45 fortdauert. Dadurch vervollkommnet sie sich allmählig und wird immer allge mein gültiger und annehmbarer. Wäre sie einer solchen Vervollkommnung nicht fähig, so könnte sie auch nicht allgemein werden und immerfort dauern; sie müßte auf gewisse Oerter und Zeiten beschränkt bleiben, müßte sich gleichsam selbst überleben, wie so manches Gute und Schöne in der Welt! — Man kann dieß kurzweg die Perfectibilität der geoffenbarten Religion nennen. Das Princip der Vervollkommnung muß aber in der geoffenbarten Lehre selbst liegen rc." Wenn die Vertheidiger der Perfectibilität des Christenthums dieselbe nur auf manche der Vorzeit angehörige Sinnbilder, Typen, Einkleidungsformen, alttestamentliche Wundererzählungen beziehen, im Uebrigen die unter 1 erläu terten, in der Offenbarungsurkunde bezeugten göttlichen Thatsachen und Heils lehren feststehen lassen: so mögen wir wohl ihre abgeleitete christliche Gnosis hinnehmen; wollen sie aber eins jener, zum ewigen Evangelio von Christo gerech neten Stücke damit verwerfen, so müssen wir wie Paulus einst über die judai- sirenden Jrrlehrer Galat. 1, 7 ff. das Anathema sprechen. Zu jenen Vertretern der Perfectibilität des Christenthums dürfte auch der sonst so geistvolle Gotthold Ephraim Lessing gerechnet werden, wenn er in seiner, bald nach dem „Nathan" erschienenen Schrift „die Erziehung des Menschengeschlechts in Z. 81 das Ziel der göttlichen Menschenerziehung „die höchste Stufe der Aufklärung und Reinigkeit" in der Zeit eines neuen ewigen Evangeliums sucht, von dem er Z. 86 sagt, daß sie uns in den Elementar büchern des neuen Bundes versprochen werde"; und ß. 88 zollt er denen Bei fall, die da lehrten, daß der neue Bund ebensowohl antiqnirt werden müsse, als es der alte geworden; es bleibe die nämliche Oekonomie Gottes, der näm liche Plan der allgemeinen Menschenerziehung". — Somit erkennt Lessing in der Offenbarung durch Jesum Christum nicht die heilige Geistesoffenbarung in der reichsten Fülle nnd Vollendung. e) Hören wir dagegen Schleiermachers Zeugniß für die ewige Dauer der christlichen Heilslehre: „Es geht schon seit geraumer Zeit eine Fabel unter den Menschen, und auch in diesen Tagen wird sie häufig gehört; der Unglaube hat sie ersonnen nnd der Kleiuglaube nimmt sie auf. So lautet sie. Es werde eine Zeit kommen, und sie sei vielleicht schon da, wo auch über diesen Jesus von Nazareth ergehen werde, was Recht ist. Jedes menschliche Gedächtniß sei nur fruchtbar für eine gewisse Zeit; viel habe das menschliche Geschlecht ihm zu danken; Großes habe Gott durch ihn aus gerichtet; aber er sei auch nur unser Einer gewesen, und seine Stnnde, vergessen zu werden, müsse auch schlagen. Sei es sein Ernst