Volltext Seite (XML)
37 manche Fragen über Sinn und Auslegung von Stellen in den Psalmen vor, an deren Lectüre sie sich in der Zeit der Trübsal besonders erweckte. Man erwartete nun, Borowsky werde sich persönlich vorstellen, und da das nicht ge schah, erhielt er eine besondere Einladung. Bei seinem Eintritt fragte ihn die Königin, warum er nicht von selbst komme, worauf er erwiederte: das verbietet mir die heilige Schrift, welche sagt: „Dränge dich nicht zu der Könige Häuser". Darnach erhielt er wiederholt besondere Veranlassung zu ernsten und erbaulichen Besprechungen in der königlichen Familie. Da Borowsky gleich in der ersten Zeit bemerkte, wie der König von Un willen, Haß und Bitterkeit gegen Napoleon erfüllt sei, wies er ihn darauf hin, daß Napoleon nur eine Zuchtruthe, ein Werkzeug in der Hand Gottes zur Prüfung und Heimsuchung der Völker sei, daß derselbe von der Macht seines Ehrgeizes und seiner Herrschsucht tyrannysirt werde, daß aber gewißlich seine tyrannische Willkürherrschaft nur eine kurze Zeit bestehen werde; er, der König möge sich denn um feinet selbst und seines Volks Willen von diesem gehässigen Unwillen frei machen und mit christlicher Geduld im Geiste eine zuwartende vertrauensvolle Stellung über seinen Gegner einnehmen. Wenn nun dennoch der König wiederholt von Kleinmnth und Trostlosigkeit über die Geschicke seines Volks und seiner Dynastie ergriffen wurde: so fand er, wie Bischof Eylert sagt, in dieser Läuterungszeit seines äußern und innern Lebens an Borowsky einen wahren Apostel des Herrn; er stand ihm in den Wehen der Wiedergeburt bei und seine Individualität paßte ganz zu der des Königs. Borowsky legte ihm unverholen die Grundursachen des Unglücks dar, bewies ihm aber auch aus der Schrift, daß Gott gebesserte Völker immer wieder erhöhe, während er übermüthige und verderbte demüthige. Mit gewisser ruhiger Zuversicht kündigte er ihm eine bessere Zukunft an. — „Oft bedürfen Staaten und Fürsten der Besserung", sagte er. „Die Schlacken müssen von ihnen weggebrannt werden, die im Glücke an sie gekommen sind. Dazu sendet der Herr das Feuer der Trüb sal, aber der Fromme harrt aus, Gott weiß Maaß und Ziel". Als einmal alle Trostworte Borowskys nichts mehr helfen wollten, erfaßte dieser, im Drange seines Herzens das Knopfloch der königlichen Uniform und sprach, indem er dem Könige voll Innigkeit in's Auge schaute: „Ew. Majestät, soviel der Mensch glaubt, soviel gewährt ihm Gott!" Dieses Wort ward lebendig im Herzen des Königs; es durchdrang ihm Mark und Bein und brachte ihm Trost und Frieden! Ueber die Königin spricht sich Borowsky selbst folgendermaßen aus: „Ihre Frömmigkeit ist eine christliche, gesunde, einfache naturgemäße ohne Kunst und Sentimentalität. Ihre religiösen Ansichten, Ueberzeugungen, Gefühle, Be-