Volltext Seite (XML)
handelt es sich um Vorbilder für die Wiederherstellung, so muß ich in erster Linie auf die große Übereinstimmung aufmerksam machen, die zwischen dem Westbau von Weißen und den: des Domes in Magdeburg besteht. Der bauliche Organismus ist in beiden Fällen ganz der gleiche, und wer zwei Abbildungen nebeneinander legt, von denen die eine die West fassade von Meißen, die andere die von Magdeburg wiedergibt, wird überrascht sein über die Art, wie beide sich decken. Statt eines Fassadenbildes von Meißen, würde freilich ein Quer schnitt, der dicht vor der Fassade gemacht wäre, die Ansicht des vorliegenden Fürstenchores also beseitigte und das große Westportal sichtbar machte, die Gleichheit noch schlagender vor Augen führen. Sie geht so weit, daß das erste Stockwerk des einen Baues dem ersten des anderen, das zweite Stockwerk des einen dem zweiten des anderen nachgebildet erscheint, trotzdem in Magdeburg wie in Meißen zwischen die Errichtung des ersten und des zweiten Stockwerkes eine Bauunterbrechung füllt. Und schließlich treten in den obersten Teilen des Magdeburger West baues genau dieselben ganz individuellen Bauformen auf, wie am dritten Westgeschoß in Meißen, d. h. es tritt dortselbst der siebente Meister von Meißen selbst auf. Er ist es, der den Turm bau in Magdeburg zu Ende geführt hat. Da der Magdeburger Dom das bedeutendere Bau werk ist und die Magdeburger Meister schon von der Gründung des Thores ab als vor geschrittene Führer in der deutschen Baukunst dastehen, so muß angenommen werden, daß in Be zug auf den Westbau Magdeburg das Vorbild darstellt, Meißen die Nachahmung. Die West front von Magdeburg aber steht vollendet vor uns, als Musterbild eines sächsischen Turm baues, mit der klassischen Bekrönung durch zwei hohe Seitentürme und eine niedrigere, über den: Dachfirst des Mittelschiffes liegende, stark durchbrochene Awischenhalle. Und da der Westbau von Magdeburg von: Fundament ab bis zu den Kreuzblumen der Turmhebne uns als eine ganz einheitticke, durchaus organische Schöpfung entgegentritt, so sollte meines Erachtens ein Kenner der nüttelallerlichen Baukunst nicht bezweifeln, daß auch in Meißen der typische sächsische Turmbau mit den zwei Seitentürmen und der Mittelhalle einst vorhanden oder doch geplant war. Der Architekt, den ich den siebenten Baumeister an: Meißner Dome genannt habe, hat uns, wenn wir sein Werk vollenden wollen, für die Einzelgestaltung die nötigen Winke hinter lassen. Entfernt man den brutalen wagerechten Abschluß, womit die Not späterer Zeiten sein Werk abgegüchen hat, so fällt es nickt schwer, die Flächenmaßwerke, d:e er als Schmuck des Mittelbaues gezeichnet hat, zu vollenden. Die breiten Lisenen der Seitentürme stehen nach Be seitigung der modernen Schichten als Rümpfe da und verlangen nach Höhersührung, auch die von den: Meister begonnene Durchkreuzung der Wimperge aus den Turinflächen löst sich fast von selbst. Bor allen: aber wird jeden:, der sich das Stilgefühl der nuttelalterlichen Kunst zu eigen gemacht hat, bei Betrachtung des dritten Stockwerkes sofort klar werden, daß das schöne Motiv des schräg ansteigenden, nach außen sichtbaren Treppenlaufes nach einer Wiederholung förmlich schreit. Diese muß also in den: zunächst aufzusetzenden vierten Stockwerke stattfinden. Hiermit ist das Bild des Bollendungsplanes für die Westfront in allen Hauptzügen gegeben. Bon einigen Seiten ist während der Verhandlungen über die Wiederherstellung des Domes auf die Wahl einer Bekrönung mit drei Turmhelmen hingedrängt worden. Die be treffende Lösung kommt in: obersächsischen Lande bei mehreren Kirchen vor. Der Gedanke und das Vorbild stammen nicht etwa aus den Niederlanden, sondern sind einst in Erfurt aufgetaucht und geschaffen worden. Die Dreihelmanlage kommt dort an: Dome und an der danebenstehenden Severikirche vor. Zn beiden Fällen nicht etwa als Teil eines organisch entwickelten Gesamt planes, sondern an beiden Kirchen sind es je zwei Gsttürme, die, das eine Mal noch romanisch, das andere Mal frühgotisch, isoliert bis zu ihren Spitzen und Knäufen hatten aufsteigen sollen, und die die Grille eines spätgotischen Baumeisters je miteinander verbunden hat. An der einen und der anderen Kirche wurden in: fünfzehnten Zahrhundert in der Dachhöhe Bögen ge schlagen, womit man je den südlichen und nördlichen Gstturm in Verbindung setzte. Auf den Verbindungsbögen ward ein mittleres Glockenhaus errichtet und dieses mit einen: die Seitentürme überragenden Mütelhelme gekrönt. Das Ganze sah neu, wenn auch nicht gerade schön aus, und