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71 herantritt, ist im Allgemeinen für den evangelischen Geistlichen da nur thunlich, wo Empfänglichkeit und Bedürfniß vorhanden ist. Sind die Menschen bei einem materialistischen Treiben und Speculiren für das sittlich-religiöse Leben erstorben und für die Gemeinschaft mit der übersinnlichen Welt verloren, sind sie bei dem vorherrschenden Gefühle politischer Selbstständigkeit und Mündig keit in dem Wahne befangen, daß sie auch in allen andern Angelegenheiten ihres innern und höheren Lebens weiterer Berathung und Unterweisung nicht bedürfen, so werden solche seelsorgerische Bemühungen des Geistlichen immer sehr schwierig sein und wenig Frucht schaffen. Und so war denn auch die specielle geistliche Seelsorge längere Zeit, namentlich in den größeren Städten immer mehr zurückgekommen und vr. G., der gelehrte Herausgeber des vor maligen Journales für Prediger, erklärte einst als Gast im grimmaischen Pre digervereine : „Bei uns und in vielen großen Städten steht die specielle Seelsorge auf Null!" In neuerer Zeit haben nun tüchtige Geistliche auch in großen Städten im Anschluß an die Kindererziehung und den Confirmandenunterricht, im Anschluß an die Literatur durch Verbreitung guter Volksschriften, unter Hinweisung auch auf die Pflicht der Gebildeten, dem bedenklichen Verfall des sittlich-christlichen Lebens im Volke nnd der Wciterverbreitung der antichristlichen Grundsätze einer socialdemokratischen Parthei entgegenzutreten, direct und indirect seelsorgerisch auf Biele eingewirkt und durch Begründung von Vereinen, durch Anregung der Bethätigung bei den Werken der äußern und innern Mission den Glauben, der durch Liebe thätig ist, lebendig und selbstbewußt gemacht. Damit ist denn in neuerer Zeit den Geistlichen für die seelsorgerische Wirksamkeit in den Ge meinden ein andrer Weg gezeigt worden. (Vergl. 8- 19.) In einer Gemeinde, wie die trebsener, da vor 40 nnd 50 Jahren die Verhältnisse des Volkslebens und der Culturstand noch andere waren, vermochte der Geistliche mit leichterer Mühe seinen einzelnen Parochianen näherzutreten und bei gewissenhafter Pastoralklugheit seelsorgerisch auf sie einzuwirkeu. Es sei mir nun gestattet, zuvörderst manche dießfallsige Erfahrungen nebst Erläu terungen in diesem Capitel mitzutheilen, darnach aber am Schluffe dieses Ab schnittes (in ß. 19) noch etwas weiter auf Schwierigkeit uud verschiedene Art der seelsorgerischen Wirksamkeit des Geistlichen einzugehen. Z. 12. Hrfakrungen, vetr. das religiös-kirchliche Leve». l. verschiedenartige Leanlagung und Kntmckstmg des religiösen Lebens. Die verschiedenartige Blüthenentwicklung der Pflanzen zum himmlischen Lichte empor ist eine natursymbolischc Veranschaulichung für die religiöse Her ausbildung des Mcnschengeistes.