64 Kirche und Schule zu einer Erleichterung und Beruhigung gereichen; es wird diese modificirte Verpflichtungsform kein gewissenhafter Mann zur Mißachtung der evangelischen Grundlehre mißbrauchen. 2. Stellung des evangelischen Geistlichen M Mstcnschaft: a) Aus dem Gesagten ergiebt sich schon, daß neben der confessionellen Verpflichtung das selbstthätige wissenschaftliche Denken über die christlichen Glaubenswahrheiten dem Geistlichen nicht verwehrt, vielmehr von ihm im Inter esse seiner geistlichen Bildung und Wirksamkeit gefordert werden müsse. — Das unsichtbare ewige Wesen Gottes, sein heiliger Wille, sein gnadenvoller Rathschluß ist uns als sinnlich-geistigen Wesen ursprünglich verborgen, geoffen bart aber von der Ferne in der Natur, anschaulicher und deutlicher in den lebensvollen Bildern und Aussprüchen der heiligen Schrift und dabei am voll kommensten in Christo dem Eingebornen (Ebr. 1,1. ff.) vom Vater. — Aus der blühenden Pflanzenwelt saugt eifrig (dergl. S. 2 im Eingänge) die Biene mit ihrem Rüssel den kostbaren Saft, verarbeitet ihn in sich, bietet ihn als süßen Honigseim zur Erquickung den Menschen dar. — In die Tiefen des erz reichen Gebirgs hinab fährt mit seiner Leuchte der Bergmann Tag und Nacht, fördert die edlen Metalle an das Licht und in die Schmelzhütten, daß das Gold und Silber dann, wenn es gereinigt und geprägt ist, als werthvolle Münze dem Leben der Menschen diene. Also auch der evangelische Geistliche. Er sucht und forscht in der Schrift; er eignet sich die Heilswahrheit geistig verarbeitend im innersten Bewußtsein an, bereitet sie faßlich und erbaulich für seine Gemeindeglieder und wird dann auf Grund eigner innerer Erfahrung ihr kräftiger und lebendiger Zeuge. Wissen schaftliche Forschung und Verarbeitung ist ihm dazu unentbehrlich. Exegetische Studien gehören dazu, d^n Schatz der heiligen Wahrheit zu heben; Psycholo gische und religiös-philosophische, ihn zu verarbeiten; apologetische, kirchen- und dogmenhistorische, um die mancherlei Skepsis unserer Tage zu widerlegen. So bekämpfte Tischendorf in seiner populär-wissenschaftlichen Schrift: „Wann sind unsre Evangelien abgefaßt worden?" — siegreich jene Männer wie Strauß, Schenkel, Renan, welche den Glauben an die Aechtheit der evan gelischen Geschichtsquellen zu untergraben drohten. d) So läßt sich nun auch an den großen Dogmen und Mysterien der Christenheit Werth und Nothwendigkeit des selbstthätigen Denkens nnd Forschens darthun. Anders lehre und bezeuge ich das Dogma von dem dreieinigen Wesen Gottes, wenn ich nur mit kirchlichem Autoritätsglauben, anders und zwar