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detr Der Persische Gesandte dementirt da- Gerücht von einem geheimen Persisch-Russischen Bündnisse und von einer Gebietsabtretung in Khorassan. — Die Lage der Kohlenwerke in SüdwaleS wird, nach Berichte» desselben Blattes, in Folge deS StrikeS und deS steigenden GrubenwafferS eine äußerst bedenk liche, obschon dm Arbeitern ein täglicher Lohn von 8 Sh. angeboten worden iß um Mächst zur Speisung der Dampfpumpen Kohlen zu gewinnm, so ver- wetgern sie dennoch, in Gehorsam gegen die Beschlüsse deS GewerkvereinS, die Wiederaufnahme Brr Arbeit. Oesterreich. Wien, 20. Jan. Die Erwartung, daß Kaiser Wilhelm sich unter den Ehrengästen befinden wird, welche unser Hof während der Welt Ausstellung zu I bewillkommnen hofft, erhielt in den letzten Tagen ihre officielle Bestätigung. , Die betreffenden Hofämter wurden auf Befehl des Kaisers Franz Joseph mit dem Zeitpunkte bekannt gemacht, zu welchem das Eintreffen deS kaiserlichen Gastes zu erwarten ist, um die erforderlichen Vorbereitungen danach zu treffen. Kaiser Wilhelm scheint seinen hiesigen Besuch für die ersten Tage des Juli an- gekündigt zu haben. Außerdem dürfte der deutsche Kaiser auch jetzt, wie im Vorjahre, und zwar im Monate August, die Badecur in Wildbad-Gastein ge brauchen. also zwei Mal auf österreichischem Boden verweilen. Frankreich. Versailles, 22. Jan. In der Sitzung der PetitionS-Commisston hat sich heute der Präsident ThierS vernehmen lassen und sich bereit erklärt, die Verantwortlichkeit sür die Ausweisung veS Prinzen Napoleon zu übe.nehmen. In Folge dieser Erklärung wird, der „Agence HavaS" zufolge, der Bericht der Commission in dieser Angelegenheit, in welchem, dem Vernehmen nach, ursprüng lich eine Mißbilligung des Verhaltens der Regierung ausgesprochen werden sollte, noch hinauSgekchoben werden. Die Französische Regierung ist nicht so ganz gletchgiltig gebliebm gegenüber den zum Theil allzu sentimentalen Beweisen der Sympathie, welche sich in England wie in Jtatim für den tovten Erkaiser kundgegeben haben. Pie man aus Paris schreibt, war Lord Granville'S Protest gegen die persönliche Bethciligung deS Prinzen von Wales an dem Begräbnisse Napoleons Ui hervor gerufen durch Vorstellungen, die der Französische Botschafter in Folge telegraphischen Auftrages deö Ministers Remusat bei dem Grafen zu machen hatte. Er con- statirte, daß eine so eklatante Kundgebung zu Gunsten der Familie Bonaparte von Seite deS Britischen Thronerben für die Französische Regierung etwas sehr Verletzendes haben müsse. — Auch in Rom hat die Französische Regierung sich z« Vorstellungen veranlaßt gesehen, die jedoch in diesem Fälle den Charakter fast einer Beschwerde annahmen. Veranlassung dazu bot der Umstand, daß in ver Kammerrede, welche der Minister Präsident dem Andenken Napoleon'S wid mete, Frankreichs nicht einmal Erwähnung geschah. Lanza sprach gewissermaßen demonstrativ nur von der Dankbarkeit, die Italien dem Kaiser schulde. Spanien. Die Madrider Journale vom 18. d. melden, daß der Befehlshaber der Nordarmee, General MorioneS, eine Proklamation erlassen hat, wodurch er den «rlistischm Insurgenten, die sich binnen acht Tagen unterwerfen, volle Amnestie verspricht, sobald kein gemeines Verbrechen gegen sie vorliegt. Italien. Rom, 18. Jan. Die dem Vatikan ergeben gebliebene Römische Aristo kratie hat em Damen-Parlament constituirt, in welchem die wichtige Frage, ob unter obwaltenden Umständen Bälle und Gesellschaften statlfinden dürften, er örtert wurde. Als Rednerinnen traten tue Marchcsa Patriza, geb. Altieri, die Contessa di Ceri, Signora Rey u. A. auf Den Principe di Ro^cagorga, welcher einen heiteren Ball gegeben hatte, traf bitterer Tadel, denn: „während der Papst weint, darf kein frommer Katholik lachen". Dieser Fürst erhielte übrigens bereits seine Strafe, indem er aus seinem Päpstlichen Hofamt entlassen wurde. Sodann wurde beschlossen, um den Carneval von der Fastenzeit zu unterscheiden, Abendgesellschaften ohne Tanz jevoch mit Musik, sowie auch ei- »en katholischen WohlthätigkeitSmarkt im Palast RoSpigliost zu veranstalten. Für weitere Interessen der katholischen Gesellschaft wurde dann eine weibliche Commission mit weiblichem Ausschuß ernannt. ES heißt, daß dieses in Rom gegebene Beispiel in anderen Städten, wo der UltramontaniSmuS bei der Aristo kratie ebenfalls florirt, Nachahmung finden wird. — Die Kaiserin Eugenie hat dem Papste 50,000 FrcS, gesandt und ihn gebeten, er möge eine Messe für die Seelenruhe ihres verstorbenen Gemahls lesen. England. Die Times bestätigt, daß die englische Regiemng Rußland zu verstehen gegeben hat, daß die Politik der Unthätigreit aufhören würde, sobald irgend welche Territorien, „die dem Beherrscher von Afghanistan gehören", durch eine russische HeereSmacht angegriffen werden sollten. Das Cityblatt schließt seine Betrachtungen über diese Phase: „Anstatt eines unbestimmten, obwol mög lichenfalls unvermeidlichen ConflicteS haben wir einen Coaflict acceptirt, der „unter firirten Bedingungen" sofort emzutreten hätte. Dies ist die einzige Wandlung in unserer Position." Die VermählungSprojecte deS zweiten Lohnes der Königin Viktoria, Prinzen Alfred, deS künftigen Erben deS Herzogs von Coburg Gocha, mit einer russischen Prinzessin werden, wie mau der K. Z aus Wien schreibt, in dortigen diplomatischen Cirkeln durchaus bestätigt. Nur über die Prinzessin selbst ist man nicht ganz "tnig. Nach den Einen gälten die Bewerbungen des Englischen Prinzen und künftigen Deutschen Herzogs der Prinzessin Marte Alerandrowna, Tochter deS Czaren, geborm den 17. Oktober 1853; nach den Anderen wäre dagegen die Prinzessin Wiera, Tochter des Großfürsten Constantin, geboren den 16. Februar 1854, ins Auge gefaßt, obwohl diese letztere Großfürstin bisher als die künftige Gemahlin deS präsumtiven Thronerben ron Württemberg galt. Jeden falls wünscht Prinz Alfred eine Russische Prinzessin zu heirathen, nachdem seine ursprüngliche Absicht, sich eine Prinzessin Coburg-Cohary zu küren (er war zu diesem Zwecke erst kürzlich in Wien und nicht Behufs Werbung um die Tochter deS Exkönigs von Hannover, wie man damals fälschlich berichtete, am Mangel gegenseitigen Gefallens gescheitert war. ES ist außer Zweifel, daS dieser Hei- rathSplan in einem gewissen Zusammenhänge mit der Schuwaloff'schm Mission in London stand. Rußland. Petersburg, 23. Jan. Der Besuch Kaiser Wilhelms am hiesigem Hofe darf für April als feststehend betrachtet werden. Die seitens österreichischer Blätter an diesen Besuch geknüpften politischen Conjecturen bezüglich der gegen Khiwa russischerseitS getroffenen Maßregeln find sicher grundlos. Der Besuch war schon im September in Berlin zugesagtz dann wurde später bei Anwesen heit deS Pnnzen Carl während deS SeorgenfesteS der Zeitpunkt genau festgestellt. Den von Deutschland, Oesterreich und Rußland ihren Armeen al- stehende Bestandtheile eingefügten neuen Eisenbahn-Abtheilunaen, scheint namentlich von Seitm veS letztgenannten GtaatS ein weit über die bisher nur für diese Special- truppen ins Auge gefaßten Zwecke und Aufgaben hinauSragender Wirkung-kret- überwiesen werden zu sollen. ES bleibt daS aus den Uebungen zu schließen, zu denen die russischen Eisenbahn-Abtheilungen, welche schon einm Bestand von zehn Compagnien erreicht haben, nach den darüber verlauteten Nachrichtm bisher vorzugsweise herangezoaen worden find. .ES hat sich nämlich bei diesen Uebungen weit weniger um die Wiederherstellung, resp. die Zerstörung und erforderlichenfalls, um das Eintreten in den Betrieb von schon vorhandmm Bahnen aehandelt, al- um die möglichst beschleunigte Ausführung von sogenannten Prärie-Bahnen, wie bekanntlich eine solche von beinahe 5 Meilen Länge 1870 auch preuftschersettS vor Metz binnen nur 36 Tagen hergestellt wordm ist, und wohl möglich, daß bei diesen Uebungen russischerseitS die centtalasiatischen Verhältnisse vorzugsweise ins Auge gefaßt wordm sind. Ueberhaupt aber sind eS unzweifelhaft die stille» und unleugbar zweckentsprechenden militärischen und maritimen Vorbereitungen, welche Rußland in Cmtralafien theilS schon auSgeführt hat, theilS noch auSzu- führm im Begriff steht, die in England so ernste Besorgnisse erwecken. Ueber daS seit lange projectirte russisch astatische Eisenbahnnetz verlautet zwar noch nichts Bestimmtes, doch bleibt keinesfalls zu bezweifeln, daß Rußland in Aus führung desselben mit dergleichen zähen Energie verfahren wird, durch welche die europäisch-russischen Eisenbahnverbindungen binnen weniger Jahre zu einer so erstaunlichen Entwickelung geführt wordm sind. Offenbar kommt eS in England jetzt darauf an, der gleichen Vervollständigung der russischen VorberettungSmaß- regeln mindestens für Asten ein noch rechtzeitig zwingendes Halt zu qebietm. Wie England diese Absicht ins Werk zu setzen gedenkt, bleibt freilich schwer zu beurtheilen; denn auch in der Ostsee hat sich Rußland so gut vorbereitet, um hinter seinen jetzt schlechterdings unangreifbaren Seebollwerken und gestützt auf eine Flotte von 28 Panzerschiffen, darunter 14 Panzerfregatten und Thurmschiffe ersten Ranges, und 105 Schraubenschiffen, jeder englischen Drohung und nicht minder einem etwaigen englischen Angriff in vollster Ruhe entgegensehen zu können. Königreich Sachfen. Leipzig, 20. Jan. Die mehrtägigen Verhandlungen der Zweiten Kammer über die auS dem ständischen Vereinigungsverfahren hervorgegangenen Propo- stlionen zum Bolksschulgesetz, welche von der Ersten Kammer mit einer an Ein stimmigkeit grenzenden Majorität, gegen nUr drei Stimmen, angenommen worden find, haben bekanntlich in fast allen Punkten derm Verwerfung mit einfacher, meist nur wenige Stimmen betragender Majorität zur Folge gehabt. Gespannt ist man nun auf den weiteren Verlauf der Sache und hier ist eS für die mit den einschlagenden Bestimmungen deS BerfaffungSrechtS nicht genauer bekannten Kreise von Wichtigkeit, den Inhalt der Letzteren kennen zu lemen, um sich ein selbstständig unbefangenes Urtheil über die Rechtsfrage bilden zu können. Die sächsische PerfassungSurkunde enthält fiir dm gegenwärtig vorliegenden Fall in 8. 92 eine ganz positive Bestimmung, die an Klarheit und Bestimmtheit nicht daS Mindeste zu wünschen läßt. Daselbst heißt eS nämlich: „Bleiben auch dann noch (nach dem Bereinigungsverfahren) die Curiatstimmen beider Kammern getheilt, so ist zu der Verwerfung des Gesetzvorschlags erforderlich, daß in einer der beiden Kammern wenigstens zwei Dritttheile der Anwesenden für die Ver werfung gestimmt haben." Eine solche Zweidrittelmajorität haben nun die Gegner des Gesetzentwurfs in der Zweitm Kammer bei keinem einzigen Punkte erlangt. Die Regierung ist daher im Rechte und handelt im Einklang mit dem Wortlaute der Verfassung, wenn sie das Schulgesetz so, wie eS aus dem Ver einigungsverfahren, hervorgeqangen ist, zum Erlaß bringt. Ob sie dazu ver- schreiten wird, werden die nächsten Tage lehren. Deffentliche Gerichtsverhandlung Eibenstock, 21. Januar. Der im hiesige» König!. Bezirksgerichte am heutigen Tage unter Zuziehung von Schöffen zur Verhandlung gekommene Fall gewährte in mehrfacher Beziehung nicht uninteressante Momente. Der Hand arbeiter und beurlaubte Soldat Carl Gustav Werner aus Oberstützen grün, 22 Jahre alt und zur Zeit noch unbestraft, erschien unter der Anklage schweren Diebstahls. Welches Maß edler Dreistigkeit zuweilen der Erstlings versuch auf der Pahn deS Verbrechens bedingt, und wie groß die Schwierig keiten sein können, die sich hierbei der Ausführuna entgegenstellen, lehrt die kurze Darlegung deS objektiven ThatbestandS der vorliegenden Sache. In den Abend stunden (8—10 Uhr) deS 8. December v. I. wurde dem Gutsbesitzer Carl Hermann Meichsner in Oberstützengrün aus einer in der Bodenkammer deS Wohngebäudes stehenden verschlossenen Lade ein Geldbetrag in der Höhe von mindestens 17 Thaler in verschiedenen Münzsorten entwendet. Die Ausführung deS Diebstahls ließ eine genaue Kenntniß der Oertlichkeir voraussehen; denn der Schlaumeier-Dieb kroch durch ein Loch deS BreterverschlagS in daS Schup pengebäude, gelangte durch offene Thüren in die Scheunenpanse, stieg im Weitern eine Treppe empor, die in einen zwischen Scheune und Wohngebäude einge bauten Gang auSmündete und bewältigte hier das erste Hinderniß seines wet tern Vordringens, indem er den Haspen einer von innen verriegelten Thüre aus dem Gewände drückte, um in die Strohkammer zu kommen. Wiederum offene Tbüren führten ihn. zu einem zweiten Gange und von da aus endlich in die fragliche Bodenkammer. Angezündete Streichhölzchen brachten Licht in die Situation, und mittelst eines vorgefundmen KleiderschrankschlüffelS öffnete ver Jndustrieritter die Lade, um nach beendigter Caffenrevision auf demselben Wege, den er gekommen, das Weite zu suchen. Von dec Annerion einiger alten Münzen hatte er klüglich abgesehen. Wesentliche Verdachtsmomente führten zur Verhaftung deS obengenannten Werner, der denn auch schon in der Verhand lung wie auch im Laufe der Hauptverhandlung umfassende-Geständniß ablegte, welches durch dm vorgeladenm Zeugen Meichsner allenthalben seine Bestätigung and. Jnculpat, der nebenbei zugab, dm Ott der Aufbewahrung deS Gelde- chon vorher gekannt zu haben, führte zu seiner Entschuldigung an, daß er nur n der Absicht, sich zu Weihnachten einen neuen Rock zu schaffen, den Entschluß gefaßt habe, dieß auf Unkosten seine- Dienstherrn zu thun, da er selbst zu der Zeit ganz mittellos gewesen sei. Rach Schluß der Beweisaufnahme beantragte die Königl. Staatsanwaltschaft entsprechende Zuchthausstrafe. Die Vertheidi- aung, von Herm Advocat Müller geführt, bezog sich auf die bisherige Unbe scholtenheit de- noch nicht bestraften Jnculpatm, auf die Thalsache de- geleiste ten Ersätze-, hob im Weitem hervor, daß nur ein QualificationSmommt, da- Erbrechen der Thüre, vorhanden sei und bat schließlich um Annahme mildern der Umstände. Der Gerichtshof »rat jedoch dieser Ansicht nicht bet, sonder» verurcheilte dm Angeklagtm zu 1 Jahr 6 Monaten Zuchthml- und zweijährigen Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte.