Texte der Gesänge. —«— 2. Penelopes Trauer. Hellstrahlender Tag, O warum erweckt mich dein heiliges Licht Aus sanftbetäubendem Schlummer? Ach, wie beschieden die Götter Doch mir vor allen Weibern unsägliche Not Und stets sich häufende Trübsal! Zuerst verlor ich den herrlichen Gatten, Ruhmlos, den tapfern, löwenbeherzten, Der hoch aufragte vor allen Achäern! Und jetzt auch rafften den Sohn, Den geliebten, die Stürme dahin, Und nichts erfuhr ich, da er Mich verließ, den Vater zu suchen! Um ihn erzittert das Herz mir; Ich bange, daß ihm ein Unfall irgend begegne! Du Hort meines Lebens, mein Augenlicht! Du einzig im Leid mir gebliebener Trost! „Hellstrahlender Tag“. m. Bruch. O, Atrytone! Tochter des Allbeherrschers Kronion! Hat Odysseus dir je Reichliche Opfer verbrannt im Palast: O, so gedenke nun des! Rette mir den trautesten Sohn Vor den trotzigen Freiern daheim, Vor den dräuenden Stürmen draußen! O, so gedenke nun des, Atrytone, rett' mir, rett' mir den trautesten Sohn! Und du, Helios, Bringer des Lichts, Sieht dein alles erschauendes Auge Noch lebend Odysseus, den duldenden Helden: O, so beschirm’ ihn mit gnädiger Hand! Gib ihn der trauernden Gattin wieder, Gib ihn zurück dem trauernden Land! F. Rückert. Der Frost hat mir bereifet des Hauses Dach; Doch warm ist’s mir geblieben im Wohngemach. Der Winter hat die Scheitel mir weiß gedeckt; Doch fließt das Blut, das rote, durchs Herzgemach. Der Jugendflor der Wangen, die Rosen sind gegangen, All’ gegangen einander nach. Wo sind sie hingegangen? Ins Herz hinab. Da blüh’n sie nach Verlangen, wie vor so nach. F. Schubert. Sind alle Freudenströme der Welt versiegt? Noch fließt mir durch den Busen ein stiller Bach. Sind alle Nachtigallen der Flur verstummt? Noch ist bei mir im Stillen hier eine wach. Sie singet: „Herr des Hauses! verschleuß dein Tor, Daß nicht die Welt, die kalte, dring' ins Gemach. Schleuß aus den rauhen Odem der Wirklichkeit, ! Und nur dem Duft der Träume gib Dach und Fach. 4. a) Greisengesang. Goethe. Durch Feld und Wald zu schweifen, Mein Liedchen wegzupfeifen, So geht’s von Ort zu Ort! Und nach dem Takte reget, Und nach dem Mass beweget Sich alles an mir fort. b) Der Musensohn. Ich kann sie kaum erwarten, Die erste Blum’ im Garten, Die erste Blüt’ am Baum. Sie grüssen meine Lieder, Und kommt der Winter wieder, Sing’ ich noch jenen Traum. F. Schubert. Ich sing' ihn in der Weite Auf Eises Läng’ und Breite, Da blüht der Winter schön! Auch diese Blüte schwindet, Und neue Freude findet Sich auf bebauten Höh'n. Denn wie ich bei der Linde Das junge Völkchen finde, Sogleich erreg’ ich sie. Der stumpfe Bursche bläht sich, Das steife Mädchen dreht sich Nach meiner Melodie. Ihr gebt den Sohlen Flügel Und treibt durch Tal und Hügel Den Liebling weit von Haus. Ihr lieben, holden Musen, Wann ruh' ich ihr am Busen Auch endlich wieder aus?