« (Sott sei Dank) sagen wir." — Wir stimmen in die ser Hinsicht mit der „Germ." wörtlich überein: Auch wir sagen „Gott sei Dank", daß nämlich die Bischöfe nicht können, wie sie wollen! WaS übrigen- die „Germ." unter dem „von pvssumu» der Bischöfe versteht, druict sie an, indem sir schreibt: „So steht der Episkopat da, fest geeint in fick selbst, ge stählt durch die moralische Kraft, welche UeberzcugungS- und Pflichttreue ge währen, und unterstützt durch Tausende von Priestern und Hunderrtauftnde von Laien, weiche freudig entschlossen sind, den Kampf um daS Gewissen aufzuneh men und nicht eher von ihm abzulaffen, als bis der freiheitSschänderische über- müihige Liberalismus gedcmüthigt sein wird!" Darmstadt, 10. Mai. Der amtlichen „Darmstädter Zeitung" wird in Bestätigung anderweitiger Meldungen aus Berlin telegraphirt, daß der Bun- dcörath emstimmig beschlossen hat, die Gesetzentwürfe über die Tabaks- und die Börsensteuer dem Reichstage nicht vorzulegen. München, 7. Mai. Der Spcheder'sche Gantproceß wird auch noch ein Nachspiel erhalten, indem eine große Anzahl der sowohl von Schuldnern als Gläubigern ausgestellten Sola-Wechiel nicht mit den entsprechenden Stem pelmarken versehen ist. Die defraudirte W'chselstempelfteuer sell über 100,000 fl. (??) ausmachen. Auö einem uns eben vo> liegenden Soldatenbriefe aus dem Elsaß vom 4. Mai c, theilen wir wörtlich Folgendes mit: „Ich muß Euch noch etwas mittheilen, was sich gestern hier in Wallbach zugetragen. Das Dorf liegt zwei Stunden von Colmar. Wie wir gestern vom Ererciren nach Hause kämen und abgesattelt hati n, wurde Alarm geblasen. Wie wir nach Wallach kamen, waren mindestens 12,000 Menschen zusammen gelaufen, die wollten die „Mut ter Gottes" sehen. Denn die Pfaffen hatten gesagt, daß sie gestern im Nosakleide erschienen. Nun mußten wir den Säbel aufnehmen und dazwischen hauen, um durchzukommen. Wie wir erst im Dorfe waren, mußte unser Zug „Kehrt" machen und die Leute zurücktreiben, die auf dem Wege waren. Es wollte aber Keiner zurück, bis wir anfingen zu hauen. Wie die Leute dann erst Blut sahen, dann gingen sie doch zurück. ES sind wenigstens 25 Tobte (?) und mehre Verwundete; von uns ist aber Keiner verwundet. — Die Ande ren im Dorfe brachten die Leute heraus, und wie die Dragoner an die Kapelle kamen, wo die Mutter Gottes sein sollte, da kehrten sie zwei Pfaffen heraus. Der eine im weißen Kleide, welcher die „Mutter Gotteö" war, der hat aber böse Haue bekommen, daß er nicht wußte, wohin. Das andere Volk ist in'S Gebirge und in die Weinberge gelaufen. Wir haben zweimal auf der Chaussee eine Attaque gemacht, daß wir Platz bekamen; es sind viele übergc- rittcn worden, dann nachher kam Infanterie, die bleibt 10 Tage da, uni Ruhe zu halten." Oesterreick. Wien, 2. Mai. Den Anlaß zur heute erfolgten Sistirung deS Bölsen- gcschäftS hat, der „Neuen freien Presse" zufolge, die Insolvenz des Börsencomp- toirS Pelschek gegeben, welches fich eines besonderen Kredites erfreute, und sollte durch die Sistirung einer noch größeren Deroute vorgebeugt werden. Von einer großen Anzahl der Börsenbefucher wird nach demselben Blatte verlangt, daß die EtaatSregieruna eine acht- bis vierzehntägige Sistirung unter gleichzeitiger Er- theilung von Moratorien eintreten lasse. Die BörsenkaMmer gedenke den Finanz- Minister aufzufordern, daß er die augenblickliche Lage der Börse zum Gegenstand schleuniger Maßregeln mache, damit der Ausbruch einer Geld- und HandelSkrisiS verhindert werde. Rach demselben Blatte hat fich der Präsident der Börsen kammer beute zu« Finanzminister begeben, um zu erwirken, daß die Nattonalbank die Wechsel möglichst zahlreich eScomptire und daß den Banken aus den Beständen der Regierungskaffen gegen Bedeckung Geldmittel zur Einlösung der fälligen Coupons zur Verfügung gestellt «erde», damit die Banken der Ansammlung großer Reserven überhoben seien. Von der Crrditanstalt wurden die Bankdircc- toren zu einer Eonferenz etnberufen. Wie», S. Mai. Eine heute Abend stattgehabte Versammlung von Bankiers