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79 mittelst einer in den Kreisen etlicher wohlhabender Familien, besonders der des Kirchenpatrons, gehaltenen Sammlung und veranstaltete nun unter ernster Bezeugung des nur zu lange geduldeten Unrechts vor der Gemeinde eine nach trägliche Trauungsfeier. Dieselbe erregte wohl in der Gemeinde viel Aufsehn, aber sie weckte auch Ernst für die Sache, der es galt. — Die Wichtigkeit und Heiligkeit des Ehebundes wurde daneben in der Predigt, wo sich die Gelegen heit darbot, hervorgehoben, und ich suchte Gelegenheit, wo Ehezwist und Unfriede in einer Familie eingerissen war, mildernd und versöhnend durch vertrauliche seelsorgerische Gespräche einzuwirken (vergl. Z. 5). 2. Wie ich gegen unkeusches und unzüchtiges Leden in der Gemeinde andämpftc. Unkeusches, unzüchtiges Leben, das dem Fleische die Herrschaft über den Geist giebt, die Selbstbeherrschung, die Grundlage aller sittlichen Züchtig keit untergräbt, dann auch zur treuen und gewissenhaften Führung des ehelichen Lebens unfähig macht, nagt als ein fressender Schaden am Leben einzelner Menschen, wie ganzer Völker; es muß gegen dasselbe von der Erziehung und Seelsorge alles Ernstes angekämpft werden. Dazu muß in frühester Jugend das Schamgefühl, das heilige, geweckt und belebt, Keuschheit und Züchtigkeit muß zur stehenden guten Sitte im Familien- und Gemeindeleben erhoben, die Jugend aber bezüglich der Lectüre, des Umgangs und alles dessen, was ver derblich auf die Phantasie einwirkt, mit allem Fleiß überwacht werden. Wenn denn auch nächtliche ausgeartete Schwärmereien der männlichen und weiblichen Jugend in Stadt und Land und das ungeordnete und ungezügelte Zusammen leben beider Geschlechter in den Gesindestuben der großen Güter auf dem Lande oder in den überfüllten Armenwohnungen der großen Städte solchem Sittenver derben vielfach Vorschub leisten, so haben Polizeibehörden, Principale, Ge meinde-, Schul-, Kirchenvorstände die ernste Pflicht auf sich, vorbeugend, ver hütend, strafend das einreißendc Verderben zu bekämpfen. Auch der Geistliche, auch der jüngere angehende Geistliche hat sich bei Erfüllung solcher ernsten Pflicht zu betheiligen, wobei freilich ihm ebenso sittliche Energie, wie amtlicher Takt und Klugheit Noth thut. In der Weise achtete ich mich denn verpflichtet, gegen unkeusches und unzüchtiges Leben anzukämpfen. Ein Lohnfuhrmann aus der Lausitz, welcher Flachs und Garn nach Tr. gebracht, hatte am Trinitatisfeste des Vormittags mit einer leichtfertigen Weibs person öffentlich Unzucht getrieben, worüber Kinder, die aus der Ferne Zeuge gewesen, ein Geschrei im Städtlein erhoben und unter allen besser gesinnten Einwohnern eine Entrüstung hervorgerufen hatten. Der ebenso strafwürdige Delinquent hatte sich alsbald aus dem Staube gemacht, und mochte auch über