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müssig fei«, damit sie der Zukunft mit Ruhe ins Auge sehen könne«. Mit dem geMgelten Worte des österreichischen Premiers Andraffy, das er vor we nigen Monaten im österreichischen ReichSrath ausstwachr „Wenn der Friede noch fünf Jahre anhält, ist überhaupt eine Kriegsgefahr für die nächste Zeit überwund«" geht eine Prophezeiung Moltke'S Hand in Hand. Der preu ßische Generalstabschef sagte im Jahre 1868: „Europa hat noch zwei Kriege M bestehen." Zur Hälfte ist die Moltke'sche Prophezeihung im Jahre 1870 bereits in Erfüllung gegangen, denn der deutsch-französische Krieg liegt hinter uns. Den zweit«, dm Krieg im Oriente, erleben wir vielleicht — bevor fünf Jahre vergehen. Deutschland. Berlin. Zeilher haben sich nur Vereine und die Presse unserer Gemeinde- schullchrer angenommen und energisch die Beseitigung des RothstandeS gefordert, unter welchem die Freudigkeit an ihrem Beruf bei diesen „eigentlichen Siegern von Köniagrätz" erlahmen muß. Auch auf dem Theater ist die Vernachlässigung der Volksschullehrer in schärfster Weise gegeißelt worden. Reu dürfte eS aber sein, vaß jetzt auch von der Kanzel herab das Thema von der ungenügenden Besoldung der Lehrer behandelt wird. Welche Höhe muß die materielle Noth unter den hiesigen Gemeindelehrern wohl erreicht haben, wenn ein Prediger eS für nöthig erachtet, derselben an geweihter Stätte zu erwähnen. In einer hiesigen Kirche ertönte nämlich am jüngsten Sonntage von der Kanzel herab jene Klage in ungefähr folgenden Worten: „Die Unftttlichkeit und Lieblosigkeit nimmt in unserm Orte überhand, und dies kann gar nichts anders sein! In unverant wortlicher Weise läßt man in unserer Stadt die Lehrer, deren Beruf eS ist, ein gesittetes Geschlecht zu erzi hen, in materieller Noth und raubt ihnen dadurch die zu einer gesegneten Wirksamkeit nöthige Freudigkeit und Kraft. Kein Amt aber bedarf der Berufsfreudigkeit mehr, als daS deS Lehrers, und woher soll diese kommen, wenn das Lehrerherz mit der bittersten Roth und größten Entbeh rung ringen muß." — Dem betreffenden Prediger, dessen Namen und Kirche wir hier nicht näher bezeichn« wollen, um dem toleranten Manne nicht etwa das Ketzergericht auf den Hals zu Hetzen, darf man wohl zutrauen, daß ihm die berührten Verhältnisse genau bekannt find, da er gleichzeitig daS Amt eines LoealschultnspectorS bekleidet. Berlin, 21. Jan. Außer dem Etat werden für den nächsten Reichs tag das Heeres Organisationsgesetz, daS Münz- und daS Bankgesetz, so wie, »ach früherer Mittheilung, auch daS Preßgesetz die hauptsächlichsten Vorlagen bilden. DaS Reorganisationögesetz der Armee ist noch nicht ganz zum Abschluß gelangt. Man spricht davon, daß die baiersche Regierung, welcher der Ent wurf zur Begutachtung zugegangen ist, bereits in einigen Punkten Modifikationen gewünscht hat, welche auch von anderer Seite aus befürwortet worden sind. Der preußische Hof wird also doch Trauer für LouiS Napoleon anlegen. ES ist mit der Publikation, so schreibt man der „Elb. Z." von hier, gewartet worden, bis die Höfe von Petersburg, Wien, London rc. mit dem üblichen Cer- «oni.ll vorgingen.Z Auch wollte man hier die Abhaltung des OrdenSfesteS, die militärische Feier in Potsdam rc. nicht durch die Anlegung der Trauer stören lassen. In der Umgebung deS HofeS versichert man allerdings, darüber un terrichtet zu sein, daß die Trauer für den dritt« Bonaparte nichts weniger als vopulär set. Aber man habe ihn auf WilhelmShöhe mit allen Ehren eines Monarchen umgeben und weil er ein Glied der europäischen Fürstenfamilie «ar, so müßten ihm nach der Etiquette der Höfe bei seinem Tode die konventionellen Ehrenbezeugungen erwiesen werden. Frankreich. Versailles, 22. Jan. Die wegen Meuchelmordes und Brandstiftung während der Herrschaft der Commune zum Tove verurtheilten Mitglieder der Commune Benouillat, Decamp und Benot sind heute Morgen in der Ebene von Satory erschossen worden; bei zehn anderen, zu gleicher Strafe Berurtheil- ren wurde die Todesstrafe in entsprechendes Gefängniß umgewandelt. In Saorge, einem französischen Dorfe an der italienischen Gränze, find in Folge deS anhaltenden Regens 58 Häuser zusammengestürzt. Die 340 Be wohner derselben hatten glücklicher Weise die Gefahr vorhergesehen und die Wohnung« zeitig verlassen. Italien. In Italien find nicht nur die klerikalen, sondem auch die Demokraten Md Republikaner gegen die Errichtung eines Denkmals für Napoleon; der politisch-demokratische Verein in Mailand speciell hat folgenden Protest erlassen: Der Verein gedenkt in ewiger Liebe uud Dankbarkeit deS alliirten Frankreichs, welches zur politischen Erlösung Italiens so mächtig beigetragen hat; aber er protestirt gegen den Vorschlag, Napoleon Hl. in Mailand ein Denkmal zu setzen, weil er darin eine Beleidigung der Französischen Republik und eine den Interessen deS Landes in seinen diplomatischen Beziehungen zu andern Nationen nachtheilige Kundgebung erblickt. Ferner erkennt er darin eine Beleidigung deS Grundsatzes der Nauonaleinheit mit der Hauptstadt Rom, welchen Napoleon l l in allen Staatsakten, namentlich aber m der Septemberconvention diplomatisch, bei Men tana aber mit Waffengewalt bekämpft hat. Und enrlich steht er darin eine direkte Herausforderung der demokratischen Partei und einen Stachel zu neuem Partei hasse, den man tin Angesichte eines Grabes, worauf die Geschichte allein die letzte Grabschrift zu setzen daS Recht hat, dem Baterlande zu Liebe ruhen lassen sollte. Genua, 12. Jan. In dem 3254 Meter langen Tunnel zwischen den Stationen Busalla und Pontedecino (Linie Alerandria Genua) ist vorgestern um halb 12 Uhr, kurz vor dem Eintreffen deS Schnellzuges in Busalla, ein bedeutender Theil deS Gewölbes eingefallen, ohne daß jedoch Jemand dabet ums L den gekommen wäre. In Jolge deS langdauernden Regens hatte daS Gewölbe allerdings schon an mehreren Punkten gelitten und ein bevorstehender Einsturz war daher vorauSzusehen, dessenungeachtet aber pasfirten sämmtliche Züge. Ein aus Genua kommender Lastzug bemerkte nun bei der Durchfahrt deS Tunnels, daß auf einer Seite das Gewölbe schon thellweife eingestürzt war Md weiterer Einsturz drohe, konnte jedoch ohne wettere« Unglück passtren und avistrte dem in Busalla stehenden, mit Reisenden vollgepfropft« und ebm »ur Einfahrt in dm Tunnel bereiten Schnellzug, daß die Passage unmöglich fei. Bon der Station wurden sofort Sachverständige und Arbeiter in die Gallerte hineingesandt, welche nach Verlauf von zwei Stund« mit der Nachricht zurück« kam«, daß zu Fuß die Gallerte noch zu passir« set. Etne große Anzahl der Reisend«, welche durchaus in der Nacht noch nach Genua gelang« wollten, wagte sich, begleitet von Fackelträgern, in d« Tunnel hinein. Doch kaum hat ten diese Mukhigcn die Hälfte des WegS zurückgelegt, al« ein dumpfe« Ge töse ein« weitere» Einsturz verkündete. Die Folge davon war «in,: „Nette sich, wer kann", und «ubeschreibltche Lonfusio» Mier Männe«, Frau« Md Kinde«. Rach langem Dauerlauf langten sie athemlo« in Busalla an, wo man nun bi« zum Morgen bleib« mußte, um mit Wagen nach Pontedecemo gelangen zu können. Ein wahre« Wunder ist e« zu nmnen, daß bei diese« Einsturz nicht ein Menschenleben zu Gmnde ging. Der eingestürzte Theil soll eine Länge von circa 1000 Fuß betragen. Rach einer andern Version soll der Schnellzug bereits in die Galerie etngefahren sein und stieß auf die -ingestürzte Masse, ohne jedoch Schad« zu nehmen. Die Reisend« wollten die übrige Strecke de« Tunnels zu Fuß zurücklegen, hatten jedoch kaum hundert Schritte gemacht, al« vor ihn« ein neuer Einsturz erfolgte. Sie kehrt« von Schreck erfüllt zum Zuge zurück, welcher langsam sie nach der Station zurückführte. Der Personen- und Wageuverkehr wird daher fiir längere Zeit -wisch« Genua und Alerandria unterbrochen fein, wa« besonders für den Handel von unbe« r chenbarem Schaden sein wird, wenn man bedenkt, daß von Genua allein täg lich zwischen 30 und 40 Güterzüge abgeh«, und. in Pontedecimo weder Karre» noch Pferde vorhanden sind, um den Transport nach Busalla per Are bewerk stelligen zu können. Außerdem befinden sich im Hafen viele Getreideschiffe, deren Ladungen größtentheils für Oberitalien bestimmt find. Diese Schiffe wollen nun auSladen, können eS aber nicht, da die Eisenbahn die Weiterbeför derung nicht übernimmt, und es in Genua auch gänzlich an Magazinen fehlt, wo man das Getreide provisorisch unterbrtn.;« könnte. Auch für den Stein- kohlmtränSport ist diese Unterbrechung höchst unliebsam. Schweiz. Freiburg. Daß die Schildbürgerei in der Welt und auch in unserer Republik noch keineswegs auSgestorben ist, und im Jahrhundert der Unfehlbar keit noch recht schöne Blüthen treibt, davon liefert ein dem „ConfSderb" mit- getheilteS Reglement für kirchliche Dienstverrichtungen, von dem wohlweise» Kirchenrath der Gemeinde St. Aubin berathen und beschlossen, einen vollqiltige« Beweis. Ueber daS Geläute der Gemeinde wird verfügt, wie folgt: Todesfälle. Für den Herrn Pfarrer 9 Anschläge, für den Herrn Gemeindepräsident« 8, für die Mitglieder der Kirchenpflege 6, für die Gemeinderäthe 5,' für einen Bürger 3, für einen CantonSbürger ein Anschlag. Fremden wird gar nicht ge läutet. Die große Glocke soll nur für dm Pfarrer, den Präsidenten und die Gemeinderäthe geläutet werden. Nichtbürger und Fremde haben für das „kleine" Geläute 3—5 Francs zu zahlen. Taufen. Für die Buben wird die mittlere, für die Mädchen die kleine Glocke geläutet. Kosten 3—5 Francs. Nichtbürger und Fremde können dieses Geläute unter keinen Umständen erhalt«. England. London, 20. Jan. Heute vertheilte der Gewerkverein die erste Summe an die Mitglieder, die in Süd Wales gegenwärtig feiern. Jeder Mann erhält wöchentlich 10 Sh. und für jedes Kind eine Zulage von je 1 Sh. Da dit Arbeiter bereits vierzehn Tage feie«, so erhielten ste die doppelte Summe. Der Gewerkverein hat auf diese Weise 7500 8. oder 50,000 Thlr. vertheilt. Hätten die Arbeiter währenv dieser Zeit nicht gefeiert, so würden statt dessen ungefähr 100,000 L. unter ihn« im Umlauf sein. Auf einer Versammlung von 700 Arbeitern in Montmouthshire wurde abgestimmt, ob die Arbeit sofort ausge nommen oder noch ferner ruh« solle. 368 erklärten sich für die sofortige Auf nahme der Arbeit. London, 22. Jan. Die Beschlüsse deS Napoleonischen FamilienratheS in ChiSlehurst werden vom „Daily Telegraph" dahin präcistrt, daß die Kaiserin Eugenie und der Prinz Napoleon die Vormünder deS Kaiserlichen Prinzen sind und die Svitze der Napoleonischen Partei r.präsentiren, daß aber keinerlei Ma nifest und keine Proclamation erlassen werden soll. Im Jahre 1872 wurden nicht weniger als 558,000.000 Eier, täglich mehr alö 1,500,000 für 5000 L., nach Großbritannien und Irland eingeführt. Der Verbrauch von Apfelsinen und Citronen nimmt ungemein zu. Im Jahre 1870 wurden für 648,056, im Jahre 1871 für 1,050,' 15 und im vergangenen Jahre für 1,154,417 L. Apfelsinen und Citronen nach England gebracht. Amerika. In den südamerikanischen Republiken fängt man an, vem Schicksal der Insel Cuba große Aufmerksamkeit und Theilnahme zuzuwenden. So fordern die angesehensten Blätter ihre Regierungen auf, den Kampf gegen den geMein- samen Erbfeind, — so nennt man daS spanische Mutterland — moralisch durch offene Aeußerungen der Bewunderung deS HeldenmutheS der Insel und werk- thätig durch Geldsendungen zu unterstützen. In der chilenischen Kammer wurde sogar die Regierung interpellirt, ob sie nichts thun wolle, die Interpellation je doch mit Recht ausweichend beantwortet. DaS Meike auf der westlichen Halb kugel hat bisher Neu Granada für Cuba gethan, indem eS viele Emigranten familien von dort lastlich aufnahm und anstedelte. — Auch in Paraguay ist eine starke antispanische Bewegung im Gange. New-Uork, 21. Jan. Zur Vertreibung der Modoc India aus der von ihnen eingenommenen verschanzt« Stellung find weitere Truppenverstär kungen gefordert worden. Königreich Sachfen. Leipzig, 22. Jan. In der gestrigen Versammlung der Setzer- und Buch- druckergekilfen, welche im Pantheon Abend- von 8 bis 11 Uhr stattfand und die wiederum sehr zahlreich, von etwa 1000 Person« besucht war, wurde der von den Gchilftn-Delegirten vereinbarte Tarif zur Bertheilung gebracht. Eine Debatte über demselben fand nicht statt. Da »ach Erklärung deS Vorsitzenden Abänderung nur durch den Buchdruckertag beschloss« werd« könnten. Nack den von der Versammlung gefaßten Beschluß soll nun der Tarts den Prinzipal« vorgelegt werden und im Fall diese, wie vorauSzusehen, ihn bis zu« nächst« Freitag Abend nicht qnnehmen, soll Seit« der Gehilfen am Sonnabend die Kündigung erfolg«. Zur Kontrolle über die Ausführung diese- Beschlusses re. solle jede Druckerei Vertrauensmänner wählen und diese soll« wieder aus ihrer Mitte etne Kommission von s Mitgliedern erricht«. E» steht also für Ende der nächsten Woche, wie ich bereits in meinem letzt« Berichte andeutete, eine allgemeine Arbeitseinstellung der Setzer Hier bevor. Diejenige der finkend« Gehülfen, welche Leipzig verlass«, erhallen «ine RciseuntyMtzung von 8 Thäle«, den hier verbleibende» wird eine Unterstützung au- der Perband-caffe gewährt. Dieselbe beginnt mit dem Satze von 4 Thlr. 10 NM. pro Woche. Di« Majorität, mit welche» obiger Beschluß durchging, war übrig«- keine bedeutend«. Durch Annahme diese- Beschlusse- siel ein anderer Vorschlag, welcher nur auf eme partiale Arbeitseinstellung, sowie auf Verhandlung« der Prinzipale mit der ob« gedachten, von dm Vertrauensmänner« zu wählend« Kommission auSging. Glaucha«, 21 Jan. Ste kenn« Here«» d-S Ergehniß der ReichStagS- wahl, Interessant ist, zu beobachte«, wie,tn dm verjOtedm« Wahl« Och dz«