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„Die Lehrer sollen die Besten im Volke sein". Mit diesem be kannten (vom Begründer des Königlichen Seminars zu Grimma, dem hoch verdienten ehemaligen Seminar-Direktor Schulrat Köhler, einem wahren Pädagogen, oft betonten) Worte sind alle sittlichen Aufgaben des christlichen Lehrers und Er ziehers in Beziehung auf seine Person sowohl, als auch auf andere im allgemeinen, wie in einen Lebenspunkt zusammengedrängt, bezeichnet. Sollen nicht die Lehrer nächst den Eltern das Heranwachsende Geschlecht veredeln? Und sollten sie nicht, um dieser größten aller Aufgaben völlig genügen zu können, die Besten sein? Nicht Gelehrsamkeit, nicht Kunstgeschicklichkeit ist ihnen vorzüglich zu wünschen, sondern wahre Christlichkeit und praktische christlich-päda gogische Bildung. Denn was der christliche Lehrer geben soll, muß er selbst haben; wenn er anderen wahren Wert vermitteln und aneignen will, muß er solchen selbst besitzen. Je vollkommener er ist, desto vollkommener werden auch seine Ziele und Bestrebungen sein; und je vollkommener seine Ziele sind, desto vollkommeneres wird er zu leisten vermögen. Nimmt aber die Lehrerwelt schon den erhabenen Standpunkt ein, den der christliche Lehrer erklimmen soll? Das Streben nach Bildung und Vervollkommnung ist in der Lehrerwelt groß, doch kann und wird kein Lehrer behaupten, den höchsten Standpunkt erreicht zu haben. Jeder hat es insbesondere noch nötig, über die sittlichen Aufgaben, die dem Lehrer gestellt werden müssen, behufs immer voll kommenerer Lösung derselben, allezeit ernstlich nachzudenken. Bei der großen Schwierigkeit der Lehrer- und Erzieherarbeit und den oft recht demütigenden und entmutigenden mangelhaften Erfolgen derselben bedürfen sicher viele Lehrer, namentlich jüngere, der Anregung, Ermunterung, der geistigen Unterstützung überhaupt, sich in klarer Ueberzeugung, mit frischem, fröhlichem Mute ihren sittlichen Aufgaben hinzugeben. Das Zeugnis eines alten Lehrers dürfte hierzu geeigneter, hierbei wirksamer sein können als eine wissenschaftliche Abhandlung, deren Zahl auch nicht vermehrt zu werden braucht, wenn solch Zeugnis eine Herzensthat ist. Wir glauben demnach nichts Vergebliches, sondern vielmehr etwas Förderliches zu thun, weun wir uns über die sittlichen Aufgaben des christlichen Lehrers und Erziehers in Form eines Zeugnisses einigermaßen ver breiten, so bekannt auch sein mag, was wir bieten. Der Lehrer hat zunächst die Familieuerziehung zu ergänzen, fortzusetzen und nach Befinden zu verbessern und damit und dabei zugleich die Jugeud sür das Leben überhaupt vorzubereiten und geschickt zu machen.