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Die hervorstechendste Eigenschaft der wahren Männlichkeit ist aber wohl der sittliche Ernst, und diesen fordern wir vom Lehrer und Erzieher, wenn wir verlangen, er solle den Zöglingen ein Vater sein. Liebe ohne streng sittlichen Ernst ist keine wahre, keine erziehende, sondern eine verziehende Liebe. Der Ernst giebt der Liebe erst die erziehende Kraft. Ernst allein taugt aber auch nicht zur Erziehung; denn ohne Liebe ist der Ernst kalt, berechnend, abstoßend und kann höchstens nur eine äußere, erzwungene Bildung herbeiführen, welche mit der Zeit, je eher je lieber, wieder abgestreift wird. Nur die ernste Liebe ersaßt innerlich, weil sie selbst innerlich ist. Ernst und Liebe müssen also verbunden sein,, und wenn sie zusammenwirken, wird Bildung und Erziehung gedeihen wie in einer Familie, wo die Mntter die zarten Kräfte weckt, entwickelt und entfaltet, bewahrt, schützt und unterstützt, heilt und stark macht, während der Vater durch feinen Ernst alles tiefer und höher leitet, die Kraft in die rechte Richtung bringt, die Form bildet und zu bestimmten allgemeinen Lebens zielen hinleitet. Sehr viele Lehrer sind von Jugend auf ernst gestimmt. Solchen wird es leichter werden, den rechten Erzieherernst sich anzueignen. Ernste Stimmung ist aber durchaus noch nicht ausreichend. Der Ernst des Erziehers, welchen wir fordern, ist der Ausfluß und Ausdruck voller männlicher und zugleich pädagogischer Reife, also völlige Klarheit und Bestimmtheit in allem, was ein Lehrer und Er zieher besitzen, geben und leisten soll, wahre Herrschaft über sich selbst, die Zöglinge, die Lehrstoffe und die Erziehungsmittel überhaupt, Einsicht rechter fruchtbringender Art in Zweck und Mittel, Festigkeit des Herzens, Zuverlässigkeit in allem. Solchen Ernst gewinnt man nur mit der Zeit durch gewissenhafte, unaus gesetzte Selbsterziehung, nur durch Übung und Erfahrung, nur unter viel Ent behrungen, nur bei idealem Sinne, dem das Höchste das erste und letzte Ziel ist und bleibt. Wer den Erzieherernst nun noch nicht in vollem Maße besitzt (und wer könnte behaupten, daß er hierin völlig wäre!!, der achte sich deshalb nicht gering; denn mit der Ausübung des männlichen Ernstes, den man schon besitzt, nimmt die männliche Reife zu, und wenn der Erzieher mit Gott in steter Gebetsgemeinschaft steht, wird Gottes Segen alles Mangelnde ersetzen. Der Erzieherernst oder der Ernst des Vaters, wie wir ihn allgemein charakterisiert haben, zeigt sich nun wie die Liebe in vier speziellen Stücken. Von diesen soll zunächst weiter gehandelt werden. Der sittliche Ernst des Vaters, des väterlichen Lehrers und Erziehers, zeigt Ila. sich zuerst in der Bestimmtheit, die den Zögling völlig ins klare setzt über das, was er wissen, können, thun oder lassen soll. Kurz und bestimmt muß jede Weisung, jeder Befehl, jede Mahnung, jede Drohung, jeder Tadel, jedes Lob, jede Aufgabe, jeder Auftrag sein. Nur bestimmtes Wesen weckt, macht aufmerksam, entschlossen, nötigt, weil es eben jede Schwankung ausschließt. Nichts ist in Sachen des Unterrichts und der Erziehung schädlicher als zweideutiges, schwankendes, un sicheres Wesen. Eben deshalb werden Frauen mit Knaben gewöhnlich nicht fertig, weil es ihnen an Bestimmtheit fehlt, weil sie mit den Knaben verhandeln und kapitulieren. Nur durch bestimmten Unterricht wird etwas gelernt, da nur das bestimmt Gelehrte klar und behältlich genug ist. Welche Verschwommenheit herrscht in den Köpfen mancher jungen Lehrer auf ganz notwendigen Wissensgebieten! Wie können solche die Kinder mit Erfolg lehren! Nur wer zu völliger Klarheit und Sicherheit in sittlichem Ernste sich hindurchgerungen hat, kann bestimmt und erfolg reich lehren. Nur durch bestimmtes Wesen kann der Lehrer, der dann selbst ein Charakter ist, jungen Menschen zu Charakterbildung verhelfen. Aber wie sehr mangelt es