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84 einen Trunkenbold an öffentlichem Orte, daß er doch „sein Wäglein nicht über laden möge", jener unwillig zur Antwort gab: „Ich werde Wohl selber wissen, was der Schubkarrn trat (trägt)". — Bekannt ist auch die Antwort eines andern (gutmüthigen) Trunkenbolds, welcher, da ihn sein Pastor ermahnte, er möge doch endlich einmal seinen alten Adam in's Wasser werfen und ersäufen, mit einer psychologischen Berechtigung erwiederte: „Herr Magister, das „Luder" kann schwimmen; der ist nicht todt zu machen"; wobei man denn an das Schiller'sche Wort erinnert wird: „Erstickst du ihn nicht in den Lüften frei, stets wächst ihm die Kraft auf der Erde neu!" und an das biblisch-apostolische Wort Gal. 5, 16: „Wandelt im Geist, so werdet ihr nicht re." b) Da ich einst durch Aergernisse, welche Trunkenbolde auf dem Filiale gegeben hatten, veranlaßt, über die Sünde der Unmäßigkeit und Völlerei ge predigt und in der Predigt das Unwürdige, Bewußt- und Haltungslose des Zustandes der Trunkenheit geschildert hatte unter Anführung der Bibelworte aus Sprüch. Salom. 23, 34: „Du (Trunkenbold!) wirst sein, wie Einer, der mitten im Meere schläft, und wie Einer, der oben schläft am Mastbaume"; so war des Nachmittags die Predigt im Wirthshause mehrfach besprochen, auch von Etlichen als durch die Vorkommnisse provocirt anerkannt worden. Worauf denn ein sonst gutmüthiger, aber sehr leichtsinniger Mann, der am meisten zur Predigt Veranlassung gegeben, das Wort ergriffen und bemerkt hatte: „Das mag Alles schon gut sein, aber ich sage Euch, der Pfarrer ist auch einmal be soffen gewesen; sonst wüßte der nicht so, wie Einem dabei zu Muthe ist!" — Als mir mein Freund, der Filialkirchschullehrer M. die Sache erzählte, erwiederte ich: „Vom Pfarrer kann's nicht gelten, was der leichtsinnige W. behauptet; aber als königsberger Student hätte ich auch wohl einmal bei den dort gebräuch lichen Abschiedscommersen Versuchung dazu gehabt; überdieß hatten die königs berger Eckensteher nahe der Dinter'schen Wohnung eine stark freguentirte Kneipe und ihren Sammelplatz; da gab's genug Gelegenheit, Beobachtungen anzu stellen!" — e) Die Heilung der Trunksucht ist in der Regel nur dann möglich, wenn sie noch nicht lange Jahre eingewurzelt ist, wenn noch die erforderliche Willenskraft zur Besserung und die durch die Trunksucht oft geschwächte, nöthige Verdauungskraft noch vorhanden ist, um durch den Genuß kräftiger Speisen dem Körper anderweit die nöthige Nahrung zuzuführen; wenn endlich der ver führerische Einfluß alter trunksüchtiger Genossen abgeschnitten ist. Fehlt eine oder mehrere dieser Bedingungen, so bleibt auch die Anwendung medicinischer Mittel ohne dauernde Wirkung. Ich führe darüber ein Beispiel an aus dem Bereiche meiner Erfahrung.