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Beharrlichkeit und welchem Uebermuth cS sich in den Gang unserer politische« Angelegenheiten einmischen würde. Wie aber verhält sich dagegen Deutschland s Bet aller Sympathie, die eS für Herrn Thiers kundgiebt, bei dem lebhafte« Wunsche, dessen Stellung befestigt zu sehen, und zumal ungeachtet der sonst ernsthaften Gründe, welche in ihm die Besorgniß wachrufen müssen, eS könne in Frankreich die öffentliche Ruhe gestört werden, — trotz alledem erklärt die Kaiserlich Deutsche Regierung, mittelst ihrer officiösen Blätter, daß sie eine ab solute Neutralität Angesichts der Parteikämpfe in Frankreich beobachten und kei nerlei Antheil nehmen wird, weder zu Gunsten deS Herr» ThierS, noch zu Gunsten der Versammlung. Und noch mehr: Deutschland wird den Willen Frankreichs respectiren, sowohl rückstchtlich der Regierungsform als hinsichtlich der Männer, die zur Regierung berufen werden. Die Lektion ist scharf; und wenn diejenigen unter den Französischen Zeitungen, welche an das Ausland appelliren, sie verdient haben, so trifft sie auch direkt alle Parteien. Wir wollen unS nicht aufhalten bei der seltsamen Zerrütiung deS öffentlichen Sinnes in Frankreich, der dahin gelangt ist, die nationale Würde den Partei-Interessen zu opfern: die Schmach sehen wir auch bei uns in Italien, und wir können sie nicht Anderen vorwerfen, wenn sie uns selbst schändet. Allein eine nützliche und heilsame Lehre können wir aus der Thatsache ziehen. Wiederholt haben wir ausgesprochen, daß die Wiederherstellung der Deutschen Einheit für Europa be deute, eS werde Achtung walten vor der Autonomie der einzelnen Staaten, und daß, wenn Frankreich gesiegt hätte, daS Europäische Gleichgewicht für immer zerstört worden wäre. Wir fügten hinzu, daß kein Staat sich mehr über die Deutschen Siege zu freuen hätte als Italien, weil dteseloen unö nicht nur dm Weg nach Rom öffneten und uns zur Krönung unserer Einheit führten, son dern auch weil sie unö eine Bürgschaft gegen die eventuellen G-waltthaten un- ferer Feinde gewährten. Die Thatsachen haben unsere Voraussicht bestätigt. Waö bedeutet die Haltung Deutschlands gegen Frankreich? Dieses Eine: daß Deutschland zum Princip seiner auswärtigen Politik die Achtung vor der Souverainetät der andern Länder gewählt hat und weder direkt noch indirekt sie anzutasten gedankt. Die mehr oder minder aufrichtigen Besorgnisse Derer, welche schon die Berliner Politik in Rom gebieten und Italien demüthig die Schleppe Deutschlands trage, sahen, hatten also keinen anderen Grund, als daS Andenken an die Stellung, welche Italien lange zu Frankreich einnahm, und die allerdings die eines Schleppenträgers im vollsten Sinne deS Wortes war. Wird Frankreich die Lektion beherzigen? wird eö endlich erkennen, daß eine Nation nicht daS Recht hat, sich um die Angelegenheiten einer anderen zu küm mern? Wir wünschen eS, aber hoffen eS nicht; die Geschichte Frankreichs zeigt eine fortgesetzte Reihe sinnloser Ansprüche; die Versailler Vorgänge beweise» leider nur zu sehr, daß diese Nation nichts lernt und nichts vergißt. Schweiz. Bern, 30. Novbr. DaS Auflehnen gegen die bischöfliche Allgewalt im Canton Solothurn trägt schreckliche Früchte, wie die ultramontanen Blätter mit frommem Schauder berichten. DaS „Nivwalder Volksblatt" und ihm nach der „Utznacher" erzählen mit heiligem Ernste, daß der Teufel einen Bürger von Olten Nachts aus dem Bette geholt habe. Dem „Luz. Landb." wird mitge- theilt: „Glaubwürdige Männer deren Namen wir angeben könnm, wollen, ob Starrkirch eine Lufterscheinung wahrgenommen haben, die einen vollständigen Todten köpf dargestellt habe. Ob die Erscheinung eine rein zufällige, oder eine Vorbedeutung und welche Vorbedeutung sie gewesen, läßt sich nicht sagen. Aber geheuer ist eö gegenwärtig in Starrkirch nicht." Rußland. Die „Petersburger Ztg." zeigt an, daß Kaiser Wilhelm diesm Winter in Petersburg ankommcn wird. An dem kaiserlichen Hofe treffe man große Vor bereitungen. Unter Andern hätten die Orchester der kaiserlichen Theater den Befehl erhalten, die preußische Nationalhymne einzuüben. Türkei. Von der untern Donau gehen unter dem 1. d. Nachrichten ein, welche dafür zu sprechen scheinen, daß eS zwischen Serbien und der Türkei dem nächst wegen der Zwornick-Affaire zu ernstlichen Auseinandersetzungen kommen werde. Aus Bosnien wird nämlich nach Belgrad gemeldet, Kanonen und Mu nition seien nach Zwornick befördert worden. In Bezug aus die Tributfrage verlautet, daß dieselbe auf dem alten Flecke stecke, da der Tribut von Serbien - nicht abgeführt worden sei. — Wir wollen uns bei dieser Gelegenheit mit der Wahrheit deS alten SprüchwortS trösten, daß kein Brei so heiß gegessen wird, wie er gekocht worden, zumal in diesem Falle die fremden Mächte all-S In teresse daran haben, daS Fünkchen nicht in daS Pulverfaß der orientalischen Frage fallen zu lassen. Die Sache wird ohne Zweifel auf friedlichem Wege erledigt werden. Königreich Sachsen. AuS Dresden, vom December wird geschrieben. Die auch in Abgeordnetenkreisen verbreitete Ansicht, daß der Schluß deS gegenwärtigen Land tags noch vo. Weihnachten werde stattfinden können, dürfte sich als eineirrthüm- liche erweisen. Zunächst ist eS nämlich j tzl feststehend, daß die Regierung die Steucrreformvorlage nicht zurückzuziehen gedenkt; die 1 Kammer wird also in die Berathung derselben einzutreten haben und nach deren Beschlüssen sodann auch die 2. Kammer ihre Verhandlungen darüber, — die sie sich durch Verwerfung deS RegierungSenlwurfS wie aller Anträge aus der Mitte der Kammer vorläufig abgeschmtten hatte — wieder aufnehmen müssn. Wie daS Resultat der Bera- thungen über diese Vorlage ausfallen werde, ist noch gar nicht abzusehen; am meisten Aussicht auf beiderseitige Annahme scheint ein Antrag zu haben, der etwa in gleichem Sinne, wie der vom Abg. Venzig eingebrachte (mm Ersatz eine- TheileS der bisherigen Grundsteuer eine allgemeine Klaffen- und Einkommensteuer einzuführen) lauten würde. Jedenfalls wird die Steuerfrage noch längere De batten herbeiführen und da auch die Differenzen, welche in dm Beschlüssen der beiden Kammern über die Organisationsgesetze und über das VolkSschulgesetz bestehrn, vielfache weitere Verhandlungen nöthig machen werden, so ist selbst bei raschem Verlaufe derselben doch kaum anzünehmen, daß zur Erledigung alles dessen ein Zeitraum von kaum 3 Wochen auSrcichen werde. Dazu kommt, daß die StaatSregierung den Ständm auch noch eine Vorlage über Eisenbahnen zu- gehcn lassen wird — und also noch die übliche langathmige Eisenbahndebatte bevorsteht. Der Landtag möchte demnach wohl bis gegen Ende Januar nächsten Jahres zu arbeiten haben, jedenfalls aber wird sei» Schluß nicht, wie von an derer Seite in Aussicht gestellt wird, bis in den März hinauSgezogen werden, sondern bestimmt vor Beginn der nächsten Session deS deutschen Reichstag- er folgen, der zu Anfang deS MonatS Februar erwartet wird. Dresden, 5. Deebr. Unser Landtag bietet einen eigmthümlichen, noch nicht dagewesenen, aber keineswegs tröstlichen Anblick dar. Aus gegenseitige« deshalb find fie eifrigst bedacht, eine Abwehr zu schaffen, und suchen plausibel zu machen, daß nun kein Italiener mehr Papst zu werdm brauche, da doch ein mal kerne weltliche Herrschaft mehr eristire; man könne ja auch einen — Deutschen wählen. Freilich wird dieser Vorschlag gerade durch die Bereitwillig keit der Jesuiten verdächtig; denn die Jesuiten find gerade dann am gefährlich sten, wenn sie Zugeständnisse machen. Wer in diesem Kampfe Sieger bleibm wird, ist noch nicht abzusehen; nur ist so viel gewiß, daß von dem Ausfall der nächsten Papstwahl der religiöse Friede von fast ganz Europa abhängr. Deutschland. Berlin, 3. Dec. 150,000 Thlr. Gratifikationen sind am Freitag an die Postbeamten zur Vertheilung gekommen. An dieser Summe participiren fämmtliche Unterbeamte ohne Ausnahme, während bei den höheren Beamten die Bedürftigkeit über die Theilnahme entscheidet. Die Ober-Postdirectionen find ermächtigt, bis zu 100 Thlr. aus den auf ihren Bezirk entfallenden Summen an einzelne Beamte zu bewilligen. Wie die „Germania" meldet, überreichte der „Verein der katholischen Evel- leute Deutschlands", durch eine Deputation, bestehend aus dem Bicepräsiventen Freiherrn v. Schorlemer-Alst und den zur Zeit in Berlin anwesenden Mitglie dern, dem Hrn. Bischöfe NamSzanowSky als Geschenk einen Stab und eine Mitra. Der Freiherr v. Schorlemer begleitete die Überreichung mit einer kurzen Ansprache, worin er hervorhob, daß mit der gegen den Bischof staatlicherseits eingeleitcten Untersuchung und Suspension vom Amte als katholischer Felvpropst der Armee auch die Maßregel verbunden war, bevor ein Urtheil gesprochen, demselben die Insignien der bischöflichen Würde abnehmen zu lassen. Oesterreich. Wien, 3. December. In der Jesuitendebatte im nieder-österreichischen Landtage kam eö heute zu stürmischer Aufregung über eine Beleidigung deö Kaisers Joseph durch den Abg. Weltgeistliche» Renk. Derselbe sprach für die Jesuiten, anfänglich unter großer Heiterkeit, und erklärte, der Jesuitenorden sei der beliebteste und geachtetste Orden in Oesterreich und die Entwickelung deS österreichischen Volksschulwesens sei durch Aufhebung deS Jesuitenordens gehemmt worden. Dann sagte der Redner: alle Achtung vor Kaiser Joseph'S Absichten, aber seine Geistesbegabung war keine besondere. (Stürmische Unterbrechung und Rufe: DaS ist schmählich und eine Beleidigung unseres großen Todten.) Renk fuhr fort: Kaiser Joseph habe den Jesuitenorden nur auf Friedrich des Großen Rath aufgehoben! der aber selbst Jesuiten als Lehrer berufen habe. Kaiser Joseph habe, meine man, eine österreichische Nationalkirche errichten wollen und eS sei ein Verdienst der Jesuiten, dies verhindert zu haben. Diese Rede erzeugte anhaltenden Widerspruch und Aufregung. Der Statthalter erklärt unter Beifall sein tiefes Bedauern über die Aeußerung über Kaiser Joseph, deren Zeuge der Landtag gewesen und die nach der Geschäftsordnung vom Vorsitzenden zu ahnden gewesen wäre. Die Resolution gegen die Jesuiten wurde mit Allen gegen drei Geistliche und zwei Großgrundbesttzstimmen beschlossen. Frankreich. Paris , 2. December. ThlerS will erst den Dreißiger-AuSschuß abwarten, ehe er eiwaö thut; dann sollen sechs Präfecten ersetzt werden, die besonders schlecht bei den Republikanern angeschrieben find; dann soll auch über die weiteren Veränderungen im Ministerium Beschluß gefaßt werden. Der Präsident der Republik zeigt sich im parlamentarischen Hahnenkampfe noch immer groß, wo eö jedoch rasch zu handeln gilt, zeigt er den alten Mann. Seine Gegner haben danach ihre Taktik eingerichtet. Erstarkt durch die Coalition mit der Rechten, schickt Rouher sich an, ThierS auf dem handelspolitischen Felde eine Schlacht zu liefern und zu dem Zwecke mit einer Interpellation wegen verzögerter Ber- theilung der auf den Handelsvertrag mit England bezüglichen Aktenstücke vor zugehen. Die Bonapartisten sind heute schon wieder so frech in Paris, daß Paul de Cassagnac eö wagen darf, den Staatsstreich vom 2. December mit einem Heiligenscheine zu umgeben. DaS Gerücht, ThierS trete zurück, war nur eine boshafte Tendenzlüge, die in Umlauf gesetzt wurde, um zu sehen, wie sie ausgenommen werde. Die France äußert in Betreff deS jetzigen Kampfes: „Die Verbündeten verbergen eS nicht: „Die Regierung mag Recht oder Unrecht haben," sagen fie, „wir werden gegen fie stimmen; die financiellen Forderungen werden wir verweigern; die einfachsten und dringendsten Maßregeln werden von unö verworfen werden; die Minister werden wir einen nach dem anderen stürzen, heute Herrn Lefranc, morgen, gelegentlich der Bittschrift deS Prinzen Napoleon, Herrn Dufaure. Man glaubte, das Votum vom 29. November würde den Krieg beendigen, eö war nur daS Signal zu demselben." Die Franc- tritt nun auch der Ansicht bei, daß ein solches Treiben zur Auflösung der National- Versammlung führe, und Siecke bringt den Wortlaut zweier Adressen, die in Lyon unterzeichnet wurden und allen Gemeinden Frankreichs als Muster zur Nachahmung empfohlen werden, durch welche ThierS aufgefordert wird, die Initiative zu !ergreifen, um die Rational-Versammlung zu veranlass n, dem Beispiele der Constituante von 1848 zu folgen und ihre Auflösung zu beschließen. Aber der Präsident der Republik hält die Auflösung für ein viel zu radikales Mittel und hat sich nur schwer zu der theilweisen Erneuerung emschlossen, für die er in nächster Zeit die Initiative zu ergreifen gedenkt, falls ihm die Mit wirkung der 372 Stimmen garantirt wird. Doch wer vermag vor einer Sitzung der National-Versammlung zu sagen, waS er in derselben thun oder lassen wird? Wie unsicher die Haltung der Regierung ist, lehrt die telegraphische Agentur von HavaS, die sich wieder in ein Schönfärbereiaeschäft verwandeln zu wollen scheint und zugleich ängstlich jedes Gerüchtchen aufschnappt, um eS zu widerlegen. Die äußere Stellung des Präsidenten hat sich sehr gehoben; seine Abendgesellschaften sind überfüllt von — Neugierigen, Stellenjägern und stillen Beobachtern. Italien. DaS „Diritto" bringt unter der Aufschrift „Frankreich und Deutschland" folgenden bemerkenSwerthen Artikel: Deutschland hat Frankreich eine jener Lektio nen erthcilt, welche, falls sie erwogen würden, dazu dienen könnten, Regierung, Nationalversammlung und Nation von den Ansprüchen zu heilen, welche sie zu erheben nicht aufhören. Deutschland hält einen Thell des Französischen Ge bietes beseht; ungeheure Summen werden ihm geschuldet; eS hat also nicht allein ein Interesse, sondern auch daS Recht, die Umstände zu überwachen, wel che einen Einfluß üben aus die größere oder geringere Zahlungsfähigkeit seines Schuldners. Denken wir unS Frankreich an Stelle Deutschlands; oder unter stellen wir einm Augenblick Frankreich als Gläubiger eines besiegten Italiens mit einer starken Okkupation in vielen unserer nördlichen Provinzen: man kann sich leicht da» Benehmen vorstellen, das eS unserer Regierung und unserem Lande gegenüber emhirlte, mit welchen Forderungen eS sich brüsten, mit welcher