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65 kräftiger und freudiger, wenn ich mit eignem wissenschaftlichen Denken und Sinnen, mit bewußterem Glauben theils vom Gesichtspunkte des vollkommensten Selbst bewußtseins in Gott aus, theils von dem Wesen Gottes als der unendlichen Liebe aus dasselbe auffasse und in solcherlei Betrachtung mir vorstelle: Die Gedanken Gottes, des absolut vollkommensten, über Welt und Zeit erhabenen Geistes, sind im Gegensatz zu menschlichen Gedanken Realitäten und Wesenheiten; indem nun Gott der unendliche Geist mit vollkommenstem Selbst bewußtsein sich selbst denkt, geht aus ihm das Ebenbild seines Wesens, der Abglanz seiner Herrlichkeit hervor, d. h. der eingeborne Sohn, von Ewigkeit her aus dem Wesen des Vaters gezeugt. Zum vollkommensten Selbstbewußt sein Gottes gehört aber auch, daß er fort und fort in der wirksamen Aeußerung seiner unendlichen Kraftfülle sich anschaue, und darum geht von Gott dem Vater, dem überweltlichen verborgenen Gotte und dem eingebornen Sohne Gottes der Geist aus, der als Weltgeist (Weisheit 1, 7.) den Weltkreis erfüllt, allen Wesen Kraft und Leben verleiht, und der als heiliger Geist die Gläubigen beruft, erleuchtet, heiligt, in der Gemeinschaft mit dem Herrn zeitlich und ewig erhält. Von der Betrachtung des göttlichen Wesens als der vollkommensten Liebe aus erläutern wir die Trinitätslehre von Vater Sohn und Geist: Gott als die unendliche Liebe bedarf zu seiner Selbstgenügsamkeit ein ihm gleiches Wesen, auf das er die Fülle heiliger Gottesliebe übertragen kann. Darum hat er von Ewigkeit her den Sohn, den eingebornen (Pf. 2, 7.) gezeugt, der in des Vaters Schooß ist. — Das Wesen der vollkommensten Liebe besteht aber wiederum zugleich darin, daß sie nicht allein für sich sein und des Lebens sich freuen will; sie will auch fort und fort durch die Fülle der Zeit hindurch Andern Lebenskräfte und Gaben in unendlicher Mannichfaltigkeit mittheilen, so daß Wesen auf höheren und niederen Stufen in der sichtbaren und unsichtbaren Welt sich des Daseins erfreuen und die ewige Liebe bezeugen und verherrlichen. Das macht und wirkt der heilige Liebesgeist, der vom Vater und Sohne aus gehend solche Gaben mittheilt. — So ist denn die unendliche Liebe in dreifacher Persönlichkeit Gegenstand der christlichen Verehrung und Anbetung; die Christen heit preist mit den Seraphim den Dreimalheiligen: „Heilig, heilig, heilig ist Gott der Herr Zebaoth, alle Lande rc." (Jes. 6.). Wenn ich denn nach Maßgabe meines erleuchteten Glaubens, meines reli giösen Denkens und Sinnens auch die großen Mysterien des christlichen Glaubens in das System meiner, immerhin beschränkten religiösen Begriffe und Ideen aufnehme und verarbeitend im Kopfe und Herzen bewege: so bleibe ich nicht ein matter, mehr nur passiver Referent derselben, sondern ich lerne und lehre