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8S4 Feuilleton. * Der Rh. K. berichtet aus Geisenheim, 28. August. Einem kiesigen Schneider wurde gestern Abmd in einem Streite von einem Tagelöhner die Rase abgebiffen. Nach langem Suchen wurde dieselbe von einem Küfer gefunden, welcher sie die Nacht über in Spiritus setzte, um dieselbe heute Morgen ihrem Eigenthümer zurückzugebm. * Bon der oberen Elster, 28. August. Am gestrigen Frühmorgen ist im böhmischen Grenjdorfe Grün, dicht bet Elster, ein schauderhafter Mord der Türkei, die Stabilität der Türkischen Regierung vom höchsten Interesse sei, beweise, daß Rußland völlig auf dieselben Wünsche und Geftlhle eingehe um die Russische Politik kein anderes Ziel habe, als die CivilisationSbestrebungen, sowie die Reste alten Wohlstandes des Reiches des Sultans zu fördern. Zu einer solchen Politik mit Rußland und England übereinzusttmmen, werde Oe sterreich glücklich sein, nie einer andern sich anschließen. Rußland. St. Peters bürg, 31. August. Der „Russische Jvalide" theilt die An sprache mit, welche der Kaiser am 25. d. in Rowo-TscherkaSk au die Reprä sentanten deS KosakenheereS gerichtet hat. Der Kaiser erklärte, augenblicklich sei keine Gefahr für die Ruhe des Landes vorhanden. Zur größern Sicherung des Friedens unternehme er die Reise ins Ausland, hoffend, dteselbe werde nicht resultatloS für Rußland bleiben. Rußland scheint seit einiger Zeit mit großem Eiser auf die Verstärkung seiner Seemacht bedacht zu sein. So soll, um für dle neue Pon- tuSflotte eine genügende Anzahl tüchtiger Officiere zu gewinnen, nach einer An ordnung der Marineverwaltung, die provisorische Martneschule in Nikolajew in eine permanente umgewandelt und den neuen Verhältnissen entsprechend erweitert werden, indem zu Seejunkern mit dem Recht der Ablegung der Prüfung inner halb zwei Jahren nicht bloS der Erbadel, sondern auch die Söhne der StabS- und anderen höheren Officiere, der Civilbeamten und der Erbbürger angenom men werden. Amerika. New-Uork, 30. August. Der Dampfer „MetiS" ist auf der Fahrt zwischen New-Uork und Providence in verflossener Nacht während eines Stur mes mit einem Schooner zusammengestoßen, wobei ersterer zum Sinken kam und 60 Personen ertranken. Die Diamanten- und Rubinen-Entdeckungen in Ealifornien scheinen sich in eitel Dunst auflösen zu wollen. Wie nämlich aus San Francisco be richtet wird, haben mehrere Juweliere und renommirte Steinhändler die in der Bank von Ealifornien in einem Glaskasten ausgestellten Diamanten, deren Werth auf 300,000 Dollars angegeben wird, für werthlose Quarzstücke, und die Ru binen für Granaten erklärt, und die Meinung ausgedrückt, daß sie für die ganze Collection nicht 10,000 Dollars geben würden. Am folgmden Tage wurde die Ausstellung geschloffen und das Publikum nicht länger zugelaffen. Nach allem, was über die Sache bekannt wird zu schließen, scheint eS bloS darauf abgesehen zu sein, um Aktien von Schwindelgesellschaften abzusetzen. Wie ein CalifornischeS Blatt aus zuverläsfiger Quelle erfährt, sollen in Kurzem Agenten mit prächtigen Proben nach Europa geschickt werden, zu de« Behufe, um auf den Deutschen und Englischen Märkten Actten unterzubringen. Königreich Sachfen. Leipzig, 30. August. Em Jubelfest war der heutige Tag für unsere Stadt: Der Deutsche Kaiser weilte bei uns, freilick nur ganz kurze Zeit, zu kurze Zeit, um ihm die Sympathie der ganzen Leipziger Einwohnerschaft attS- >rücken, um ihm die allgemeine Liebe und Verehmng der Stadt in überzeugm- >er Weise beweisen zu können. An dem Jubel deS kleinen TheileS der Bevöl kerung, welchem eS vergönnt war, deS Kaisers Majestät begrüßen zu können, wird derselbe aber gewiß schon auf die hingebende bundestreue Gesinnung der ganzen Bürgerschaft Leipzigs geschloffen haben. 10 Minuten vor 6 Uhr AbendS traf der Kaiser mit Sr. Maj. dem König von Sachsen, welcher in Kieritzsch mit demselben zusammengetroffen war, unter Benutzung der Verbindungsbahn auf dem Berliner Bahnhofe hier ein. Waren dem verehrten Oberhaupte deS Deutschen Reiches schon auf der Fahrt von dem baierischen nach dem Berliner Bahnhofe von den längs der Bahn aufgestellten Tausenden von Menschen die sympathischsten Zurufe entgegengetönt, so steigerten sich dieselben auf dem Ber- !mer Bahnhofe zu einem ununterbrochenen brausenden Jubelmfe. Auf eine« durch Blumen und Bäume abgegrenzten Raum des Perrons hatten sich zur Be grüßung des Kaisers die Spitzen der Behörden rc. aufgestellt, von denen hier peciell erwähnt werdm mögen: der Gcnerallieutenant Nehrhoff v. Holderberg, -er ReichöoberhandelSgerichtSpräfident vr. Pape, der Geh. RegierungSrath v. Haugk in Vertretung deS KreiSdirectorS, der Vicebürgermeister Nr. Stephani mit den Stadträthen, das Stadtverordneten-Collegium mit ihrem Vorsteher Nr. Georgi, der Errector Prof. l)r. Hankel in Vertretung deS Rector ms-niLc««, der Oberpostdirector Le-, der englische Consul Crowe rc. Freundlich grüßend verließ der Kaiser, welcher in Civilkleidern war, mit seinem hohen Bundesge nossen den kaiserlichen Salonwagm und trat auf etwa 10 Minuten im fürst lichen Wartezimmer ab, woselbst er sich verschiedene Herren vorftellen ließ; da- Wartezimmer blieb während dem geöffnet und ununterbrochen tönten in dasselbe . )ie Hochrufe deö außm harrenden Publikums hinein. Nach allen Seiten auf daS leutseligste grüßend und nachdem er von unserem König herzlichsten Abschied genommen, bestieg sodann der Kaiser, abermals unter den lautesten Hochrufen md geleitet von Sr. Maj. dem Könige Johann, den Zug wieder, bet welcher Gelegenheit ihm die Gattin deS großbritannischen ConsulS einen frischen Blu menstrauß überreichte. Nur mit Mühe konnte jetzt der Vicebürgernmster M. Ste- »hani sich daS Wort verschaffen, um folgendes Hoch auszubringen: „Seiner Majestät dem Kaiser Wilhelm, dem siegreichen Feldherrn, dem Stifter und Be- chützer deS Deutschen Reichs und seinem erhabenen Bundesgenossen, Sr. Ma- estät dem König Johann, bringt die Stadt Leipzig in inniger Verehrung ein dreifaches donnerndes Hoch!" Herzlichst und freundlichst dankend und immer wieder unserem auf dem Perron stehenden König vom Wagen aus zum Abschied reundlichst zunickend fuhr unter dem endlosen begeisterten Wiederhall dieses Hochs der Kaiser um 6 Uhr 5 Min. wieder von hier ab. Derselbe sah über aus wohl und frisch aus und obwohl er während der ganzen Zeit seines Auf enthalts auf dem Bahnhöfe sich nicht einen Augenblick nledersetzte, war doch von einer Beschwerniß infolge semeS FußleidenS nichts wahrzunehmen. Se. Maj. der König von Sachsen begab sich nach der Abreise mittelst Hofequipaae nach dem Dresdner Bahnhofe und reiste von dort mittelst ErtrazugS nach Dresden zurück.— darf, kann nur als ein ungünstiger bezeichnet werden. Um so tiefer ist dem gegenüber zu bedauern, daß durch ungenaue oder übertriebene Meldungen di -ereilte Stimmung auf beiden Seiten noch künstlich gesteigert wird. So ist beispielsweise nicht ein Wörtchen Wahrheit an der durch einige Zeitungen gehen den Nachricht, eS seim besondere Vorsichtsmaßregeln seitens der Polizei gegen über den sinkenden Maschinenbauern getroffen worden. Rach den eingehendsten Erkundigungen kann aufs Bestimmteste versichert werden, daß in den letzten Wochen nur am vergangenen Montag und Dienstag, aus Anlaß deS Baracken abbruchs, eine größere Polizeimacht confignirt war, im übrigen aber bloS der gewöhnliche Bestand an Sicherheilsbeamten auf den Beinen gewesen ist. Die socialen und gesundheitlichen Zustände Berlins werden in englischen Blättern in nicht sehr günstiger Weise für Deutschlands Hauptstadt besprochen. „Wenn wir von den Zuständen Berlins lesen" - bemerkt die Daily NewS — „seiner Polizei, seinem Pöbel, seinen Vernachlässigungen der gewöhnlichsten Vor kehrungen für dm öffentlichen Gesundheitszustand, seinen stinkenden Canälen u. s. w., und wenn wir uns erinnern, daß dies die Hauptstadt eines in Waffen, admi nistrativem Genie und in öffentlichem Unterricht daS Scepter führenden Landes ist, so sind wir in hohem Grade versucht, unsere Hände in dk Höhe zu heben und Gott zu danken, daß London nicht wie Berlin ist. Man vergleiche das belagerte, besiegte, durch Bürgerkrieg zerrissene und durch KriegStribute und Besteuerung verarmte Paris mit der Hauptstadt der siegreichen Macht. Sicherlich, der Eontrast ist Rache genug für Frankreich. ES würde für preu ßische Staatsmänner und Administratoren der Mühe werth sein, und sei es nur des nationalen Stolzes und der nationalen Ehre halber, einen Theil der franzö sischen Milliarden dazu zu verwenden, um die Hauptstadt deS Deutschen Reiches wenigstens eben so bewohnbar, rein und sicher wie die Sackgassen der Haupt stadt Frankreichs zu machen." Breslau, 31. Aug. Der Kronpinz von Sachsen, welcher gestern Abend HO Uhr hier etntraf, wurde auf dem Centtalbahnhofe von den Spitzen der Be hörden begrüßt und von der anwesenden großen Menschenmenge mit HurraHS empfangen. Derselbe ist im königl. Schlosse abgestiegen. Die von Sr. königl. Hoheit durchfahrenen Straßm warm reich beflaggt und glänzend beleuchtet. Eine militärische Sermade, welche Sr. königl. Hoheit vor der Residenz darge bracht wurde, hatte ein zahlreiches Publikum versammelt, daö für den „Sieger . von Beaumont" wiederholte HurraHS erschallen ließ, wofür Se. königl. Hoheit, mehrmals auf der Schloßrampe erscheinend, dankte. Die beute Vormittag von dem Kronprinzen-Feldmarschall vorgenommene Truppenbcstchtlgung ist sehr befrie digend abgelaufm. Mittags wird Se. königl. Hoheit die Stadt besichtigen, verschiedene Vorstellungen empfangen, den commandirenden General besuchen und bei Letzterem diniren. Morgen (Sonntag) gedenkt der Kronprinz, nach dem Be suche der Kirche, zu einem Besuche beim Herzog von Braunschweig nach Si- byllenort zu fahrm, wird jedoch zum OfficierSdiner bereit- zurückkehren. Montag wird die Abreise stattfiuden. Die Stadt BreSlau trägt Flaggenschmuck und wird heute und morgen Abmd illuminiren. Danzig, 27. Aug. Die hier ohnehin schon so umfangreichen Arbeits einstellungen haben mit dem Beginne der gegenwärtigen Woche eine neue und sehr erh:bliche Erweiterung erfahren. Am Montag Morgen legten nämlich und -war ohne vorausgegangene Differenzen ckit den Arbeitgebern oder eine andere Mßere Veranlassung, also lediglich nur infolge von im Dunkeln schleichenden focialistischm Aufhetzungen — ganz plötzlich die Sackttäger und andere Speicher- «rbeiter, gleich darauf auch die bei der städtischen Canallsation beschäftigten, und am Mittag die Arbeiter der Oelfabriken und Eisengießerei auf der Niederstadt fammt und sonder-, sowie diejenigen der kaiserlichen Gewehrfabrik zum größeren Theil die Arbeit nieder. Dadurch wuchS denn, einschließlich der von früher her Feiernden, die Anzahl der sinkenden Arbeiter auf ansehnlich über 5000. TheilS infolge dieser großen Menge Unbeschäftigter, theilS infolge deS Umstandes, daß auf Dienstag Nachmittag nach dem unfem Danzig gelegenen Dorfe Heubude eine „allgemeine Arbeiterversammlung" berufen worden war, in welcher ein aus Bromberg hierher gekommener social-demokratischer Agitator sich vernehmen lassen wollte, entstand bei den hiesigen Behörden die Beforgniß vor Ruhestörungen, und wurden von ihnen die geeigneten Vorkehrungen gegen solche getroffen, mili tärischer- nicht minder wie polizeilicherseits. In mehreren gewerblichen Etablisse ments ist, wte die „Danz. Z." meldet, eine überlegene Zahl von Arbeitern er schienen und hat diejenigen, welche noch bei der Arbeit waren und nicht beab sichtigten dieselbe einzusiellm, theilS durch Gewalt, theilS durch Drohungen ge- nöthigt, den Arbeitsplatz zu verlassen. Auch in der Umgegend sind solche Ver suche gemacht worden. In der Nähe von Hochstrieß find sogar an der Eisen bahn arbeitende Männer gemißhandelt worden, weil fie nicht sofort die Arbeit einsiellen wollten. München. Der Streit zwischen den beiden Richtungen innerhalb der bayerischen ultramontanen Presse geht munter fort und nimmt immer wehr den Charakter eines Kampfes auf Tod und Leben an. Wie vor Ilion die Götter auf den Zinnen der Partei kämpften, so treten hier die hochwürdigen Prälaten ein, und als Schutzherr und Abonnentensammler für die bedrängte Post- zeiiung muß sich der Bischoff PancratiuS von AugSbürg allerlei Sottisen von der Gegenpartei gefallen lassen, welche außerdem an dem ganzen München- Freisinger Erzcapitel fast kein gureS Haar läßt und offenbar von Leuten vom schwarzen Tuck eifrig bedient wird. Daö besondere Mißfallen der klerikalen Volköblätter hat sich die Augsburger „Postzeitung" jetzt dadurch zugezogen, daß fie in daS VerdammungSuriheil der liberalen Presse gegen die sogenannte „Da- Frankrcich. Da, wie die Commune gezeigt hat, die Brandfackel jetzt zu den Waffen der Rothen gehört, so hat tue Regierung beschlossen, auf dm Dächern aller i öffentlichen Gebäude große Behälter anlegen zu lassen, in welche das Wasser durch Röhren geleitet wird. Die Bibliothek in der Rue Richelieu ist bereits mit einem solchen Behälter versehen, ebm so die Bank und die Börse. Im Louvre und dem Hotel Drouet wird an dm Behältern gearbeitet. Die Mini- fierten, die Ecole des beaur ArtS, der Lurembourg, die Theater sollen sämmtlich mit dieser Vorrichtung versehen werdm. > England. London, 31. August. „Daily News" bringm ein Telegramm aus Wim, s demzufolge Graf Andraffy ein Circular über die Kaiserzusammenkunft erlassen , bätte. DaS Telegramm skizzirt die Tendenz des Circulars als eine solche, die ! bestimmt ist, Frankreich über dm politischen Charakter der Monarchmbegegnung völlig zu beruhigen. Weiter hebe daß Circular hervor, das die Begegnung «wischen dem Kaiser von Rußland und dem von Oesterreich, de« die Wohlfahrt