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nachdem der Jude TagS vorher in der Bastlica mit ungeheurem Gepränge die Taufe erhalten hatte. Der Papst überreichte als Gegengeschenk ein Ebenhol,- Kästchen mit Silber eingelegt, das ein Bild der Madonna, einen eleganten Fächer, ein Gebetbuch und eine damastene Theetlschdecke enthielt. Em neues protestantisches Ketzergericht hat, wie zu erwarten war, im Hannöv rschen stattgefunden. Wie man dem „H. Courier" aus Aurich meldet, ist Rcror Gütermann an»,23. Januar vom Hannoverschen Consistoriu« dahin verurihellt «ordeiw daß der Angeklagte feines Dienstes als Rector der höheren Bürgerschule in EsenS zu entlassen, daß ihm, als Kandidaten der Theologie, die kicooti» cooeioo»u<U zu entziehen sei, daß ferner das Urtheil einstweilige SuSp nston vom Amte mit sich führe, da? indessen mit Rücklicht auf den von dem Angeklagten geführten bürgerlich unbescholtenen Lebenswandel höheren OrtS die Bewilligung einer Pension beantragt werden solle. Hauptgegenftand der Anklage war seine Tätigkeit als Leiter deS Protestantenvereins in Seriem. Insbesondere wurde ihm vorgeworfen, er habe bei seinem Unterricht verschiedene alttestamentliche Erzählungen mit Sagen der klassischen Vorzeit verglichen. Ferner habe er auch die leibliche Himmelfahrt Christi bestritten. Nur der Geist deS großen Gründers unserer Religion sei in die H imath deS Lichts zurückgekehrt nicht sein Körper, der den ewigen Naturgesetzen unterlegen sei. Die Vertheidig- ung durch Berufung auf Schleiermacher wurde auch hier für unkräftig erklärt. Stuttgart, 2ä. Jan. In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer wurde von 14 Abgeordneten, unter welchen sich die Abgeordneten Hölder. Sar- »cy, Varnbühler und Rümelin befinden, der Antrag eingebracht, eS wolle die Kammer der StaatSregierunq gegenüber ihre Befriedigung über die kürzlichen Mittbeilungen des Justiz Ministers von Mittnacht betreffs der weiteren Ent wickelung der Reichsgesetzgebung, sowie die Erwartung aussprechen, daß 1) die StaatSregierung im Bunvcsralhe für die Ausdehnung der verfassungsmäßigen Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung auf das Gebiet deS Privatrechts unter Be seitigung der bisherigen Beschränkungen sowie für Herstellung eines allgemeinen Deutschen Civil-Gesehbuchö unter Beachiung der auf Gebieten desselben für eine eigenartige Rechtsbildung wünschenSwerchen Freiheit thätig sei, daß die selbe 2) für die Errichtung eines ReichSgerichtShofeS als der obersten Instanz zur Erhaltung einer einheitlichen Rechtssprechung einlrete, endlich 3) daß die selbe bei Entwerfung der neuen Strafplvzeßordnung für das Deutsche Reich auf Erhaltung der Schwurgerichte hinwirke. In parlamentarischen Kreisen er wartet man, daß nuc die Katholiken und Particularisten gegen den Anttag stim men und daß derselbe etwa 66 von 90 Stimmen erhalten wird. Oesterreich. Wien, 27. Jan. In Börsenkreisen erregt daS politische Einschreiten ge gen den Centtalbauverein Aufsehen. Drei Direktoren, Marquis VaSquez-PinoS, Daub'ebSky und Bottstieber, ehemaliger Hol,Händler, bereits seit drei Tagen polizeilich überwacht, wurden gestern Nachmittag bei der Nachhausekunft festge nommen. Gleichzeitig wurde eine Hausdurchsuchung vorgenommen. Die Bücher wurden bereits Donnerstag vom Handelsgericht an das Strafgericht zur Ein leitung der Amtshandlung übergeben. In der Berechnung deS Actien-CapitalS findet sich große Unregelmäßigkeit, bis zur Summenhöhe von 1,600,000 'Ous-v den. In Büchern große Radirungen. Wien, 24. Jan. Die französische „Generalcorrespondenz" will VW verlässiger Seite erfahren haben, daß Kaiser Wilhelm seinen Besuch zur W ausstellung in Wien für die erste Hälfte deS Monat Juni angekündig^M Der deutsche Kaiser reise gegen Ende Mai nach Petersburg und von dort diE^ nach Wien, wo er gleichzeitig mit dem Kaiser von Rußland, vielleicht in dessen Gesellschaft, eintrifft. Der Prinz von Wales wohnt wahrscheinlich der feier lichen Ausstellungseröffnung in der Eigenschaft als Vertreter einer englischen AuSstellungöcommisfion bei. Das Eintreffen deS Schahs von Persien ist gleich falls sicher und soll schon im Mai seine Reise nach Europa antreten. Frankreich. Die Spener'sche Zeitung erfährt, daß ThierS den französischen Botschafter in St. Petersburg, General Leflü, aus dem Grunde nach Paris berufen hat, um ihm mündlich neue Instructionen über seine Haltung in den jetzigen englisch indischen Verwicklungen zu ertheilcn. Die Nachricht gewinne dadurch an Be deutung, da der officiöse Bien Public die Pariser Reift Leflö'S noch vor wenigen Tagen mit aller Bestimmtheit dementirt hatte. Augenscheinlich erblicke ThierS in der jetzigen central-asiatischen „Verwicklung" eine Möglichkeit, Frankreich aus seiner bisherigen politischen Jsolirtheit heraus,ureißen. Tie beschlennigte Befreiung deS französischen Gebietes von der deutschen Occupation bildet seit einigen Tagen wieder einest der Hauptgegenstände der Besprechung in den französischen Blättern, und daß dieser Umstand nicht ohne alle B dculung, geht daraus hervor, daß sich auch vaS officiöle „Bien Publik" mit dem Stoffe befaßt. So läßt sich das Thlersche Organ neuerdings dahin aus, daß man bei der Erörterung dieser Frage vor Allem „die Sache selbst^ i»'S Auge zu fassen habe. „Welche Pflicht hat die Regierung?" fragt daS „B en Public" und antwortet: das Land so bald wie möglich zu befreien, die Vermittler zu vermeiden, wenn sie eS könne, um nicht Opfer bringen zu müssen, die finanziellen oder Geldkrisen zu verhindern. Dieses sei die Pflicht; waS die Ausführung anbelange, so müsse die Regierung, welche keine der zu erfül lenden B dingungen aus dem Auge verlieren oürfe, alle Anstrengungen machen, und werde sie machen, damit Frankreich so bald wie möglich und unter der besten Bedingung sich selber zurückgegeben werde. — DaS spricht denn freilich dafür, daß sich Hr. ThierS emsig mit dem Gedanken beschäftigt, die Deutschen vor der festgesetzten Frist los zu werden, und zwar durch Baarzahlung der letzten Milliarde der Kriegsentschädigung. Unter der Ueberichrift „Eine historische Parallele mit Monte Christo" veröffentlichen die „Time-" aus der Feder eines verurtheilten Communisten eine abenteuerliche Erzählung, wie sechs communistische Gefangene aus der Festung Pott LouiS an der Küste der Bretagne entwichen. Die Ge fangenen brachten eS durch unaufhörliche Arbeit während dreier Monate fertig, einen dreizehn Fuß tiefen Schacht auS»utiefen, und dann einen Tunnel zu gra ben. durch welchen sie, nachdem sie di« Zeit der Fluth ermittelt, während der Ebbe nach den nahe gelegenen Felsen krochen, und von dort entkomm ste glück lich nach England. Dreihundert Gefangme befandm sich in der Festung und, wußten was vorging, aber Keiner verrteih das Geheimniß. — Die Schild^ wachen, welche die Flucht der drei Communisten aus dem Versailler Gefängniß erleichtert hab», find verhaftet worden und kommm vor das Kriegsgericht. Versailles, 23. Jan. Herr ThierS empfing gestern die Mitglieder jenes PetttionSauSschuffeS, welche» die Beschwerde deS Prinz» Napoleon über feine Ausweisung zugetheilt worden ist. Der Präsident richtete an diese Ab- geordnetm eine Ansprache, in welcher er den Vorgang auseinandersetzte und zu» Schluffe sagte: „Allerdings besteht kein AuSweisungSgesetz, aber wir hab» die zweimal von der Kammer feierlich ausgesprochene Absetzung der napoleonisch» Dynastie und man vergesse nicht, daß der Prinz Napoleon der erste Erbe in der Seitenlinie ist. Eine solche gesetzlich besiegelte Absetzung bedeutet offenbar, daß der Bettoffene nicht mehr im Lande weilen darf; sonst brauchte er etwa nur aus den Tuilerim oder dem PalaiS Royal nach dem Grand Holst überzustedeln, um seine staatSgefährlichen Umtriebe fortfttzen zu können. Für die Prinzen von Orleans ist eine Ausnahme durch besonderen Kammerbeschluß gemacht worden und für den Grafen Chambord konnte die Verjährung angerufen werden. ES wäre nicht abzusehen, warum, wenn man den Prinzen Napoleon zuließ, nicht Napoleon III. selber hätte nach Frankreich gehen dürfen, und gewiß hätten we der Sie noch wir solches gestattet. Wie wollten Sie jetzt den kaiserlichen Prin zen, oder, wie seine Anhänger sagen, Napoleon I V. von Frankreich fern halten, wenn man seinem Vetter dm Zutritt gestattetes Die Absetzung wurde immer in diesem Sinne interpretirt und der Prinz Napoleon sagte selber im Senat, daß er Prätendenten, welche dm französischen Boden beträten, ohne Bedenk» würde füfiliren lassen. Unter der Restauration galten die Bonaparte für vogel frei und unter Ludwig Philipp verfuhr man ebenso gegen die Bourbonen, ja, noch damals mußten der König Jerome und die Prinzessin Mathilde, sowie der Prinz Napoleon eigens um Pässe bitten, damit sie durch Frankreich reisen konn ten. DaS geschah unter dem Minister Duchatel und schon damals war der Pr nz ein unruhiger und sehr geschäftiger junger Mann. Jetzt nun gar find die Prinzen Bonaparte keine gewöhnlichen Staatsbürger, sondern solche, »ie unzwei felhaft einem Ausnahmegesetz verfallen. Die Sache ist für mich eine Staats angelegenheit und darum bitte ich, mich als verantwortlich zu betrachten." Die Commission wird demnächst entscheiden, in welchem Sinne der Bericht deS Herrn Lepeyre abgefaßt werden soll. Italien. Rom, 22. Jan. Auch hier fängt die Auswanderung an, besorgnißerregende Dimensionen anzunehmen und Vie ernste Aufmerksamkeit der Regierung in Anspruch zu nehmen. Die „Gazette uffiziale" veröffentlicht ein Rundschreiben deS Ministers des Innern an die königlichen Präfekten, in welchem er ihnen empfiehlt, zur Verhinderung der unerlaubten und zur Beschränkung der erlaubten Auswanderung bestimmte und strenge Anweisungen zu geben. Dieses Run schreiben, sagt der Minister ist von der Noihwendigkeit dicttrt worden, der elenden Spekulation ei« Ziel zu setzen, welche die AuSwanderungSagenten aus schmutziger Gewinnsucht betreiben, indem ste von Provinz ,u Provinz ziehen und durch schwindelhafte Vorstellungen von großem und leichtem Verdienste, namentlich in den südamert- kanischen Staaten, die unwissenden und arm» Bauern bereden, ihre GeburtS- stätte zu verlassen. England. London, 28. Januar. Die von einigen Blättern behauptete vollständige Eintracht der Bonapartistischen Partei ist der „Morningpost" zufolge nicht vor handen. Die Partei hat stch vielmehr in zwei Theile gespalten, von denen die eine stch um die verwittwete Kaiserin, die andere um den Prinzen Napoleon aruppirt. Nach der „Momingpost" würde der Letztere stch genau innerhalb der Mrzlia, bereits gemeldeten Linie halten und nichts weiter beanspruchen als dir Werkmnung und Ausübung seines Franzöfischen Bürgerrechts; in Folge dessen W«e aber auch jede Verständigung zwischen ihm und der Kaiserin Eugenie Wd deren politischen Freunden unmöglich. Ueber den Untergang deS Schiffes Northfleet vernimmt man folgende De tails- ES war gegen 10 Uhr, als alle (412) Passagiere fick zur Ruhe begebe» hatten und nur die Wachmannschaft stch noch auf dem Deck befand. Gerade als die Schiffsglocke die halbe Stunde nach 10 Uhr anschlug, bemerkte die Wache einen großen seewärts steuernden Dampfer, dir direkt auf ste zukam. Er schien mit voller Kraft zu fahren, und daS Geschrei der Wache, welche ihm zurief, seinen CourS zu ändern, machte Capitän KnowleS aufmerksam, »er ge rade einen Augenblick zuvor auf dem Hinterdeck erschien, ehe der Dampfer ge gen die Breitseite der „Northfleet" rannte, die er etwa in der Mitte traf und eine offene Bresche unter der Wasserlinie machte, wobei die mächtigen Balke» deS HauptdeckS thatsächlich zersplitterten. Der Stoß war fürchterlich, und ei ner der seltsamsten Umstände der Katastrophe ist, daß der Dampfer sich sofort von dem Schiffe klar machte, weiter fuhr und, ehe noch viele der erschrockenen Passagiere auf Deck gekommen waren, schon außer Sicht war. Die meisten Passagier« waren durch den Stoß aus dem Schlafe geweckt worden und eS ent stand eine fürchterliche Panik. Capitän KuowleS ließ sogleich Raketen steigen und andere Nothstgnale geben und die Boote in'S Wasser bringen, wobei er die strengsten Befehle gab, daß die Weiber und Kinder zuerst in Sicherheit gebracht werden sollten. Er fand aber wenig Gehör. Ein Augenzeuge erzähl«: „Nur vier von de» neunzig Weibern gelangten in die Boote, und eS war zum Theil ihre eigene Schuld, denn ste rannten wie toll umher und suchten nach ihren Männern und Kindern. Aber, um die Wabrheit zu saaen, kümmerte sich, au ßer dem Capitän und dem Bootsmann, Niemand viel um sie, und starke Männer schoben sie bei Seite, um selbst in die Boote zu kommen. Der BootS- ma m tobte und fluchte, aber eS half nicht viel. „Ich hacke dem nächsten Manne, der in'S Boot kommt, die Hand ab", schrie er, aber ehe er noch aus gesprochen, war schon ein halbes Dutzend Leute im Boote, die wohl dachten: lieber eine Hand d'ran wag», als ertrinken. Dann kam der Capitän mit ei ner Pistole. „Zurück, wen» Ihr Männer seid, und laßt die Frauen heran!" schrie er, aber Männer oder nicht, ste fragten nach Niemanden in der allge meinen Verwirrung und drängten voran, auf die Gefahr hin, das Boot sink» zu machen und obendrein zu ersaufen. „Bei Gott! Ich erschieße de» nächste« Mann, der in'S Boot steigt!" rief der Capilä«, und er hielt Wort, indem er einen Mann in den Schenkel schoß, der seinen Platz t« Boote behielt. In dessen beruhigten ste stch doch ein wenig." Inzwischen hatte nan die Pumpe» in Bewegung gesetzt, aber mit wmig oder gar keinem Erfolge, da daS Wasser durch das Loch, welches der Stoß gemacht hatte, hereinstromte. Die Ueber- lebenden beschreiben die Scene als entsetzlich; Kinder schrieen nach ihren Elte» und Elte» nach ihr» Lindem; Männer und Krauen suchten einander verge bens. Viele Passagiere waren in ihr» Nachtkleidern oder hatten nur eben auf- gerafft, was fie m der Eile ergreif» konnten. Der Schrecken wurde noch ver mehrt durch die Finsterniß der Nacht. Die Krau des CapitänS war mit an deren Frauen unter dem Schutze des LootSMnqG t« das Langboot gebracht Word», aber da da- Takel zu schnell loSgelassm jpurd«, ward das Boot ein- aestoßen. Um diese Zeit war der Schleppdampfer Lity of London, der die Nothstgnale bemerkt hatte, herangekomm», und «S gelang, fast sümmtlich« Per son», die i» dem Boote gewesen, §u retten, so wie einige Andere von dm Passa gier» und der Schiff-Mumschaft, iru Saxzen 34. Ler Dampfer kreuzte a» der