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2S0 4 ..Schaukelpolitik huldigt un) diese auch für die Folge beibehallen wissen will, denn Grevy reptäsentirt den gemäßigten RepublikaniSmuS, MacMahon - den — Säbel und Dufa.ure d«n — KlecikaliömuS und UltramonlaniSmu!'. Ob «der ein dreihäuptlgeS Präsidium die von ThierS so hoch auög-bilv-te Schau kelpolitik in so ausgiebiger und erfolgreicher Weise fortzufuhren im Stande ist, wie der alte geriebene Schlau.'opf ThierS, halten wir für rein unmöglich. Aber «sitz', ThierS stürbe morgen, würde denn dann die Nationalversammlung auch foforl ThierS Rath befolgen und auöführen, und würde die Herren Grevy, Mac Mahon und Dufaure als dreihänptigeS Directorium wühlen? Ganz sicher und gew'ß nicht! Die verschied.nen und politischen Parteien nicht nur « der Nationalversammlung, sondern in ganz Frankreich würden urplötzlich mächtig aufbrauscn, ein Wirrwarr konder gleichen würbe entstehen und — eine »eue Revolution wäre unvermeidlich, wenn nicht sofort eine militärische Größe, Dre das Zeug dazu hak, Lie Armee an sich riß und die oberste Gewalt in fich vereinigte. Kur«, wir bleiben dabei: Wählt Frankreich nicht noch rechtzeitig einen Bicepi äsidenten, so ist das erne schwere, große Vernachlässigung des Staatö- «ohleö, die sich bei dem Tode ThierS sehr bitter rächen wird, so daß man also wohl mit Recht die inhaltsschwere Frage stellen darf: „Wenn ThierS stirbt, was dann?" Deutschland. Berlin. Abermals eine Diäten-Debatte, und dies Mal im Reichstage, aber der Beschluß des Parlaments, wenn gleich mit 114 gegen 90 Stimmen zu Stande gebracht, wird cffectloS sein, Venn der Präsident deS Reichökanzler- «mtS, StaalSminister Delbrück, ging auf die Argumente der Majomäl nicht «äyer ein. Schulze-Delitzsch als Antragsteller konnte fich kurz fassen. Er hat den Diätm-Antrag wiederholt motivirt und seine Dringlichkeit aufs gründlichste dargelegt, und der Abg. v. Kusserow, der nach ihm sprach, wird selbst nicht glauben, daß er Schulze widerlegt habe. Sehr geschickt griff in die Debatte Ler Abg. v. Stauffenberg ein, der eine Diäten-Zahlung für die ReichötagSmit- glieder nachdrücklich forderte. Zweimal hat, unter dem Druck- großer Ereig nisse, vaS Deutsche Volk Wahlen für den Reichstag vorgenomm-n, zuerst m Rorddcutschland, dann Gesammldcutschland. Aehnliche Ereignisse werden fich nicht wiederholen. Bisher rief die Begeisterung des Patriotismus Alle in den Wahlkampf und der Aermste war will.g ,ur Uedemahme erneS Mandats. Jetzt gilt eö, in Perioden ohne große historische Zwischenfälle ruhig an der Gesetz gebung zu arbeiten unv wo werden, ohne daß man Allen den Eintritt in das Parlament ermöglicht, genug geeignete Kräfte für die Gesetzgebung fich finden? StauffenbergS Darlegung war durchschlagend und Wmdhorst (Meppen) thut gut daran, Herrn Delbrück, zu bestimmten Erklärungen zu bewegen, damit das Haus wüßte, woran eo wäre. Weniger geschickt war der eventuelle Verzicht auf die Diäten zur Erlangung ver Reisekosten-Entschädigung. Entweder Beides oder Nichts. Dec StaatS-Minister Delbrück, für seine Person gewiß der For derung der Majorität zugethan, kannte zu genau deS Reichskanzlers Ansichten über die Diätenfrage und richtete nach ihnen seine Antwort ein. Das stand Herrn Delbrück nicht an. Nach einigen unerheblichen Erörterungen schritt das Hauö zur namentlichen Abstimmung und erklärte fich für den Schulzeschen Ge setzes Vorschlag. Der Abgeordnete Bebel hat dem Vernehmen nach von HuberluSburg ein Gesuch um vorläufige Entlassung an die Sächsische Regierung gerichtet, um den Sitzungen deö D.uischcn Reichstages beiwohnen zu können. — Der „Frkf. Ztg." schreib! man: Wie man in Reichstagskreisen erzählt, sei Bebel zu ver stehen gegeben worden, die Sächsische Regierung werde, sobald er darum ein komme, ihm bereitwillig den Urlaub zur Thrilnahme an der Session gewähren. Die Bcstärigung dieser Nachricht wird abzuwarten sein. „Die Arbeit ist die Quelle d:S Nationalwohlstandes; der Goldregen ist kein Volkssegen" — diese Grundwahrheit tritt uns in einem beherzigenswerten Artikel der „V.-Zrg." entgegen. Der großartige Milliarden Aderlaß hat Frank reich nichts geschadet; eS fragt sich nur, was unS Deutschen der Milliarden- Dom genützt har, nützen wird. Soweit die Unsummen verwende wurden, daS Kriegsmaterial zu ersetzen und zu vervollständigen, die Verluste zu Land und Wasser wieder zu decken, die unS der Krieg gekostet hat, die Kriegsschulden zu tilgen, sind diese Milliarden nützlich und unentbehrlich; so weit sie darüber hin- auSgehen, wirken sie schädlich auf alle unsere Verhältnisse ein. Eine wilde Ueberipeculation bemächtigte sich der Geister, Verlheuerungen aller Lebensgenüsse wie der Arbeit war eine zweite üble Folge. Wir wollen Gott danken, wenn daS letzte Goldstück von Frankreich bezahlt sein wird, daß dann kein weiteres «achkommt. Herr, halte ein mit Deinem Segen! Zu viel sind schon der Spe kulationen, the^er genug, was zu LelbeS Nahrung und Nothdurft gehört, zu billig schon das Geld. Verdienen wir unö erst das Gold durch unserer Hände Arbeit, sonst schließt sich an unsern übermäßigen Kap.talbesttz eine Verwilderung Ver Sitten an, deren Folgen daö gesunde Blut deS deutschen Volkes vergiften muß. Berlin, 26. März. Nach Mittheilungen auS dem „Lit. vureau" hat Ler Kaiser seinen Geburtstag in heiterer und vertrauensvoller Stimmung verleb:. Auch in seiner Ansprache an die Minister gab fich diese kund, indem er u. a. mit Bezugnahme auf eine hiesige social-demokratische Zeitung, welche gerade an jenem Tage fich über daS „Regiment der Tyrannei" deö Weiteren verbreitet hatte, scherzend äußerte, daß seine Tyrannei doch wohl erträglich sein möchte." Von allen Seiten wird bestätigt, daß die Ausschüsse deö BundeSrathS sich gegen die Tabaksteuer alö Ersatz für die Salzsteuer principiell ausgesprochen und die preußischen Vorschläge nur eventuell angenommen haben. Stuttgart, 26. März. Die VolkSansammlungen dauerten heute den gan zen Tag über fort. Um 7j Uhr trafen die Arbe.ter auS den Maschinenfabriken in Berg und Kannstadt ei», worauf von Neuem der Tumult zum Ausbruch kam. Die Polizei hieb zu wiederholten Malen mit der blanken Waffe ein und »ahm mehrere Verhaftungen vor. Gegen 8 Uhr erschienen militärische Kräfte in der Stärke von einem Bataillon Infanterie und zwei EScadronS Ulanen. Augenblicklich ist die Ruh- einigermaßen hergestellt; diejenigen Siraßen, wo, sich Geschäftölocale von Israeliten befinden, werden von Militärpatrouillen durchzogen. Stuttgart, 27, März. Heute Nacht haben sich die Ercesse in ver Hirschstraße unv deren Umgebung wiederholt. Die Polizetdiener, der Stadt - Lirector und de. Gouverneur, welche zur Herstellung der Ruhe erschienen, wur- dm mt Steinwürfea empfangen; eS mußte Militär requtrirt werden, VaS dem- «ächst die Ordnung ohne schwere Conflicte wieder herstellte. Braunschweig, 24. März. In der letzten Sitzung der Stadtverordneten fand ein« lebhafte Verhandlung statt über den Antrag: iue Militärpersonen zu Sommunalsteuer hcranzuziehen und die Beträge nothwendigenfallS erecutivisch elnzutreiben. ES wurde mit großer M.hrheit beschlossen, direkt an den Reichs tag zu gehen und daneben sich mit anderen Städten in'S Einvernehmen zu setz'. Folgender ron dem Stadtverordneten Steinau gestellte Antrag wurde der Schul- commisston überwiesen: „Die Stadtverordnetenversammlung «olle beschließen: 1) Der Unterricht in den unteren Bürgerschulen ist fortan ganz frei von Schul geld. 2) Der Unterricht tn den unteren Bürgerschulen ist binnen Jahresfrist auf die Stufe der mittleren Bürgerschulen zu bringen. 3) Denjenigen Schüler» der unteren Bürgerschulen, welche die erste Klaffe mit Erfolg ein Jahr besucht und die Absicht haben, eine höhere Bildung sich anzueignen, soll der Besuch deö RealgymnastumS 2. Klaffe unentgeltlich gewährt werden, und find auch die Schulbücher dann unentgeltlich den betreffenden Schülern seitens der Stadt zu liefe«. Die Auswanderung nimmt in diesem Jahre Dimensionen an, wie nie zu vor, und zwar stellen Preußen und Schlesien, sowie einige Theile der Wark ein besonders starkes Eontingent von Europamüden. Beispielsweise reiste u. A. am Sonntage Nachmittags 4 Uhr von dem Lehrter Bahnhofe aus eine Gesell schaft von Bewohnern eines einzigen Dorfes (Gr. Cresstn bei Bärwalde) nach Amerika ab, deren Anzahl sich auf ca. 100 Personen belief. — Gleichzeitig mit diesen Trupps steht man jetzt aber auch wieder vtele Arbeiter aus da» Großherzom hum Pose», welche arbeitsuchend nach Elfaß-Lothringen reise», die Stadt passtrm. Frankreich. Paris, 27. März. Wie der „Agence HavaS" aus Madrid vom 26. gemeldet wicv, überschritten bewaffnete Karlisten die Französische Grenze und um- ringelten das Haus deS Maire von ViriatcS (auf Französischem Gebiete), UM sich zweier dort befindlichen karlistischen Flüchtlinge zu bemächtigen, welche ste mit fich fortführten. Italien. Rom, 23. März Italien steht stch von neuen Waffernöthen bedroht. Schon ha: der Po bei Easale Monferrato einen Damm auf eine Länge vo» 150 Metern durchbrochen, während der Tiber gleichfalls sein blondes Haupt schüttelt und in bedenkenerregender Weise an der Böschung seinen sandigen Ufer emporkletterr. In der Stadt selbst machen die Fastenprediger den Liberale» die Köpfe heiß, und gestern wmde der Jesuitenpater Lombardini, die verkörperte Politik auf der Kanzel, von einigen patriotischen Hitzköpfe» durch wildes Geschrei in seiner Homilie unterbrochen und von der Kanzel vertriebe», ein Vorfall, der natürlich von allen Vernünftigen sehr bedauert wird. AuS Caprera find gute Nachrichten über das Befinden deS Generals Gari baldi eingetroffen; er ist von seinen rheumatischen Schmerzen hergestellt und kräftig. Garibaldi fährt auf der Insel in einem kleinen Wagen umher und geht auch z» Fuß spazieren. Garibaldi schrieb neulich an einen Freund: „Mit der R -blik in Spanien und Frankreich ist die italienische Republik nur eine Frage der Zeit." Schweiz. Bern, 23. März. Der „Bernsche Volksverein" erläßt einen Aufruf an sämmtliche Revifionöfreunde der Echweiz zu einer einheitlichen Organisation. ES heißt darin: „Wenn nicht alle Anzeichen trügen, geht unser Vaterlos neuen Stürmen entgegen! einerseits beweisen unsere Hauptgegner, die Ultramon- tanen, durch ihr anmaßendes Auftreten in verschiedenen Diöcesen, daß fie ihr« Erfolg vom 12. Mai überschätzen und ihn auf Kosten unseres Vaterlandes in jeder Beziehung auSbeuten möchten; anderseits zeigt daS Resultat der letzten Nationalrachswahlen und die Wiederaufnahme des Revisionsprogrammes durch die eidgenössischen Rärhe, daß der Triumph unserer Gegner vielleicht nicht von langer Dauer sein wird. WaS ist da unsere Aufgabe? UnS auf den bevor stehenden Kampf zu rüsten und, eingedenk deS 12. Mai 1872, durch eine große, internalirnale VereinSorganisation und eine die ganze Schweiz einheitlich um fassende Vereins Tätigkeit die Mißleitung deS Volkes zu verhüten, dessen allseitig« Aufklärung und Belehrung zu ermöglichen. Nur aus einem großen schweizerische« Volksbund wi.d eine große That, wird eine gründliche und volkSthümliche Bun- deSremsion herauöwachsen." Für den spanischen Ministerposten in der Schweiz ist Roberto Roberts, ein namhafter Publicist und gemäßigter Republikaner, ernannt. Genf, 26. März. Ein von Mermillod gegen die Ausführung der vom Volke angenommenen neuen katholischen CultuSgesetze erhobener Protest wurde seitens veS RegierungSratheS einfach an den Absender zurückgeschickt, weil derselbe jenes Schriftstück gesetzwidriger Weise alö apostolischer Vicar von Genf unter zeichnet hatte. England. London, 25. März. Reuter'S Office meldet: Der Schah von Perfie» wird, von den Vertretern Rußlands begleitet, am 7. Mai von Teheran abreift» und stch nach Enzeli begeben, wo eine russische Flottille ihm die HonneurS er weisen wird. In Enzeli wird stch Fürst Mentschikoff im Auftrage des CzarS zu seiner Begrüßung einfinden. Von da aus wird fich der Schah nach Astrachan zu zweitägigem, hierauf nach Moskau zu dreitägigem und endlich nach Peters burg zu zwölftägigem Aufenthalte begeben. Der deutsche Kaiser wird während deö Aufenthaltes deS Schah in Petersburg dort nicht anwesend sein. Bo» Petersburg begibt fich der Schah Anfangs Juni nach Berlin, hierauf »ach Brüssel und London. Die Bestimmungen für seine Reise nach Paris, Wien und Rom werden erst später festgesetzt werden. London, 26. März. Lord Granville hat erneuten Aufforderungen der Spanischen Regierung gegenüber, wie aus sicherer Quelle verlautet, stch gewei gert, die Spanische Republik anzuerkenne», weil eS ihr noch an einer regelmäßige» Organisation fehle, welche den Verkehr mit dem Auslande ermögliche. — Der Deutsche Botschafter, Graf Bernstorff, ist heute Abend 7 Uhr verschieden. Rußland. In Kalisch find dieser Tage in Folge einer Vergiftung, welche, wie di« „Breslauer Normalztg." bemerkt, durch schlecht verzinnte Kochkessel h-rbeigeführt zu sein scheint, gegen 40 Soldaten erkrankt, von denen seither bereits 17 ge storben find. Spanien. Madrid, 23. März. Die Herren von der Internationale und ihre poli tischen Verwandten haben heute eine große Enttäuschung erlitten. Mit ander« Element« der Bevölkerung untermischt, strömten ste auf dm Prado zusammen, wo eine große Volksversammlung zur Besprechung der aufzurichtenden StaatS- form und der Rechte der arbeitenden Classen Statt finden sollt?. Es fand stch aber Niemand, der dm Vorsitz einnah«, auch Keiner, der das Wort ergriff. Die getäuschte Mmge schnob Rache und wälzt« sich unter laut« Drohung« nach der Druckerei hin, wo da- zur Versammlung einladende Placat gedruckt worden war. Ihr Verlangen, den Namen der Besteller zu erfahren, konnte nicht erfüllt werd«, und ste schleppt« daher dm Vorsteher der Druckerei Mt