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76 haben. (Religiöse Wahrheit!) — Hast du aber Unrecht gethan, betrachte aufrichtiges Bekenntuiß des Unrechts als das beste Mittel, um inneren und äußeren Schaden wieder gut zu machen (Ps. 32, 2, 3.). Wo „Wahrheit über Alles!" Grundsatz ist in Familie, Schule, Staat, Kirche: da ist der rechte Grund gelegt zum wahren Leben und Gedeihn! Wo in der Familie Unwahrheit und Untreue Vater und Mutter entfremdet, im Zusammenhänge mit allerlei Sünde, als Trägheit, Verschwendung, Putzsucht, Koketterie der Mutter oder in Folge der Tyrannei, der Kargheit, Spielsucht, Verschwendung, Untreue des Vaters: da ist in höheren und niederen Kreisen der Boden für eine gesegnete Kindererziehung untergraben; da ist Friede und Segen von solchem Hause gewichen. Was die heilige Schrift vom Geiz »nd Mammonsdienst sagt, daß sie die Wurzel alles Uebels seien, das sagt sie in stärkerer Weise von der Lüge, als Ursprung und Quelle der Sünde, wenn sie den Teufel einen Lügner und den Vater der Lüge und den Menschenmörder von Anfang nennt! 2. Wie sehr Lügenhaftigkeit im Bunde mit Sünde und Laster stehen, das kann ich nach meiner Erfahrung besonders zuerst von armen unglücklichen Sträflingen nachweifen, von denen Viele, nachdem sie erst durch Lug und Trug in Laster verfallen, durch jahrelangen Umgang mit lügenhaften verkommenen Personen in ihrer Lasterhaftigkeit befestigt werden. Um nicht weitschweifig zu Werden, führe ich darüber nur Ein Beispiel an, meine erste Erfahrung und Verhandlung, die ich mit einem gefangenen Sträflinge machte: Ein bereits wegen Dieberei bestrafter Mensch F., in der Gegend von einer kleinen Waldmühle, die er besaß, „Deubelsmüller" genannt, befand sich, da ich in mein Amt eintrat, im Patrimonial-Gerichtsgefängnisse, in dessen Nachbar schaft ich als Pfarrsubstitut wohnte. Obschon er nicht zu meinen Parochianen gehörte, glaubte ich ihn besuchen zu müssen. Ich besprach mich mit ihm über seine Lebensgeschichte und ging dann auf seinen Herzens- und Gemüthszustand ein, den ich ihm als Hauptsache bezeichnete. Er erheuchelte nun mit Mienen und Geberden und vielen schönen Worten eine große Frömmigkeit, entschuldigte sein Vergehn mit der Noth und Sorge für die Seinen, gab sich im Uebrigen für einen arbeitsamen und rechtschaffenen Mann aus und suchte mich auf jede Weise für sich einzunehmen. — Ich ging darauf näher auf sein Familienleben, auf Frau und Kinder ein: da wollte er wieder als ein sehr gewissenhafter Hausvater gelten, bat aber dann, mich mit meiner Vorstellung und Fürsprache dahin zu verwenden, daß die Frau während seiner Abwesenheit nicht den An trag auf Ehescheidung stellen möge; er werde in Zukunft sich als der bravste Mann erweisen. — Die Hoffnung auf Besserung des Mannes wurde durch seine