90 einen üblen Grund gelegt, das Nebel erhöht; tief gewurzeltes Mißtraun gegen Menschen hatten auch ein höheres Bertraun auf Gott und seine gnadenreiche Führung untergraben. Sie ging wenig aus; wenn sie aber ausging, nahm sie ihren kleinen Wirthschaftskram mit sich, damit nicht, wie sie sagte, böse Menschen ihr Gift einstreuen möchten, und erschien sie denn immer mit dem gefüllten Tragkorbe auf dem Rücken*). Als ich sie ermahnte, daß sie doch auch, wie ihre Nachbarn und Bekannten mit zur Kirche kommen möchte, erwiederte sie, mich kurz abweisend, daß sie doch nicht mit dem Tragkorbe auf dem Rücken kommen könne! So ging sie körperlich und geistig immer mehr zurücke, und erst in ihren letzten Tagen und Stunden verließ sie der Plaggeist und sie zeigte sich auch für religiöse Tröstung empfänglicher. b) Ein junger Weber (Sch.), das einzige, etwas verzogene Kind schlichter ehrbarer Eltern im Dorfe R. war auf seiner Wanderschaft unter böse Gesellen gerathen, die ihn zu allerlei Sünde, auch zum Diebstahl verführt hatten. Seine ohnehin schwächliche Gesundheit war im Gefängniß und Zuchthause mehr ge schwächt, sein böses Gewissen war erwacht; er war denn mit siechem Leibe und Seelenleben, dazu bei gestörtem Geistesbewußtsein als ein verlorner Sohn in seinen Heimathsort zurückgewiesen worden. Die Eltern pflegten ihn nach Kräften mit versöhnlichem Herzen; ich besuchte ihn wiederholt und war bemüht, auf Geist uud Gemüth anregend nnd heilend einzuwirken. Doch Alles ohne Erfolg; auch für den in der Parabel vom verlornen Sohne Luc. 15 liegenden Trost vermochte ich nicht, ein Berständniß ihm beizubringen; er starb, ehe noch ein Jahr vergangen war. et Weiter lebte zu der Zeit ein nicht unbemittelter Stadtgutsbesitzer L., schon in höherem Alter stehend in Tr., welcher am Streitwahnsinn litt. Seine Jugendbekannten erzählten, daß er als Knabe mit einem wilden bösartigen Ziegenbocke viel verkehrt, der ihn einst gefährlich verwundet habe; seitdem habe sich dann bei ihm eine eigenthümliche Zank- und Streitsucht entwickelt. Später war der Mann in kostspielige Procesfe und allerlei Händel mit Nachbarn und dem Gerichtsherrn verwickelt und die krankhafte Disposition zur Streitsucht so gesteigert worden, daß sie ihn: das selbstbewußte Denken raubte. Er gefährdete durch sein Gebühren die öffentliche Sicherheit und mußte auf Kosten der Familie in der Heilanstalt auf dem Sonnenstein untergebracht werden. Hier schien die Versetzung in eine andre Luft und Umgebung der Menschen zunächst besänftigend und stillend auf das aufgeregte Gemüthsleben einzuwirken. Ich besuchte ihn *) Ein seltsames Gegenbild zu dem Philosophen und seinem Wahlspruch: omniu wen mocnm poet»!