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-— 1ü die Zöglinge, wenn dieselben in der Kindheit schon sich festsetzen, oft zeitlebens, so daß sie dann überall Ungerechtigkeit zu erfahren glauben und zu keiner Behörde Vertrauen haben. Man täusche sich nicht: Ungerechtigkeiten verhindern die An erkennung der besten Leistungen und lassen einen Stachel zurück, mit dem jeder gelegentlich gern wieder sticht. Erst wahre tiefere christliche Bildung befähigt, auch die üblen Folgen der Ungerechtigkeit zu überwinden. Außer der angedeuteten gesetzlichen Ordnung in der Schule ist das System des Dienens, das Helfersystem, nach welchem den Kindern und Zöglingen Ämter und Geschäfte zugeteilt werden, so daß sie etwas selbständig vertreten lernen, von großer Wichtigkeit, vorausgesetzt, daß man es damit nicht übertreibt und den Zöglingen nur so viel Rechte einräumt, als sie wirklich verstehen und ohne Schaden für sich und andere geltend machen können; denn durch geordnetes Dienen wird der Mensch am allermeisten praktisch auf das Leben gerichtet. Die Schule muß überhaupt ein Staat im kleinen sein, dergestalt gegliedert und eingerichtet, daß der Zögling dadurch für das Leben in der Gesellschaft, im Staate vorbereitet, vorgeübt und so ganz gewonnen wird, daß er inn späteren Leben seine ihm lieb gewordene Schule gleichsam immer wieder findet. In einem gesetzmäßigen staatlichen Leben hat die Kultur des Volks, der Nation Bestand und entwickelt sie sich gedeihlich weiter. IV6. In der bewußten Anteilnahme an der Kultur und den Knlturbe- strebungen und Fortschritten im Vaterlande bethätigt sich die Treue des Lehrers gegen sein Land und Volk zum Dritten. Die Kenntnis der Kultur des Vaterlands zu vernachlässigen oder vielleicht gar gleichgültig gegen Zeitfragen, Kulturbestrebungen und Fortschritte zu sein, ist entschieden unsittlich; denn es bedeutet ein Widerstreben gegen von Gott ge wirkte Triebe, von ihm herbeigeführte Verhältnisse und einen großen Mangel an Wohlwollen gegen die Gesellschaft. Die Geschichte der Kultur des Vaterlandes, den Stand derselben auf ver schiedenen Lebensgebieten, die kulturellen Bestrebungen, ihre Ziele in nächster Zukunft, die fortschreitende Entwicklung der Kultur in den einzelnen Zweigen muß der Lehrer im allgemeinen kennen und das alles, soweit die Zöglinge ihm folgen können, und soweit es ihnen angemessen ist, auch lehren. Man fordert in unserer Zeit mit Recht, daß das kulturgeschichtliche Element in dem Geschichtsunterrichte vorherrschend Berücksichtigung finde. In Geographie und Naturkunde läßt sich auch viel Kulturgeschichtliches ungezwungen anbringen. Indem der Lehrer und Erzieher seinen Zöglingen zum Wissen und Verstehen der Kultur im Vaterlande zu verhelfen sucht, wird er in seiner Thätigkeit selbst ein nicht unbedeutender Kulturfaktor, und daß die Zöglinge es durch ihn auch werden können, unterliegt keinem Zweifel, wenn der Lehrer in wahrer Treue wirkt; denn seine Treue schlägt in vielen seiner Zöglinge Wurzel und wird in ihnen ein fruchtbarer Kulturbaum. Dafür, daß die Kultur des Vaterlandes erhalten und gemehrt, gehoben werde, sorgt der Lehrer und Erzieher am meisten mit durch angemessenen, praktischen Schulunterricht. Was das Leben fordert, was der Stand der Kultur im Vater lande von jedem selbständigen Glieds der Staatsgemeinschaft erheischt, muß mit allem Fleiße gelehrt und geübt werden, um des Vaterlands willen, wie zum Segen für den Einzelnen. Mit der Zeit muß der Unterricht fortschreiten in elemen tarer, naturgemäßer und angemessener Weise, seiner Zeit muß der Lehrer genug thun, ohne jedoch in ihre Thorheiten zu verfallen. Vor den Thorheiten der Zeit bewahrt der christliche Charakter des Lehrers am meisten. Daß von der Kultur eines Volkes sein Geschick allermeist abhängt, ist aus gemacht. Wenn daher der Lehrer der Kultur seines Volkes dient, wird er auch für das Geschick desselben ein Herz haben.