Volltext Seite (XML)
77 Heuchelei vereitelt. Er blieb nach seiner Rückkehr aus der Correctionsanstalt der gefürchtete Dieb; insgemein der Teufelsmüller genannt, welcher die Gegend unsicher machte. b) Wie insbesondere pharisäische Scheinheiligkeit im Bunde mit der Sünde geht, will ich noch an einem besondern Beispiele darthun. In meiner Gemeinde lebte eine Fran (G.), welche sich oft hoffärtig rühmte, zu den fleißigsten Kirchengängerinnen zu gehören, keinen Gottesdienst zu ver säumen und, wenn sie schon einmal verhindert wäre, so müsse sie doch ein Weilchen vor der Kirchthür am Fenster zuhören; ihr Haus war nicht eben weit von der Kirche entfernt. Neben dieser angeblichen Kirchlichkeit wurde sie von Eitelkeit und Falschheit beherrscht und fröhnte allerlei Sünden der Klatscherei, selbst der Sünde unverschämten Ehebruchs. Sie mußte dabei bald dem öffent lichen Gericht anheimfallen. In der Nähe des Kirchenfensters, da sie öfters Stellung nahm, befand sich nun noch aus früherer Zeit ein Halseisen, ein Pranger in der Mauer, und strafte der Bolkswitz die scheinheilige Frau mit dem Worte: „Die Frau G. hat heute wieder am Pranger gestanden!" 3. Fluch des Meineids. Auch über Fluch und Verderben, das dem Meineid folgt, habe ich Gelegenheit gehabt, Erfahrungen zu machen und habe das alte Sprichwort bestätigt gefunden: „Falsch geschworen: Gott verloren! Gott verloren: Alles verloren!" — Eine Frau Gtz. war des Flachsdiebstahls angeklagt und hatte, vor Gericht gefordert, das Vergehen, wie es schien, auf Verlangen des Mannes abgeschworen. Da sie nun durch anderweite an den Tag gekommene Thatsachen des Vergehens überführt wurde, erschrak sie wegen ihres Meineides im Innersten, erkrankte zum Tode und bat an ihrem Sterbetage um das heilige Abendmahl. Mit ge ängstigtem Herzen bekannte sie beichtend ihre Sünde, und reichte ich ihr die Unterpfänder der Gnade und tröstete die Sterbende mit dem göttlichen Erbarmen, das dem reuigen Sünder noch am Kreuze (dem Mitgekreuzigten) von Christo verheißen. — — Dazu noch ein Beispiel: Zwei Brüder R. in einem eingepfarrten Dorfe waren in einen schweren Erbstreit verwickelt. Der Jüngere, der sein väter liches Erbe schon durchgebracht hatte, machte nachträglich allerlei Ansprüche geltend, berief sich auf erhaltene Zusagen, so daß das Gericht nur mittelst des Eidschwurs Beider die Sache, wie früher öfters vorkam, glaubte zur Erledigung bringen zu können. Der Jüngere leistete den Gefährteeid, der Aeltere, ein allgemein geachteter Nachbar und Gutsbesitzer in der Gemeinde, den Haupteid; der letztere unterstützte aber noch die Angehörigen des Bruders aus freiem Antriebe. Der Eid des ersteren, des Jüngeren, galt allgemein als Meineid,