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Tagesgeschichte das war nun aber eine, ganz falsche Rechnung. Jetzt besitzen sie in Trupp von 50—200 Mann den sie verfolgenden Truppen ausweichend, eine Stärk von 3000 Mann, von denen noch dazu ein Theil nur mit Stöcken bewaffnet ist, an deren Spitze ein Bajonnet befestigt ist. Der Telegraph hat zwar jüngst von einem glänzenden Siege der Larlisten über die RegierungStruppen bei Jemn gemeldet, in Folge dessen sogar der Papst sich zu einer telegraphischen Beglück wünschung „Earl VIl." veranlaßt sah. Ja die Carlisten sollten sogar Pam- pelona belagern. Allein die neusten Nachrichten besagen ganz im Gegencheil, daß in den jüngsten Tagen die Karliften bedeutende Verluste erlitten haben. — Griechend hat die Republik in Spanten auch anerkannt. England ist in einer Ministerkrisis begriffen. DaS Ministerium Glad stone Hal seine Entlassung eingereicht, well es in der irischen Schul btll mit der schwachen Majorität von nur 8 Stimmen unterlegen ist. Ob DiSraeli sich zur Bildung eines neuen Ministeriums verstehen wird, ist bis jetzt noch unbestimmt. Deutschland. Berlin. DaS neueste Bulletin über Wagener lautet: „Die DiScipli- nar-Untersuchung gegen Wagener ist nicht auf seinen Antrag oder mit seiner Uebereinstimmung, sondern vom Minister-Präsidenten verfügt worden. Wagener ist nicht beurlaubt, sondern vorläufig vom Amte suSpendirt. Mt der Unter suchung ist KammergerichtSrath Steinhausen betraut." Hierzu sagen wtr nur: Bravo! Graf Roon! Gar zu beißend war auch der Witz der „Wespen", daß der Ghe me OberrcgierungSrath Wagener sich richtiger „Wirklich noch Gehei mer OberregierungSrath" nennen solle. Der HandelSminister Graf Jtzenplitz ver sucht in einer 66 Folioseiten langen Denkschrift den Nachweis, daß »in großer Theil der von LaSker gegen ihn erhobenen Vorwürfe unbegründet sei. Berlin, 16. März. Die wegen „unbegründeterAußerbetriebstellung ihrer Fuhrwerke" auS der Strikcperiode an die Droschkenbesitzer erlassenen Strafman date hat die Zahl von nah zu 3000 erreicht. Die Höhe der festgesetzten Strafen variirt zwischen 5 und 10 Thalern. Die den Mitgliedern des zweiten Drosch- kenvereinS (MuSkauerstr. 28) auferlegten Geldbußen betragen rund 8000 Thlr. — Gegenwärtig courstrt das Gerücht, daß ein Neuer Strike vorbereitet werde den diesmal die Droschkenkutscher auf eigene Faust unternehmen würden. — Ge legentlich dieser Mittheilungen wollen wir noch constatiren, daß in Berlin mo-, mentan 3780 Droschken U. Klasse concesstonirt sind, von denen sich ständig jedoch nur etwa 3600 im Betrieb befinden. Frankreich. Paris, 1-1. März. Die Ultramontanen hatten eS als ein Verbrechen gegen die Curie hingestellt, wenn ThierS dem Diner auf der italienischen Ge sandtschaft beiwohnen würde. Bisher schwankte daS Urtheil, ob er der Einla dung Folge leisten werde; heute meldet aber 8e Son, ThierS werde dem Diner nicht beiwohnen. Der Präsident der Republik habe Herrn Nigra brieflich sein lebhaftes Bedauern über diesen Entschluß auSgedrückt, den er habe auf Rath der Aerzte nehmen müssen; dieser Brief sei in den schmeichelhaftesten Ausdrücken für Herrn Nigra und für Italien, dessen Vertreter derselbe ist, abgefaßt. Die Ultra montanen haben somit keine Ursache, sich ihres Einflusses zu rühmen. England. London, 13. März. Die Hinterlassenschaft des Kaisers Napoleon ist, wie die Pall Mall Gazette hört, nach Vorschrift deS englischen Gesetzes eidlich an beweglichem Vermögen auf 120,000 L. angegeben worden, die ohne Vorbe halt der Kaiserin anheimfallen. Dem kaiserlichen Prinzen ist, wie eS heißt, nur die Kaiseikrone vermacht worden. London, 1-1. März. Nach „Pall Mall Gazette" hätte DiSraeli der Königin vorgcstellt, daß eine neue EabinetSbildung ihm nicht möglich sei, die Königin hatte Gladstone wieder rufen lassen. „Globe" zufolge hätte DiSraeli eine Frist erbeten zur näheren Erwägung deS Auftrags und zwar will er vorerst mit Derby in weitere Berathung zu treten. Spanien. Madrid, 13. März. In der heutigen Sitzung der Nationalversammlung kam der Antrag Primo de Risera'S auf SuSpendirung der Sitzungen der Ver sammlung in der Schlußabstimmnng zur Annahme. ES wurde alsdann das Entlassungsgesuch deö Präsidenten MartoS, welches dessen Rücktritt durch die Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand motivirt, verlesen. In Sachen der Earlistischen Bewegung liegen folgende Mittheilungen vor: Die Carlisten haben gestern, wie daö amtliche Blatt meldet, die Entgleisung eines von Madrid kommenden Schnellzuges in der Nähe der Brücke von Ba- stiruela bei Villafranca veranlaßt, bei welcher Gelegenheit 1 Heizer und 2 Bremser umgekommm sind. Die auf dem Zuge befindlichen Passagiere und die denselben begleitende Eöcorte von 30 Soldaten zogen sich in ein benachbartes HauS zurück, wo sie sich verschanzten, und wiesen den Angriff der Carlisten ab. Von den Letztem wurde 1 getödtet, die Passagiere und Truppen hatten keine Verluste. Eine Abtheilun; von RegierungStruppen, welch- den Angegriffenen alSbald zu Hilfe eilte, schlug die Carlistcn in die Flucht und warf sie in der Richtung auf Montecosta zurück. Die Eisenbahngesellschaft hat infolge dieser Vorgänge et, stweilen die Beförderung der Züge zwischen B-affain und Jrun eingestellt. — Dem „Jmparcial" zufolge wäre die stattgehabte Entgleisung durch die Abtheilung deS Pfarrers von Santa-Cruz herbeigeführt; dieselb Bande soll, wie daS Journal „Erpreß" meldet, am Montage 4 Bahnhöfe niedergebranut haben. — Auch bei Castellon haben, RegierungSmittheilungen zufolge, Betriebs störungen der Eisenbahn durch Carlisten unter der Führung von Cucala statt gesunden. Letzterer Hal einen Telegraphisten erschießen lassen. Durch eine Verfügung der Regierung vom heutigen Tage find die mili tärischen Orden aufgehoben worden. Nach hier eingetroffenen Privatnachrichten ist die Wiederherstellung der DiSciplin unter den Truppen in Catalonien nur mit Schwierigkeit zu erreichen, da dte Soldaten nur als Freiwillige dienen wollen. Lie in Malaga durch das Volk entwaffneten Soldaten find nach Madrid gebracht. Unter der Landbevölkerung von Estremadura machen stch ve- wegungen von socialistischcm Charakter bemerklich. Madrid, 14. März. In den Straßen werden Zeitungsbeilagen ver kauft, worin den ehemaligen Soldatm, die sich den Larlisten in Latalonien an schließen, 8 Realen täglicher Sold angeboten wird. Königreich Sachsen. Dresden. Vom 1. Juli dieses Jahres ab können aus de« goldenen Stipendtenfond vier Stipendien an Etudirend« der Uniderfität Leipzig Sächsischer Für uns Sachsen war die verflossene Woche von Wichtigkeit, weil am 10. März der feierliche Schluß deS Landtages durch Se. Majestät den König Johann st» König!. Schlosse erfolgte. Dieser nunmehr geschloffene Landtag «ar ein sei« bedeutungsreicher, denn auf ihm wurdm eine Anzahl sehr tief in unser staatliches Leben eingreifender Gesetze berathen. so die Gesetze über die Organisation der Verwaltungsbehörden, über die Bezirkövertretungen, die rcvidirte Stäv'eordnung, dte Gemeindeordnung und das evangelische LandeSkonststorium. Ob daS Schulgesetz noch publicirt werden wird, konnte in der Thronrede nicht «it Bestimmtheit ausgesprochen werden, weil die ständische Schrift über daS BolkSschulmgesetz bis zur Niederschrift deS Landtagsabschiedes «och nicht an dte Regierung gelangt war. Aufrichtig aber bedauerte die Thronrede, daß die erste Kam«« daS Gesetz wegen VerfaffungSabänderungen abgelehnt hat. Die zwette Kammer hat während deS am 10. März geschlossenen Landtages 142 öffentl. und 6 geheime Sitzungen gehalten und die Directorialregisirande zählte 2082 und die Hauptregistrande 1863 Nummern, unter welcher letzter« sich 86 Decrete, 40 selbstständige Anträge, 1023 Petitionen und Beschwerden befanden. Für das deutsche Reich wär aber die verflossene Woche ebenfalls sehr wichtig, da am 12. März der deutsche Reichstag in Berlin durch den Kaiser mit einer Thronrede eröffnet wurde. Die Thronrede setzte auseinander, welche wichtige Vorlagen dem Reichstage von der Bundesregierung zugehen «erden. Dieser Auseinandersetzung zufolge wird sich der Reichstag zu beschäf tigen haben mit einem Gesetze, die Umgestaltung eS deutschen FestuugS- WemS betreffend, mit einem Gesetze über die Ansprüche, welche den Inva liden auS dem letzten Kriege und deren Hinterbliebene« gesetzlich zu stehen, eiu Besetz: Bewilligung für die Entwickelung der deutschen Kriegsmarine, ein allgemeines Militärgesetz, ein Gesetz über die Neugestaltung deS deutschen Münz- wesen« u. s. w. AuS diesen Angabe« erhellt sattsam, daß daS Arbeitsfeld deS deutschen Reichstages dieses Mal ein sehr umfangreiches sei« wirb. Am Tage d«r Eröffnung deS deutschen Reichstages war derselbe noch nicht beschlußfähig, denn b» der Auszählung in der ersten Plenarsitzung am 12. März stellte stch heraus, daß nur 184 Mitgl. anwesend waren. In der zweiten Plenarsitzung aber, am 13. März, ergab stch die Beschlußfähigkeit deS Hauses, denn es waren 209 Mitgl. anwesend. Die Wahl deS Präsidenten, der Viceprästdenten und Schriftführer, die am 13. März stattfand, ging übrigens dieses Mal sehr rasch vor stch, denn auf Antrag des Graf Münster wurden der seitherige Präsident Simson und die Vicepräsidente« Hohenlohe und Bennigsen durch Acclamation wieder gewählt, ebm so die seitherigen Schriftführer. - In Preusten nimmt der Kampf zwischen Staat und der katholischen Kirche einen immer größeren Umfang an. In Posen hat die Regierung angeordnet, daß künftig an allen Gymnasien der Religionsunterricht imr in deutscher Sprache eriheilt werden solle. Erzbischof LudechowSki hat nun eine Instruktion an seine Untergebenen erlassen, in welcher er von der Ansicht ausgehend, dte geistliche, nicht die weltliche Obrigkeit habe über die Er- thetlung deS Religionsunterrichtes zu entscheiden, anordnet, daß der ReligionS- nuterricht den Schülern im Allgemeinen in ihrer Muttersprache zu ertheilen sei. Wegen dieser Widersetzlichkeit gegen staatliche Anordnung wird nun die Regierung m.t der vollen Ges-tzeSgewalt gegen den Erzbischof vorgehen, und allen Religionslehrern an den Gymnasien in der Provinz Posen hat die Regierung die Mittheilung gemacht, daß sie sofort ab gesetzt werden würden, wenn sie den Anordnungen deS ErzbischofeS Folge leiste« und den Religionsunterricht auch fernerhin in der polnischen Sprache ertheilen würden. Aber so wie der Erzbischof von Posen zeigt sich auch an vielen anderen Orlen in Preußen der niedere uns namentlich höhere katholische Klerus in viel-» Stücke« oppositionell. Man kann wahrlich höchst gespannt sein, welchen Umfang dieser erbitterte Kampf zwischen Staat und der katholischen Kirche in Preußen noch annehmen, wann und wie cr enden wird. Den Militärärzten in Preußen ist die Ausübung jeder PrivatprariS untersagt worden, eine Maßregel, die gewiß viele von ihnen zum Austritt aus der Armee v.ranlafsen wird. — Den Droschkenbefitzern in Berlin kommt ihr Sirike« ch-ucr zu stehen. Jeder Droschkenbesttzer ist auf Anordnung deS Polizeipräsidenten v. Madai für jeden Tag der Jnaußerbetriebsetzung seiner Fuhrwerke mit der höchsten, von der Polizei festzusetzenden Strafe von fünf Thalern belegt worden. Es sind auch bereits auf eigens dazu gedrukten Formularen (circa 6 Rieß sind bis jetzt verbraucht,) für den ersten und zweiten Tag deS StrikeS Strafverfüg- ungen auSgefertigt und den Betreffenden zugest-llt worden. Die bis jetzt ver engte Strafsumme beträgt bereits 20 000 Thlr. In Frankreich ist endlich am 13. März der mebrmonatliche bittere Haecr in der Nat-onalv rsammlung zu einem Abschluß gekommen, denn an die sem Tage nahm die Nationalversammlung den viel- und lang debatlirten Ge setzentwurf der Drcißigerkommisfion im Ganzen bei der Endabstimmung mit 411 g.gcn 234 Stimmen an. Ob zu Frankreichs Heil oder Unheil? wer vermöchte daö zu beurtheilen. Daß eS aber trotzdem sehr bald wieder zu Häkeleien und Zänkereien zwischen den Monarchisten und Republikanern in der Nationalver sammlung kommen wird und daß weder die eine noch die andere Partei ihre Wühlereien und Umtriebe einstellen wird, daS ist sicher. — Frankreich wird, wie die meisten Zeitungen melven, in zwei Monaten die vierte Milliarde der Kriegskontribution bezahlt und binnen drei Monaten eine Verkündigung mit Deutschland über die Zahlung der letzten Milliarde erzielt haben. Nach Zah lung der vierten Millarde haben die Deutschen die Ardennen und Vogesen zu räumen; die vollständige Räumung würde längstens im September erfolgen, da bis dorthin auch die letzte Milliarde an Deutschland bezahlt sein würde. AuS Spanien lauteten in der verflossene« Woche die Nachrichten für die Republik etwas günstiger, indem die hervorragenden politischen Parteien einander weit nicht so schroff und erbittert einander entgegen stehen, wie in Frankreich. ES scheint den Parteiführern in der That daS Wohl deS Vater landes höher zu stehen, als unerquickliches und ganz nutzloses Parteigezänk. Aber trotzdem wird eS noch schwere Kämpfe in Spanten gebe», bevor man sa gen kann, dte Republik sei einigermaßen befestigt. Die Masse der spanischen Bevölkerung steckt zu tief im Schlamme geistiger Verdummung und Jesuiten und Priest» bieten alles auf, um sich Spanim, diese.: päpstlichen Hort zu erbalten. Was aber dte der jungen Republik von Seite der Anhäng» d» ver- schiedenen Prätendenten drohenden Gefahren anlangt, so stud, wie wir schon öfter erwähn», nur die Carlisten von Bedeutung. Doch auch diese sehen sich in ihren Erwartungen getäuscht. Sie hatten stch mit der Hoffnung getragen, daß «ach Erklärung der Republik die Truppen zu ihnm übertreten würden;