Volltext Seite (XML)
' 54 England. London, IZ.Jan. Mit jedem neuen Zuge, der in London vom Festland- ankommt, mehrt sich die Zahl der Vonapartiste», die stch nach EhiS lehrst be- aeben, um dem todtm Kaiser die letzte Ehre zu erweisen. ChiSlehurst ist so »«füllt, daß e» unmöglich ist zu den höchstm Preism nur ein Bett zu be kommen, und Diele, die beabsichtigt hatten, bis nach der Leichenfeier in ChiS- lehurst zu bleiben, habe» stch daher genöthigt gesehen, in London ihren Aufent halt zu nehmen. —* Prinz Napoleon und die Prinzessinnen Clotiloe und Ma thilde, die alle schwarz gekleidet waren, wurden sofort nach ihrer Ankunft in ChiSlehurst von der Kaiserin Eugenie empfangen, Eine Famillenberathung be treffs des Leichenbegängnisses fand statt, in welch« Alles mit Ausnahme des Zeitpunktes, wann die Feierlichkeit stattstnden soll, beschlossen wurde. Die Lei che, welche bis dahin der Operationen halber auf einem kleinen Bette gelegen hatte, sollte, so wurde beschlossen, in Parabe dem Publicum gezeigt werden. — Der Kaiser wurde in die Französische Feldmarschalluniform gekleidet, dieselbe, welche er in dn Schlacht bei Sedan getragen und in welcher « sich zwischen KrenoiS und Donchery dem Fürsten Bismarck ergeben hatte. Die Uniform welche Napoleon seitdem er sie in WilhelmShöhe abgelegt hatte, niemals getra gen, wurde ihm nun von treuen Diener» und alten Freunden, wie Graf Clary, Rouher, Marquis de la Grange angelegt. Der innere Sarg ist von Blei, d« äußere von Mahagoni. Letzterer ist mit weißem Atlas besetzt, mit Purpursam met besetzt und mit silbernen Nägeln und Handgriffen verziert. Auf dem Deckel ist eine kaiserliche Krone, ein großes. silb.rneS Kreuz und befindet sich folgende Inschrift: III., Lmpcreur äes kr»ae»is, lAä t le 20. ^vril 1808, lllort L Oamäen kleee Lbislekurst le 9. lavier 1873. k ^s k " Nachdem der Kaiser in den Sarg gelegt, und dieser in dem Sterbe zimmer — einer Schlafstube im ersten Stockwerke — ausgestellt war, begaben sich die Prinzen Lucian, Jerome, Joachim, Charles und Achille dahin. Als dann besuchte der Prince Imperial — so wird nämlich der Sohn des verstor benen Kaisers in Camden Place angeredet — in Begleitung des Grafen Clary und später die Kaiserin Eugenie allein das Zimm«. Endlich wurden noch der Prinz von Wales und Prinz Christian von Schleswig-Holstein, welche der Kaiserin einen Condolenzbesuch zu machen kamen, aber von ihr mcht empfangen werden konn ten, in das Zimmer, in welchem der Todte lag, geführt. In spät« RachmittagS- stunde gestattete man allen Bewohnern von Camden House den todten Kais« zu sehen. Während deS TageS kamen fortwährend neue Beileidschreiben und Telegramme an, so von der Herzogin von Teck, der Großherzogin vonMecklen- burg-Schwerin, dem König von Italien, dem Kaiser und der Kaiserin von Oesterreich, dem Czar von Rußland, dem Prinzen Humbert u. s. w. Eine große Anzahl deS höhnen und niederen Englische» Adels hat ihre Ramen al- Besucher eingetragen. Viele Bonapartisten, ab« auch Communisten, befinden sich gegenwärtig in ChiSlehurst. Doch hat sich bis auf einen Zwischenfall nichts Störendes ereignet. ES sammelte sich nämlich sp^t am Abend eine Schaar vor der Kaiserlichen Wohnung, und stimmte laut die Marseillaise an. — Am Sonn tag, glaubte man allgemein, werde ein außerordentlicher Gottesdienst in der katholischen St. Marienkirche zu ChiSlehurst stattfinden, und die Kirche war daher gedrückt voll von Fremden. Namentlich waren viele Franzosen da. und von dm Kaiserlichen Gästen befanden stch in der Kirche auf den für sie un mittelbar hinter den Stühlen der Kaiserlichen Familie reservirten Sitzen die Prinzessinnen Clotilde und Mathilde, der Herzog von Bassano, Baron Jerome David, Pietri und die Doctorcn Conneau und Baron Corvisart. Dn Gottes dienst war jedoch höchst einfach und d« Predig« war so gerührt, daß « nur wmige Worte an die Versammelten richten konnte. Auch am Sonntag wurden mehrere Besuche in das Zimmer, wo der Kaiser lag, zugelaffen. D« Raum ist ganz verdunkelt. Mitten in demselben auf Gestellen befindet stch der Sarg. Ler Leichnam liegt in voller Uniform mit Stiefeln und Handschuhen der Schnurr bart und Knebelbart find in der bekannten Weise gewichst, und der Kaiser, aus dessen GestchtSzügen d« Tod manche Kummerfalte, welche namentlich in letzter Zeit stch eingestellt hatte, ganz merkwürdig verwisch' hat, sieht im Tode jünger und beger aus als je während der letzten zehn Jahre. Photographien wurden und wttden ausgenommen und auch eine WachSmaSke ist besorgt worden. Svät am Abmd langte Benedetti in ChiSlehurst an und etwas früher Prinzessin Murat und Gefolge. — Die Arrangements für das Leichenbegängniß sind end- giltig beschlossen. Am Dienstag soll die Leiche in der Gemäldegallerie in Cam- dcn House auf einem Paradebelte ausgestellt sein und am Mittwoch 11 Uhr 30 Minuten soll der Zug stch vom Trauerhause nach der St. Marienkirche in Bewegung setzen. Dort soll die Leiche vorläufig in einem Sarcophage bleiben, bis die im Bau begriffene Todtenkapellr vollendet sein wird. Dort wird die Leiche ihre Ruhestätte haben, so lange die Beisetzung derselben in der Familien gruft der Bonaparte'S noch unentschieden ist. — Die Gemälvehalle, in welcher der Leichnam in Parade ausgestellt sein wird, ist ein hohes geräumiges Zimmer in Gestalt eines langen Parallelogramms. Es war dies ein Lieblingszimmer deS KaisnS, der stundenlang in demselben mit der Kaiserin, seinem Sohne und dem Or. Conneau auf- und abzuqehen pflegte. DaS Licht wird gedämpft wer den, die Wände mit schwarzem Sammt auSgeschlagen und mit dem Buchstaben i>. und der Kaiserkrone verziert sein. Die Polizei hat Erlaubnis Abtheilungen zu 200, die jedoch alle in Trauer gekleidet sein und anständig aussehen müssen, einzulassen. Der AuSgang befindet sich auf der entgegengesetzten Seite. Dien stag Nachts wird der Sarg geschlossen und mit einem purpurfarbnen sammtnen Leichentuche bedeckt werden. Dasselbe ist mit Kaiserlichen Bienen verziert und hat an jedem Ende eine Kaiserliche Krone und ein in Silber gestickt und m der Mitte ein der Länge deS Sarges gleichkommendes silbernes Kreuz. Am Mittwoch wird alsdann das Leichenbegängniß stattfinden. Nur Mitglieder der Kaiserlichen Familie wttden zum Zuge zugelaffen werden, und da diese 150 übersteigen, so können in der überaus kleinen Kirche ebenfalls keine Fremden Zutritt haben. Der Chor der St. Georgs-Cathedrale zu London wird die Ge sänge aufführen. Der Sarg wird in einem von acht Pferden gezogenen Lei chenwagen von dem Trauerhause nach der Kirche gebracht werden. Die Trau- «nde» folgen alle zu Fuß dem Leichenwagen. Zuerst der Kaiserliche Prinz, alSdann die Prinzen Jerome, Charles und Lucian Bonaparte, und die Prinzen Joachim und Achille Murat uns Rouher. Jeder von ihnen wird auf de« Wege vom Leichenwagen zur Capelle eine stlberne an daS Leichentuch befestigte Schnur in der Hand halten. Wagen solle» auf Wunsch der Kaiserin stch nicht ün Zuge befinden. Wenn d« Gesundheitszustand der Kaiserin es erlaubt, wird sie mit den Damen der Familie und Gefolge die Ankunft deS TrauerzugeS in der Kirche erwarte». In dm London« Kirchen wurde fast durchgängig der Tdd Napoleons in den GonntagSpredigten envähnt. ChiSlehurst, IS. Jan. Die Leichenfeierlichkeiten begänne» heute vor mittag u« 11 Uhr, um welch« Zett der Leichmzug das SterbehauS »«ließ, Geg.n 1lj Uhr kam derselbe bei d« St. Marienkirche a». Die Haltung dar Zuschauer, derm Anzahl auf etwa 12,000 geschätzt wird, war durchaus ruhig und angemessen; «S habe» keinerlei Kundgebungm stattgefuxden. Ästen. Aus Kttmanschah in Persien wird der „Bombay Gazette" gemeldet, daß Mitte September in dem nicht weit davon gelegenen Sosngur ein Erdbebt» stattfand, in Folge dessen 1500 Menschen um'S Lebm kamen. Feuilleton. * Wie vr. Hager in der „Pharm. Central-Halle" mittheilt, stad in Berlin mehrere Fälle beobachtet worden, in denen farbige wollene Zeuge, auf der bloßen Haut getragen, auffallende Vergiftungöerschemungen hervorgebracht haben. Aus violettgrauem Bigognegarn gestrickte Strümpfe erzeugten bei« Tragm schon innerhalb 6 Stunden auf d« Haut Röthe mit bleibmdm Pusteln in Ver bindung mit fieberhaften Erscheinungen und Obstruclion. Diese Erscheinungen wiederholten fich auch dann noch, als der Versuch gemacht wurde, die Strümpfe zu tragen, nachdem sie mit kochendem Wasser behandelt waren. Gan, ähnliche Symptome wurden bei dem Tragen eines grau gefärbten wollenen Hemdes auf der bloßen Haut beobachtet, auch tratm dieselben beim Tragen eines wollene» Hemdes mit rothem Saum an den Stellen auf, wo der <Äum an der Haut anlag, und wurde der Träger auch dieses Hemdes ernstlich krank. Nach vr Hager scheinen die Anilmfarben überhaupt giftig auf die Haut zu wirken, .wie dies vom Corallin längst constatirt sei, trotz allem Widerspruch; er räch nun vom Tragen auf bloßem Leibe von solchen Geweben oder Gespinnsten, die mit Anilinfarben imprägnirt find, überhaupt ab, selbst dann, wenn auch einige nicht giftig sein sollten, da dies nur sehr schwierig festzustellen sein möchte. * Wien. Napoleon als Lotterie-Object. DaS Absterben Napoleon'S III. wurde Donnerstag durch die Tagesblätter bekannt. Die Lotterieivieler ließe» dieses Ereigniß natürlich nicht vorübergehen, ohne eS rasch auSzubeuten. Für die vor einigen Tagen stattqehabte Lottoziehung in Wien wurden die Nummern 3 (Napoleon UI.), 65 dessen Alter, 20 sein Geburtstag, 90 als Kaiser und 52 als daS Jahr seiner Thronbesteigung besetzt. Und diesmal hat daS Schick sal den Spielern durch Napoleon einen erklecklichen Gewinn eingebracht. Von dm combinirtcn Nummern wurden in Wien drei, nämlich 3, 20 und 90 gezogen. * Ein Pekher Blatt erzählt folgende Anekdote: Ein Ungarischer Ge lehrter begab sich vor einigen Tagen in die Waitznergaffe zu P.sth und trat daselbst in eine der elegantesten Stoffniederlagen. Hier verlangt er Möbelstoffe. „Mein Herr", sagt er zum Commis, „ich möchte daS Schönste sehen, was Sie an rothen Stossen haben." Der Commis kommt diesem Ansuchen äußerst dienst fertig nach. „Dies« Stoff", bemerkt der Gelehrte, „scheint mir nicht fest und dicht genug. Ich möchte etwas Schwerere-, Kostbareres sehen." Der Commis, bemerkend, daß er eS mit einem Manne zu thun habe, der die ernste Absicht hat, Einkäufe zu machen, giebt zwei in der Nähe stehenden Kollegen ein Zeichen, die sofort mehrere schwere Stücke echten GoldvrocatS auf das Feld d« Action placiren. Der Käufer scheint nicht ganz zufriedm. „Diese goldenen Blumen," sagte er, „entsprechen nicht dem Zwecke, zu dem ich den Stoff benötige. Zeigen Sie mir ungeblumte Stoffe." Der Commis sucht auch diesem Wunsche seines Kunde» zu genügen und schafft die verlangten Stosse herbei. Der Gelehrte tritt um einige Schritte zurück, setzt stch seine Brille zurecht, und nach einige» Augenblicken stummer Betrachtung reibt er fich die Hände und ruft auS: „Herrlich! Wunderbar! Ganz wie ich eS nur dachte!" Alle Commis der Handlung hatten sich genähert und betrachteten mit hohem Interesse jede Be wegung deS Mannes. „Wie viel wünscht derHerr von diesem Stoffe?" fragt der Chef deS Etablissements. Inhaltsschwere Pause . . . „Mein Gott!" ant wortet der Gelehrte, „ich brauche nur ein viereckiges, ungefähr — drei Zoll großes Stück; ich benöthige eS zum Froschfanqe." * (Höflichkeit.) Die Elsässer haben bisweilen über Mangel an höflichen Formen in Erlässen der reichsländischen Behörden geklagt. Ihrer Klage ist wenigstens i» dem neuen Formular der Steuermahnzettel gründlich Abhilfe ge schehen. Dasselbe lautet: Ich benachrichtige Sie, daß Sie an verfallenen Steuern . . . FrcS. . . . CtS. zu entrichten haben, und ersuche Sie, diesen Betrag gefälligst recht bald an mich gelangen zu lassen. Ich würde sehr bedauern, wenn dadurch, daß diese Angelegenheit sich verzögern sollte, ich zu den weiteren gesetzlichen Maßregeln behufs Beitreibung der Rückstände genöthigt würde. Rach der Vorschrift deS Gesetzes könnte ich nicht umhin, solche Maßregeln einzuleiten, wenn Sie läng« als acht Tage mit der Zahlung säumen sollten. Mit Hochachtung u. s. w. Die Höflichkeit iü hier so weit getrieben, daß sie fast wie eine ironische Uebertreibung auf jene Klage klingt. Es fehlt nur noch, daß der Steuer-Ein nehmer vor der Schlußformel hinzusetzte: „oder Sie würden mich nöthigen, de» Betrag für Sie aus meiner Tasche zu erlegen." O öffentliche Gerichtsv erhandlung. E ibenstock, 8. Januar. DaS hiesige König!. Bezirksgericht verhandelte am heutigen Tage unter Zuziehung von Schöffen wider Anna Wilhelmine Böttger aus Markersbach wegen versuchten und vollendeten Betrugs. D« Thatdestand der Anklage umfaßt nachfolgende 3 Fälle. Am 14. Juli v. I. kam Angeklagte zu der Frau des GasthofSbesttzerS Kranke in Raschau und suchte unter dem Vorgeben, sie sei die Dienstmagd des OrtSrichterS in Marke.öbach und von ihrem Dienstherr» einer plötzlich eingelaufenen Zahlung wegen hierher geschickt, 50 Thaler zu erschwindeln. Glücklicherweise bliebS für dteßmal bei« bloßen Versuche. Wagen gewinnt. An demselben Tag« stellte stch Jncu.patin der Frau des Mühlenbesitzers Frommelt zu Mittweida als Schwester des. Fabrik arbeiters Schuster in Markersbach vor und bat, indem sie »«lauten ließ, daß Frommelt'- von ihrem Bruder Heu gekauft hätten, um 3 Thaler Abschlags zahlung, die sie auch erhielt, da die Sache in Betreff deS Heukaufs auf Wirt lichkeit bemhte. Zwei Tage später erperin.entirte Jnculpatin jedoch wiederum erfolglos, indem sie stch vergebens bemühte, bei Erbricht« Nestler in Mittweida angeblich auf den Ramen ihres BaterS 3 Thaler zu „borgen". Die im Laufe der Hauptverhandlung von der Angeklagten gemachten Zugeständnisse wäre» umfassender Art, und die erschienenen Zeugen: Justine Kranke aus Raschau und He« Erbricht« Restler aus Mittweida bestätigten ihre früb« gemachten Aus sagen, die im Wesentlichen mit denen d« Angeklagten übereinstimmend lauteten. Die Abwesenheit der am Erscheinen behinderten dritten Zeugin Julianne From melt aus Mittweida wurde vo« Gerichtshof« nicht als Hinderniß einer Erle digung vorliegenden Falles angesehen; die Hauptverhandlung nahm ihr«» Ba-