Volltext Seite (XML)
66 aus ihnen als aus Quellen des lebendigen Wassers schöpfen; auch lyrisch-poe tische Bearbeitungen dieser großen Dogmen, von edler Mystik eingegeben, werde ich dann nicht einseitig, spielend, schwärmerisch, sondern mit Geist und Gemüth zugleich, richtiger und tiefer auffassen und verwerthen. So z. B. das kurze Trinitätslied von Beruh, v. Derschau 1639 in Königsberg): Mel.: „Erhalt uns Herr bei deinem Wort" — 1) Mir ist ein geistlich Kirchelein Erbauet in dem Herzen mein Das allerseits geschmücket ist Bom Lebensbilde Jesu Christ! (Urspr.: Das allerseits gefärbet ist Bom Blut des Lämmleins Jesu Christ!) 2) In diesem kleinen Kirchelein Hat ihren Sitz und wohnet drein Die heilige Dreieinigkeit: Gott Vater, Sohn und heiliger Geist. 3) Dieß Kirchlein ist zwar g'ring und klein; Weil aber die Drei wohnen drein. Es wunderbar und herrlich ist, Wie's Niemand jemals ganz ermißt. 4) Dieß Heiligthum im Herzen mein, Laß Dir, o Gott, befohlen sein! Behüt's vor Schaden in der Zeit, Wohn d'rin hier und in Ewigkeit! o) Es ist hier nicht der Ort, das Gesagte au den verschiedenen einzelnen Dogmen weiter nachzuweisen, und wollen wir nur noch von der Inspiration der heiligen Schrift einige Bemerkungen hinzufügen, welche in den Bekennt- nißschriften Präsumirt, aber nicht weiter erläutert wird. Der selbstthätig forschende, dogmenhistorisch gebildete Geistliche wird die heilige Schrift richtiger brauchen, wenn er die unbedingte Gültigkeit und Inspi ration derselben nicht auf den Buchstaben und alle Worte, sie vielmehr mit Reinhard auf ihren religiösen Inhalt bezieht; wenn er die Eigenthümlichkeiten der vom göttlichen Geiste unterstützten und getriebenen Propheten und biblischen Schriftsteller anerkennt, wenn er mit Luther niedere und höhere Grade der Inspiration unterscheidend, im Alten Testamente, das die Heilsoffenbarung in Christo anbahnt, die geringere, im Neuen Testament aber die vollkommere erkennt, und mit demselben Luther selbst in den einzelnen neutestamentlichen Schriften noch besondere Tiefen de^ Inspiration würdigt. Vergl. Luthers Schriften Walch'sche Ausgabe Bd. XIV. S. 104, 172, Bd. VII. S. 2044 u. A. 3. Die Stellung des Geistlichen M veränderlichen Zeitgeiste. Die veränderlichen, das Streben der Mehrzahl eine Zeit lang beherrschenden Richtungen sind mannichfaltig. Jetzt ist man in Folge einflußreicher Entdeckungen mit vorherrschender Begeisterung auf scientivische, naturkundliche und gewerbliche Bildung gerichtet; man erwartet davon Förderung des Volkswohles im Großen und Ganzen. Jetzt nimmt das politische Leben, Veränderung der Staatsver fassung, der Gesetzgebung, veränderte Stellung der Stände zu einander das