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Dreiklang sowjetischer Musik Aus der Vielzahl der sowjetischen Komponisten ragen die Namen Prokofieff, Schostakowitsch und Chatschaturian heraus, drei Persönlichkeiten von ausgeprägter Eigenart. Bei allen stilistischen Unterschieden ist ihnen einiges gemeinsam: Die enge Verbindung zu den Überlieferungen der russischen Musik (Tsehaikowskij bildet gleichsam den Orgelpunkt unseres Programms!), das Ringen um eine möglichst voll kommene Beherrschung des Handwerklichen und — als wesentlichster Punkt — das Bemühen, eine Musik zu schreiben, die von möglichst vielen Menschen verstanden wird. PETER T S C HAIK 0 WS KIJ Peter Tsehaikowskij hat die Musik der deutschen Romantik immer und immer wieder intensiv studiert, ebenso die Werke französischer und italienischer Komponi sten seiner Zeit. Dennoch blieb er seiner Heimat und seinem Volkstum treu, weil er— wie wir aus einem Briefe erfahren — „alles Russische in seinen verschiedenartigen Äußerungen leidenschaftlich liebte“ und als „Russe im wahrsten Sinne des Wortes“ sich fühlte. Die Fantasie-Ouvertüre nach Shakespeare „Romeo und Julia“ komponierte Tsehaikowskij 1869, sie wurde Balakireff gewidmet und 1870 unter der Leitung von Nikolai Rubinstein uraufgeführt, nachdem das Werk verschiedentlich umgoarbeitet worden war. Heute erklingt zumeist die dritte Fassung aus dem Jahre 1880. Eine ernste, ausdrucksstarke Einleitung eröffnet choralartig das musikalische Geschehen, spürbar beeinflußt von den Klängen russischer Volksmusik, der sich Tsehaikowskij innig verbunden fühlte. Diese Liedweise ist oft als „Thema des Pater Lorenzo“ bezeichnet worden. Ein sehnsüchtig sich aufschwingendes, von Harfen- akkordon untermaltes Motiv (fast an Richard Strauss gemahnend!) leitet über zu einem markanten „Allegro mit Säbelhieben“, wie es Balakireff nannte. Es ist auch als Mord- oder Todesthema bezeichnet worden. Mit ihm wird der Streit der ver feindeten Familien Montague und Capulet charakterisiert. Als Gegensatz folgt das eigentliche Liebesthema, von dem Balakireff schrieb: „Das zweite Des-Dur ist einfach wundervoll. Ich spiele es mir oft vor und möchte Sie dafür abküssen. Das ist