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12 sondern in Kraft", in der Kraft der Wahrheit. Man suche das Wahre auch nicht einseitigerweise im Gefühlsleben oder eben so einseitig in orthodoxer Erkenntnis allein; denn im Reiche Gottes ist ebensowenig ein kopfhängerisches oder ein schwär merisches Wesen, als ein kaltes, sich selbst genügendes und daher abschließendes Verstandesleben herrschend, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geiste und Wärme so reich wie Licht zu Hause. Ganz verkehrt wäre es auch, zu meiuen, die christlich-religiöse Bildung, die aus dem wahren lebendigen Glauben hervorgeht, schließe eine eingehende, den Forderungen der Zeit, den berechtigten, vernünftigen, entsprechende Bildung im weltlichen Wissen und Können aus. Die christliche Bildung soll nur der Kern und Stern der ganzen Bildung und Erziehung sein. Denn Glaube und Wissen schaft sind durchaus keine unversöhnlichen Gegensätze, sondern sie ergänzen einander zur vollen Bildung im Geiste, indem der Glaube (als das Vertrauen, man nehme Wahres, Nichtiges in sich auf) allem Wissen vorangeht, es in seiner Entwicklung und Vervollständigung begleitet und der wahre christliche Glaube da zu seiner vollen Geltung kommt, wo unser Wissen nicht mehr ausreicht, uns zu befriedigen und zu dem von Gott gefetzten höchsten Ziele, der Gottähnlichkeit, zu führen, das Wissen aber den Glauben auf jeder Stufe zu veranschaulichen, zu klären und vor Einseitigkeiten und Verirrungen zu bewahren vermag. Die Gegnerschaft der Verbindung des Glaubens mit der wissenschaftlichen Erkenntnis beruht entweder auf einem großen Mangel an sittlicher Reife oder auf gänzlicher Unbekanntschaft mit dem Glauben oder auf ungenügender Denk arbeit. Es ist ebenso unsittlich, den christlichen Glauben zu verachten als die Wissenschaft in ihrem Werte zu unterschätzen. Ein Lehrer und Erzieher sollte einen einseitigen Standpunkt, den man dem Manne der Wissenschaft eher verzeiht, nicht einnehmen. Nach dieser allgemeinen Charakteristik der christlich-religiösen Stellung, die wir jedem Lehrer wünschen, wollen wir die Frage noch etwas spezieller beant worten: Wenn erweist sich der Lehrer und Erzieher als Jünger Jesu? Illa. Wir antworten: wenn er erstens in dem Herrn lebt. Ein Leben in dem Herrn ist nur durch lebendigen Glauben möglich. Man muß an Jesum glauben als den Sohn des lebendigen Gottes nach dem Inhalte des zweiten Artikels unseres Glaubensbekenntnisses und davon überzeugt sein, daß Jesus Christus der einzige Weg ist zur Wahrheit, zum Leben, zum Vater. Solchen wahren Glauben erkennt man aber au der Liebe zum Heiland. Ohne Liebe zum Heiland ist der Glaube Kopfglaube, das Christentum lediglich kalte Verstands sache und hat wenig Wert. Wir wünschen den Lehrern nicht vorzüglich, über den Glauben recht scharf denken und disputieren zu können, wiewohl wir völlige Klarheit darüber fordern, sondern daß sie den Glauben tief im Herzen tragen als den Brunnen lebendigen Wassers. Ein Lehrer, der nicht im lebendigen Glauben steht, kann zwar erziehende Liebe besitzen; aber niemals kann er das höchste Ziel der Erziehung, das neue, gerechte Leben in Christo, erreichen, Alles, was Christus gethan und gelitten hat, ist von ihm geleistet worden als dem von Gott verordneten Stellvertreter der ganzen Menschheit in Liebe für jeden einzelnen Menschen, d. h. für alle, so daß jeder nur durch Christum, in Christo vor Gott gerecht werden kann wie Christus. Wie aber die Jesusliebe die Erlösung und Rechtfertigung der Menschheit objektive vollbracht hat, so kann auch nur sie allein die subjektive Erlösung bewirken. An dieser Ordnung Gottes läßt sich nichts ändern, und der Lehrer und Er zieher muß sich vor allen in sie schicken.