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' HßWoO-efchrchte. ^Deutschland. Berlin, 13. Jan. ^Abgeordnetenhaus ist ein Schreiben des Minister- Präsidenten an Präsident Farckenbeck eingegangen, welches mittheilt, daß das WitlassungSgefuch des Ministers .Selchow gestern angenommen und der Ober- präsident Posens, KönigSmarck, zum Nachfolger ernannt worden ist. Berlin. Dim „Frbl." zufolge sind am jüngsten Freitag einem hiesigen größeren Bankhause 'gefälschte 2-Thaler-CouponS der Berlin-PotSdam-Magde- kurzer Eisenbahnactien präsmtirt und angehalten worden. Die Fälschung ist durch Photographie hergestellt und ganz vorzüglich gelungen. DaS Papier der Falsifikate ist aber von anderer Farbe und außerdem fehlt der Trockenstempel gänzlich. Als bemerken-werth sei erwähnt, daß die drei ängehaltenen Coupons dieselbe Nummer tmgen. — Da eS nur dem Praktiker möglich sein wird, diese welthlosen Papiere sofort auf den ersten Blick zu erkennen, so scheint eine Mah nung zur Vorsicht den klemm Geschäftsleuten gegenüber wohl am Orte. Straßburg, 11. Jan. Die Nachricht von dem Hinscheiden deS Ex kaisers Napoleon traf letzten Donnerstag Nachmittag hier ein; st« wurde von der Bevölkerung, wie man sich sowohl an öffentlichen Orten a'S in Privat häusern überzeugt hat, mit mehr Bedauern als Schadenfreude vemommen. Ich Lmn sogar bezeugen, daß Thränen um den Dahingeschiedenen vergossen wurden. Lie ungeheuren Schicksalsschläge, die den ehemaligen Kaiser getroffen, ließen all das Leid und das Böse, das er über sein Land gebracht, Angesichts deS offenen Grabes in den Hintergrund treten, und Mr deS Gutm gedenken, das ihm Frankreich in vieler Beziehung verdankt. Frankreich. Paris, 13. Jan. Die aufrührerische Sprache der bonapartistischen Presse in Paris und in der Provinz wächst. Die Provincial-Blätter enthalten ein Manifest, in welchem Napoleon I V. proclamirt wird. Dies scheint die Regie rung bestimmt zu haben, endlich Maßregeln gegen das tolle Treiben der Impe rialisten zu ergreifen; wenigstens meldet das ofstciöse Bien Public: „Die immer liberale und gemäßigte Regierung zeigt sich sehr duldsam für alles, was dm Charakter einer Ehrenbezeugung für das Andenken an den Souverain haben kann, der, als er vom Throne fiel, das Unglück hatte, Frankreich in den Ab- grund herabzuziehen. Die Duldung darf aber nicht weiter gehen. Währmd der größte Theil der Journale auf diesem Terrain bleiben, gehen die eraltirten weiter und proclamiren Napoleon I V. Wenn den Traditionm zufolge und ungeachtet zweier förmlicher Absetzungsvotums dle Regierung duldete, daß der gestürzte Herrscher Napoleon M genannt wurde, so geschah dieses, weil »ine Volksabstimmung ihm diefm Titel gegeben. Keine Volksabstimmung hat Napoleon ilV. proclamirt, im Gegentheil sprach die Versammlung zwei Mal die Absetzung der kaiserlichen Dynastie aus. ES ist also gewiß, daß die Regierung nichts dulden wird, was eine Negation oder eine Verletzung der bestehenden Ordnung ist, welche von den Repräsentanten der VolkSsouverainetät geheiligt wurde." Bis jetzt haben nur drei Generale, die Marschälle Mac Mahon, Canrobert und General Froffard, die Ermächtigung erhalten, sich nach Chiselhurst zu begeben. Laut Bien Public macht Mac Mahon von dieser Erlaubniß keinen Gebrauch Auf Befehl deS Kriegs Ministers darf übrigens keiner der Officiere, die zur Reise rmch Chiselhurst ermächtig! wurden, beim Leichenbegängniß in Uniform erscheinen. Italien. Rom, 13. Januar. Rach vorliegenden Nachrichten über den Em pfang der Deutschen Katholiken in Rom durch den Papst hielt der Präsident des Deutschen Vereins Waal eine Anrede, in der er den Glückwünschen der katholischen Deutschen RomS, ihrer unerschütterlichen Anhänglichkeit an den Papst und ihrer Zuversicht auf den endlichen Sieg der Kirche Ausdruck gab. Der Papst erwieberte darauf: Mit solchem Muthe und solchem Gottvertrauen kann «an nicht fürchten durch die Gewalt deS Teufels besiegt zu werd.n. Derjenige, der für Euch das Wort führte, sprach mit solcher Kraft und solchem Gottvcr- trauen auf den Sieg, daß auch wir der Hoffnung das Herz öffnen müssen. Er erinnerte sodann an das Evangelium des Tages über die Wiederauffindung Jesus, als er in der Synagoge predigte und fügte dann hinzu: Auch ich un würdiger Statthalter Christi möchte zu den Großen der Welt sagen: „8i m»Ie ne»tus »um, teslimoaiom perllid« 6e m»Io, »i »utem bene, eue me «eüi«?" Wenn ich nur die Wahrheit gesagt habe, warum schlagt Ihr mich, indem Ihr die Orden aufhebt, das Kirchengut usurpirt und das nehmen wollt, was Euch nicht gehört? Aber sie sind unfähig Zeugen zu bringen, daß ich schlecht gesprochen habe. Jesus will, daß die Souveräne und Regierungen der Welt geachtet werden, aber er legte in ihre Hände Degen und Waffen, damit sie ihre Unterthanen und die Religion beschützen. DaS ist der Grund, warum Jesus die Mächtigen bewaffnete und nicht, um die Kirche zu verfolgen. Ob ste solche Beschützer sind, überlasse ich Eurem Urtheile, alle Welt weiß eS, ich werde kein Wort mehr darüber verlieren. Aber noch nicht genug daran, wollen sie nicht allein alles Große in der Kirche, sondem auch in der Moral zerstö ren: Sie wollen den Unterricht in ihren Händen haben und wollen, daß die Jugend in ihrer Art belehrt werde. Jesus sagte aber nicht zu den Souveränen, sondern zu den Dienern der Kirche: !te äoccte, omae» geotes. Die Kirche bat ein geheiligtes Recht auf den Unterricht. Der Papst ertheilte zuletzt der Deputation feinen Segen und ermuthigte sie, standhaft und beständig im Glau ben zu beharren. Rom, 14. Januar. Auf Befehl deS KriegSministerS begab sich, dem amtlichen Blatte zufolge, General Piola Caselly in Begleitung dreier Officiere nach Chislehurst, um die italienische Armee, deren oberster Chef Napoleon 1859 gewesen, bei dem Leichenbegängnisse zu vertreten. England. London, 11. Jan. Wie man aus Cardiff meldet, hat der Gewerkrath der Eisenarbeiter einen Beschluß gefaßt, welcher die Mitglieder des Gewerkver» eins sehr enttäuscht hat, weil dieselben auf reichere Unterstützung hofften, als ihnen jetzt zugesagt wird, noch mehr aber die Nichtmitglieder, welche sich Hoff nung auf einige Unterstützung gemacht hatten und nun nichts erhalten. Der Sinke im südlichen Wales gehört zu den großartigsten, die bisher da gewesen; 60,000 Männer feiern und setzen sich und ihre Familien dem bitteren Elend aus, welches eintretender Frost noch erhöhen würde. ES kommt hinzu, daß der bei Weitem größte Theil der Bevölkerung in Süd-WaleS auf die Arbeiter wiederum angewiesen ist, daß so viel Fleiß und Kraft und Capital brachliegen zu einer Zett, wo Eisen und Kohlen überall fast Lebensbedürfnisse geworden find. Und doch haben sich bisher die Zeichen gemehrt, daß der Sinke ein längerer zu werden droht. Die Besitzer fangen an, die Feuer in dm Hochöfen audzulöschm, was sie, da das AuSlöschen und Wtederanzünden jedes Mal mit 1000 L. Kosten verknüpft ist, nicht thun würden, wenn eine Wiederaufnahme der Arbeit kurz bevorstände. Die Arbeitgeber, welche an thrm Bedingung« festhalten und ein Schiedsgericht nicht wollen, find der Ueberzeugung, daß e» früher oder später doch zu einem Kampfe mit der Union kommen müsse, und ziehen eS vor, denselben jetzt, wü die meisten Arbeiter noch unvorbereitet find, auszufechten, als später. Sie find außerdem der- Meinung, daß ein Schieds spruch nur die Arbeitgeber, nicht aber die Arbeiter bind« werde, und wollen daher nur in so weit auf eine Entscheidung durch dritte Person« eingehen, als ste — oder wenigstens ein Theil von ihnen — fich bereit erklär«, durch ein Mitglied deS GrafschaftSgerichtS oder den Vorsitzenden der ftiedenSrtchterlichen Quartalfesston ihre Bücher prüfen und die Tisenpreise constatiren zu lass«, um den Arbeitern die Nothwmdigkeit einer den gesunkmm Werthen entsprechende« Lohnverminderung zu beweisen. Darauf scheinen die Arbeiter noch immer nicht eingehen zu wollen; dennoch glaubt man, daß der erwähnte Beschluß deS Ge- werkratheS das Ende des StrikeS beschleunigen, wird, was im allseitigen In teresse sehr zu wünschen wäre. London, 13. Jan. Die Ausstellung der Leiche Rapoleon'S erfolgt am Dienstag; bei dem Begräbnisse am Mittwoch amtirt der Bischof von Southwark. Die Eisenbahn veranstaltet gelegentlich deS Begräbnisses ErcurfionSzüge aus Paris nach London und zurück zum Preise von zwanzig und dreißig Francs. Die Polizei ist angeblich benachrichtigt worden, daß eine große Menge von Re publikanern besonders auch Journalisten vom Evenement und von der Republi- que Francaise, deren Namen der Polizei schon bekannt, in Chiselhurst erwartet würden, welche einen Tumult beabsichtigten, und traf daher (wohl ziemlich über flüssige) umfassende Sicherheitsmaßregeln. Nur unbedeutende republikanische Demonstrationen kamen gestern vor. Der napoleonische Familienrath wird muth- maßlich bis zur Ankunft deS Cardinals Bonaparte vertagt. Jerome drängt, die Kaiserin aber zögert; der Cardinal wird am Dienstage erwartet. Die an deren Angehörigen find sämmtlich in Chiselhurst. Dem Vernehmen »ach wär« als Vormünder ernannt die Kaiserin, der Cardinal und Rouher, was auf eine absolutistische und ultramontane Richtung hindeuten würde. London, 13. Jan. Die Prinzessin Murat ist in Chiselhurst angekom men. Beim Leichenbegängniß, am Mittwoch Morgen um 10 Uhr, wird de« achtspännigen Leichenwagen zuerst der kaiserliche Prinz und dann die übrigen Prinzen der kaiserlichen Familie folgen, vielleicht auch der Prinz von Wales; dann Mitglieder der Diplomatie und andere hervorragende Personen, Officiere und Freunde deS kaiserlichen Hauses. Der Aufzug wird sehr einfach sein. Die Damen werden vorher sich zur Capelle begeben, wo die Leiche auf einem Paradcbett in der Uniform liegen wird, die er bei Sedan trug. London, 13. Jan. Die Leiche deS Kaisers Napoleon wird, dem „Globe" zufolge, bis morgen Nachmittag 4 Uhr in Parade ausgestellt. Die Kaiserin Eugenie ist erkrankt und wird der Beerdigungsfeierlichkeit nicht beiwohnen. In Chislehurst fand am 10. Januar die Obduction der Leiche LouiS Rapoleon'S statt, deren Ergebnisse die unerwartete Wendung, welche seine Krank heit genommen, hinlänglich erklären. ES stellte sich heraus, daß, obwohl alle anderen Organe deS Körpers fast völlig gesund waren, nicht allein in der Blase eine schmerzliche locale Krankheit eristirte, sondern, daß auch die Rier«, um mit dm Mortrn des ärztlichen Bulletins zu sprechen, in eine« Grade af- ficirt waren, wie man nicht entfernt vermuthet hatte. Die Nierenkrankheit war so heftig und soweit vorgeschritten, daß ste jedenfalls bald tödtlich geendet ha ben würde; aber der plötzliche Tod wurde unmittelbar durch den Stillstand de» BlutumlaufeS herbeigeführt und ist dem allgemeinen ConstitutionSzustande deS Patienten zuzuschreiben. DaS Gehirn fand man gänzlich unafficirt; eS wog 1^ Kilogramm. Ehe man zur Obduction schritt, wurden auf Wunsch der Kaiserin einige Photographien von der Leich- genommen. Trotz der groß« Leiden, welche der Kaiser während der letzten Tage seines LebmS durchgemacht haben muß, waren seine GestchtSzüge merkwürdig ruhig und gefaßt, und eS fehlte ihnen jeder AuSvruck deS Schmerzes. Abbö Goddard, der Geistliche der St. Marien-Capelle in Chislehurst, hielt mit zwei barmherzigen Schwestern die Wache im Sterbezimmer, während die Kaiserin und der Kaiserliche Prinz das selbe von Zeit zu Zeit nur betraten, um am Fuße deS Bettes zu beten. Rouher, General Fleury, Abbatucci (der ehemalige Kämmerer der Kaiserin), Benedetti, Marquis Lavalette, Madame Canrobert und viele andere in Paris wohnende distinguirte Bonapartisten kamen am 10. d. M. in Camden-House an, um der Beerdigung des verstorbenen Imperators beizuwohnen. Die Ob- sequten werden wahrscheinlich heute stattfinden und einen sehr privat« Charakter tragen. Die Leiche wird in der Gruft der Familie Bowden (Eigenthümer von Camden House) in der St. Marienkirche von Chislehurst beigesetzt werd«, worauf in der Prokathedrale in Kensington (London) ein feierlicher Trauer- gotteSdienst stattfinden soll. In aristokratischen Kreisen zeigte sich für die Hin terbliebene Familie des Exkaisers große Theilnahme. Die Königin, der Prinz von Wales und die übrigen Mitglieder dec Königlichen Familie sandtm der Kaiserin Condolenz-Depeschen, und bald darauf begab sich Oberst Gardiner, Adjutant der Königin, von OSborne nach Camden-Plaee mit einem eigenhän digen Condolenzschreiben der Königin an die Kaiserin. Auch von dm ver schiedenen Souveränen Europa'S sind Condolenz-Telegramme einaegangen. Die Leiche wird einbalsamirt and wahrscheinlich auf einem Paradebette ausgestellt werden. > Der Hungertyphus, der seit geraumer Zeit im Süden von London Ver heerungen angertchtet, ist jetzt auch in Manchester und in den Töpfereibezirken von Staffordshire zum Vorschein gekommen. London, 14. Januar. Ein heutiger Artikel der „Times" führt aus, daß kein Grund zur Eifersucht bei anderen ausländischen Mächten vorliege, wenn die Erklärung Rußlands aufrichtig sei, daß Rußland wegen der Ausdeh nung deS Handels und wegen Pacifirung der Grenze die Eroberung von Cm- tralafien suche. Wir glauben Schuwaloff- Mittheilungen find mit obiger Anficht nicht unvereinbar, Schuwaloff giebt an, die Expedition nach Chiwa sei in zwei Punkten der britischen Expedition nach Abysfinien ähnlich, nämlich hinsichtlich der Befreiung der russischen Gefangenen, zweitens sei nicht die permanmte Lande», befttzung beabsichtigt, Schuwaloff erklärt ausdrücklich, daß unter keinen Umständen das Gebiet von Chiwa Rußland einverleibt werde. Die Heerführer find ange wiesen, nur bis zur Befreiung der Gefangen« dort zu verbleiben. „Time-" schließt: Die Erfüllung solcher Versicherungen würde die Eifersucht beider asia tischen Reiche besser beseitigen al- geschriebene Verträge. Englische Blätter geben der Befürchtung Raum, daß der noch immer an- dauern ve große Sirike in SüdwaleS zu ernsten Unruhen führen könne. Al» Thatsache muß constatirt werd«, daß eine demokratisch-sociallstische Bewegung tn England in rapidem Wachs« begriff« ist, welche dort bedenklich« Früchte