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26 vernachlässige, und Abends heimkehrend sie auch schlecht behandle. Ich müßte ihr da rathen und helfen als Pastor, wenn ich auch noch unverheirathet und ein junger Geistlicher sei. Ich erwiederte ihr, daß ich als Seelsorger nur auf das Wort Gottes Hinweisen könne; das fordere von beiden Ehegatten treue Pflichterfüllung. Sie solle denn nur fleißig 1. Petri 3, V. 1—5 lesen; darnach müsse sie demüthig und unterthänig dem Mann als dem Herrn sein, dabei sparsam ohne Eitelkeit, still und sauftmüthig, und durch solche gute Gesinnung und solchen Wandel müsse sie den Gatten und Hausvater, wenn er in Gefahr sei, auf Abwege zu kommen, wieder gewinnen. Auch solle sie das als meinen Rath dem Manne versprechen. Darnach müsse freilich auch der Mann nach Ephes. 5, 25 ff. seiner Frau treue, selbstverleugnende aufopfernde Liebe be weisen nach Christi Vorbilde und seine Familienglieder gewissenhaft versorgen, wie das Wort Gottes lehret 1. Tim. 5, 8.: „Wer die Seinen nicht versorget re.", und wollte ich gern baldigst mit ihrem Manne dann einmal darüber sprechen, und ihn ernstlich bittend auf seine Pflichten aufmerksam machen; wenn Beide dem Worte Gottes nachkommen wollten, werde es gewiß besser werden. Ich that das, und gestaltete sich das Berhältniß beider Eheleute besser, so lange sie noch in Trebsen lebten; der Beamte wurde nach einiger Zeit in eine andere Stellung versetzt. So wurde mir durch die amtliche Praxis selbst klar, was der Auftrag meines Amtes sei und was und wie ich als Diener Christi und seines Wortes zu reden und zu handeln habe! b) Bei Festhaltung dieses Grundsatzes wurde ich immer muthiger und vertrauensvoller, Niemand durfte meine Jugend mißachten, noch weniger das Amt, zu dessen Verwaltung ich berufen war. Dazu ein anderes Beispiel. In einem eingepfarrten Dorfe lebte ein bäuerlicher Gutsbesitzer und Wind müller D., der, weil er vor Zeiten einmal ein Gymuasialschüler unterer Classen gewesen, sich als ein höher gebildeter Mann über seine Nachbarn erhob und über geistliche und kirchliche Angelegenheiten gern absprechende Urtheile fällte. Da nun ein mir weniger bekannter Gutsnachbar des Mannes gestorben war und mit Begräbnißpredigt bestattet werden sollte, nahm ich bei einem Besuche im Dorfe Gelegenheit, im Gespräche mit D. mich nach etlichen Umständen im Leben des Verstorbenen und seiner Familie zu erkundigen, um etwaiger Jncorrectheit im Lebenslaufe und der Predigt vorzubeugen. Der Mann war wenig geneigt, auf die Sache einzugehn und bemerkte, wegen der Leichenpredigt käme gar nichts darauf an; denn es heiße doch einmal: „Leichenpredigten Lügenpredigten!" Ich erstaunte über seine Rede und mußte ihm erwiedern, daß ich ein solch' Urtheil aus seinem Munde nicht wieder hören wolle; ich wolle ihm aber sagen,