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33 muß, ehe ich es unternehmen kann, meine Gemeinde im Herrn aufzuerbauen; und dieser Eine bin ich selbst!"*) Ein anderer pädagogisch-theologisch erfahrener Mann sagt: „Wohl hat das Wort Gottes und Sacrament auch unabhängig von der Persönlichkeit des Lehrenden eine Wirkung; aber namentlich bei der Jugend und allen unselbst ständigeren Denkern, namentlich auch bei dem gemüthvolleren weiblichen Geschlechte geschieht die Mittheilung des christlichen Lebens mehr durch die Macht einer vom Worte Gottes und dem heiligen Geiste getragenen Persönlichkeit, als durch selbstthätige Erkenntniß". Von ihrem alten Geistgesalbten Seelsorger legten einst christliche Gemeindeglieder ein schönes Zeugniß mit den Worten ab: „„Wenn Der auftritt und die Hände faltend mit verklärtem Blicke die Gemeinde überschaut und dann still betend emporschaut, noch, ehe er seinen Mund aufthut und seine Rede beginnt, stehen wir schon Alle vor dem Herrn und beten mit ihm im Herzen!"" Hier verdienen die Methodistenprediger in Amerika und England mit ihrer Wirkung über die Gemüther eine Erwähnung. Diese Männer haben durch selbstopfernde Hingebung an den Herrn, welche sich in ihrer äußeren Erscheinung, im Ton, dann in der begeisterungsvollen Rede kund giebt, oft außerordentliche religiöse Bewegungen der Gemüther in ihren Gemeinden hervorgebracht, dazu auch eine Opferwilligkeit für das Evangelium und seine Verbreitung in den verschiedenen Erdtheilen angeregt, wie sich einer solchen nicht leicht eine andere kirchliche Gemeinschaft rühmen kann. Freilich kommt's auch vor, daß sie ihre uncultivirteren Zuhörer — die Neger — zu ausgearteten Bewegungen, zu Verzückungen, zu einer Art „Zungenreden" Hinreißen, dem der Apostel Paulus einen geringen Werth beilegt (2. Cor. 14.) und von dem er V. 23. sagt, daß Laien und Ungläubige solche Zungenredner für wahnsinnig halten. b) Darum bedarf's denn neben der Einwirkung auf das fromme Gemüths- und Gefühlsleben zugleich einer verständigen Belehrung und Unterweisung zur selbstbewußten Aneignung des Glaubenslebens. Ist nun der Lehrer in der Kirche oder Schule selbst ein nach Geist und Herz religiös durchgebildeter Mann, so wird er in seinen Pflegebefohlnen dazu den Grund legen und in ihren Seelen *) Jean Paul sagt: „Da die erste Regel für Jeden, der etwas geben will, diese ist, daß er selbst habe, so kann Niemand Religion lehren, als der Religion besitzt. Newton, der sein Haupt entblößte, wenn der große Name Gottes genannt wurde, wäre ohne Worte ein Religionslehrer vor Kindern geworden!" Schleiermacher: „Keine Wirkung ist zu hoffen, wenn man Andachtsübungen denjenigen Lehrern überläßt, in denen die Andacht selbst keine Wahrheit ist".