Volltext Seite (XML)
14 aber war darauf berechnet, unsre Aufmerksamkeit zu fesseln und unser Interesse zu beleben. Sehr gern wohnte ich auch den ästhetisch-religiösen Gesprächen Dinters über ausgcwählte Krummachersche und Herdersche Parabeln bei, gern auch jenen Extrastunden oder Hälbstunden, in denen Lehrer und Zöglinge ab wechselnd freiwillig Räthsel anfgaben, auch Wohl einzelne Anekdoten erzählten. — Unterricht und Erziehungsweise hatten in mancher Hinsicht etwas Liberales, Geniales, der Entwicklung der Individualitäten Raumgebendes. Wenn die Lehrgegenstände es gestatteten, saßen wir in bunten Gruppen um den Lehrer herum, bei Winterkälte am großen Ofen; bei milderem Wetter in wärmerer Jahreszeit Placirten sich auch Lehrabtheilungen im Pfarrhofe auf Bänken und Sesseln; oder es lagerte sich auch die Schaar mit Dinter im Pfarrgarten auf ebener Erde unter großen schattigen Obstbäumen. Zu anderer Zeit wurde auch wieder peripatetisch, auf kleinen Wanderungen durch Fluren und Auen unterrichtet, während Einzelne an der Seite des Lehrers wandernd in bestimm ter Reihenfolge Latein oder Französisches recitirten, Sätze bildeten, parlirten. In den Stunden, in welchen es besonders der religiösen und formell-intellectuellen Bildung galt, wurde dagegen mit Strenge eine ernste Haltung, Aufmerksamkeit und Nachdenken gefordert; zerstreute und haltungslose Schüler wurden dann in Religionsstundeu feierlich erinnert, in anderen verlacht, mit Maulschellen bestraft; ja, es kam vor, daß Einzelne eine Weile in die Höhe auf die Bank gestellt wurden u. s. w. Gymnastischer Unterricht, wie ihn zu der Zeit schon Guthsmuths in Schnepfenthal, früher in Dessau einführte, wurde zwar nicht ertheilt, aber die Zöglinge erheiterten sich in ihren Freistunden mit allerlei Spiel, Bret-, Schach-, Ball-, Kegelspiel im Hof und Garten; je munterer und leben diger es da herging, desto lieber war es Dintern; gesellige Excursionen, wenn nur sonst die freie Zeit eingehalten wurde, waren Allen gestattet, die nicht etwa wegen Versäumniß und Faulheit an das Haus gebunden waren. Zu Zeiten wurden auch mit dem ganzen Cötus kleine Reisen auf 2 bis 3 Tage unter nommen. Wie in der Schule, so war «och mehr im Institute ein wechselseitiges Hilfssystcm unter den Schülern eingeführt. Die ersten Elemente der lateinischen Sprache habe ich da mit etlichen anderen Knaben unter Leitung eines weiter geförderten Mitzöglings Cuno gelernt, der vor mehreren Jahren als Appcl- lationsrath in Dresden gestorben ist. Durch seine herzliche Freundlichkeit, seine geistige Gewandtheit und Lebendigkeit hatte Cuno (Gerichtsamtmanns Sohn aus Colditz) unsre besondere Zuneigung erworben. Nach einiger Zeit wurde ich den Corneliusschülcrn eingereiht und, da ich mich so leidlich zurecht fand, wurde in mir der Gedanke angeregt, daß ich viel leicht noch (auf der Universität) stndiren könnte.