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vielen jungen Lehrern, die an Wissen reich sind, gerade an Charakterbildung! Solche haben recht nötig, sich an ältere, gereiftere Lehrer anzuschließen und von ihnen zu lernen. Sie müssen sich konzentrieren in ihrem Wissen, vertiefen und nicht eher ruhn, als bis sie klaren, bestimmten organischen Zusammenhang in alles gebracht haben. Das ist sittliches Lernen. Auf die Wurzeln jedes Wissens muß man zurückgehen und von diesen in naturgemäßem Zusammenhänge bis zur wissen schaftlichen Auffassung der Stoffe fortschreiten, besonders aber auch deren zweck mäßige Anwendung erlernen. Wie die zu einem Gebiete gehörigen Stoffs müssen alle Stoffe nnter einander auch in das richtige sachliche und pädagogische Verhältnis gesetzt werden, so daß man endlich alles Wissen, was man besitzt, in organischem, klarem und bestimmtem Zusammenhangs pädagogisch beherrscht. Dann kann man mit Erfolg bestimmt unterrichten. Und wenn man seine Persönlichkeit dadurch zugleich bestimmt und von allem Wissen eine naturgemäße sittliche Anwendung auf sich selbst gemacht hat, so daß man weiß, warum und wozu man gelernt hat, wird man auch Charaktere zu bilden vermögen. Aus dem bestimmten Wesen folgt notwendig weises Handeln, und in der Weisheit giebt sich der Ernst des Erziehers und Lehrers zum Zweiten kund. tu. Wer sich ein bestimmtes Wissen und Wesen, wie wir es geschildert haben, angeeignet hat, der kennt auch die Ziele, die er erreichen soll, sowie die Mittel und Wege, welche dazu führen, genau, und daraus folgt eben weises Handeln. Die Weisheit giebt stets das Wahre, Angemessene, Notwendige und Nützliche zur rechten Zeit, in der rechten, d. h. zweckmäßigen Form und fordert solches in gleicher Weise. So wird sie den Forderungen sittlichen Wirkens gerecht. Sie kennt keine Methoden, die alles vermöchten, wohl aber eine Methode, die dem Objekte sowohl, als dem Subjekte angemessen ist,und die sie nach Bedürfnis gewiffenhafterweise modi fiziert. Sie wird dem Schwachen die rechte Hilfe, wie dem Starken die rechte Führerin. Sie weiß für alle in allem Rat, und sie fördert alle Schüler im Unter richt, wie sie allen die ihnen heilsame Richtung giebt. Sie genügt den von Gott gesetzten Bestimmungen, wie sie den Forderungen des Lebens gerecht wird. O wie viel Thorheiten begehen die Lehrer, die nicht genügend pädagogisch gebildet sind! Wie machen sie ungerechterweise die Zöglinge für ihre Mißgriffe verantwortlich! Atan muß sich wundern, daß die Natur der Zöglinge oft die ärgsten Fehler der Erzieher korrigiert, und daß manche Zöglinge gediegene Männer werden, obgleich sie verkehrt behandelt wurden. Da sieht man, daß der Erzieher glücklicherweise nicht so viel vermag, als der innere Bildungstrieb im Zöglinge. Diesen muß man daher auch vor allem kennen lernen und würdigen und seine Schüler originell sich entwickeln lassen, indem man „einen jeglichen gewähren läßt", nicht nach der Schablone und seinem egoistischen Eigensinne bilden wollen. Das ist weise und recht gehandelt. Dies kann aber nur ein Lehrer, der in gleichem Grade christlich wie pädagogisch gebildet ist; nur so kommt die wahre Lehrer- und Erzieherweisheit zur Entfaltung, wenn Christentum und Pädagogik im Bunde sind, die Weisheit, die aus Gott stammt, und die nur der pädagogisch gebildete Christ hat und anzuwenden versteht. Die verkehrte Behandlung, von der oben die Rede war, zeigt sich besonders in Sachen der Erziehung im engeren Sinne des Wortes. Wie thöricht, wie verkehrt, wie unrecht, die Vergehungen ohne Rücksicht auf die veranlassenden Umstände und inneren Ursachen, ohne Rücksicht auf Alter, Geschlecht, den Charakter und die bisherige Führung der Zöglinge zu bestrafen; wie verkehrt, nur dem Gesetze und der Ordnung Genüge thun zu wollen, nicht aber auch Seelsorge zu üben, um zu bessern; wie verkehrt, den Zöglingen, die sich vergangen haben, alles Böse zuzutrauen, sie demgemäß hart und abstoßend zu behandeln, statt sie durch Vertrauen zu gewinnen und in erbarmender Liebe an sich heran zu ziehen;