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486 Tosige-geschichte. Die Zukunft Frankreich s wird über die sranzöfische Ration noch viele und Harle Prüfungen bringen. Zwar haben fich die Hoffnungen auf die Riederwersung und vestrgung der Commune in Paris endlich verwirklicht, die Truppen der Regierung haben be reits «inen Theil von Paris in ihrer Gewalt und noch wenige Tage, und ganz Paris wird vollständig besiegt sein. Wer aber meinen sollte, daß bald nach der vestegung von Pari» und nach der Bewältigung der Commune Ordnung und Ruh« in Frankreich wiederkehren wird, der würde stch gewaltig inen. Die neunwöchentliche schändlich« und fluchwürdige Wirthschast d«r Com mune in Paris hat bekanntlich dem französischen Nationalvermögen nach einer neuerlichen Berechnung einen Schaden von zwei Milliarden verursacht, und das wahrhaft wahnsinnige Sengen, Brennen und Demoliren der Commune in den allerletztem Tagen in Parts, wo man die herrlichsten und großartigsten Paläste, wie die Tutlerieen, den Louvre, den Palast der Ehrenlegi on, des LtaatSrathS, daS Palais Royal rc. in rohester und fluchwürdig ster Weise in Schutt und Asche verwandelt hat, wird den Verlust sicher um weitere zwei Milliarden erhöhen. Allein mit diesen wahrhaft empörenden und teuflischen Schandthaten einer dem Wahnsinne verfallenen Meute wird Frankreich den Becher deS Elends und Jammers sicher und gewiß noch nicht bis auf den Boden geleert haben. Wir können uns durchaus von der Ansicht nicht trennen, daß das Schlimmste Frankreich noch bevorfteht, denn die Anzei chen, daß fich die der Republik feindlichen Parteien auch zu einem ent scheidenden Schlage gegen die Republik, also auch gegen Thier» zusam- menthun, werden immer deutlicher. Bis jetzt wüthete ein schändlicher Bruder- unv Bürgerkrieg nur zwischen den RegierungStruppen unv der Hauptstadt Paris; aber über eine kurze Zeit, und der Bürgerkrieg wird in verschiedenen Provinzen und in mehrern großen Städten in wilder Wuth emporlodern. Republikaner, Orleantsten und Bonaparlisten werden stch gegenseitig bis aufs Messer bekämpfen und die ultramontane Partei wlrd dabei nach Möglichkeit schüren: kurz Frankreich ist nahe daran, ein Spanien vor 30, 40 Jahren zu werden. Der Graf von Ehambord hält bereits seine Sache für so reif, daß er schon mit einem Manifest herauSgtlückt ist. Er spricht in demselben mit einer Harmlosigkeit und SiegeSgewißbeit, als wenn der Thron von Frankreich für ihn bereits fix und fertig dastände und er nur den rechten Fuß zu Heden brauchte, um ihn zu besteigen. In seinem Manifeste führt er al» einziges wahres Unioersalheilmittel zur Heilung aller Schäden in Frankreich die „freie Kirche" an. WaS versteht aber der gute Graf unter der „freien Kirche?" WaS anders, als die Herrschaft der Jesuiten und nebenbei einen Kampf für die Unfehlbarkeit und die Herstellung der weltlichen Herrschaft deS Papstes. Graf Cbambord will fich also, das ist klar, auf die Ullramontanen stützen, mit Hülfe der Jesuiten und Geistlichkeit will er sein Ziel erreichen. Der auf geklärte Theil der französischen Ration wird aber von einem Throncandidaten mit solch' einem Programm durchaus nichts wissen wollen, also ist gegen den Graf Cbambord von der städtischen Bevölkerung in aller Stille der Krieg schon erklärt. Napoleon III. und sein« vitlen Anhänger stehen natürlich in aller Stills im Hintergrund auf steter scharfer Wacht. Sie spähen nach dem günstigsten Augrnvlick, wo ein thätigeS Eingreifen vom Erfolgt gekrönt werden könnte. Jedenfalls wird Napoleon, da» Kaiserkind, al» Napoleon IV. vorgeschoben und der alte, total abgenutzt- Vater und die fürsorgliche Mutter Eugenie re- gteren die Drähte und Personen hinter den Couliffen. Die Republikaner wollen aber natürlich weder von einem Orleanisten oder Bourbon, noch von einem Bonaparte oder Napoleon etwa» wissen. Sie werden jeden Versuch, in Frankreich wieder einen Thron aufzurichten, feindlich und mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln entgegen treten. Sie kämpfen sür die Republik; wa» gegen die Republik ist, bekämpfen ste. Run kommt aber zu diesem Allen der höchst mißliche Umstand, der für die Zukunft Frankreichs sehr schwer in'» Gewicht fällt und ernstlich fürchten läßt, daß daS Heer so total demaralistrt und vollständig aus den Fugen ge rissen ist. Ein Regiment wird e» mit dieser, ein anderes Regiment mit jener Politiken Partei halten, und viele der Generale werden eS mit der Partei halten, werden derjenigen Persönlichkeit dienen, dl« — am besten zahlt. Wäre da» Heer eine compacte Masse, regierte und bestelle eS nur ein Wille, so würdrn jrdenfall» in kurzer Zeit wenigsten» leidlich geordnete Zustände in Frankreich herzuftellen sein, eben durch da» Heer; denn der Wille deS ein- müthigen H-ereS würde entscheiden, möchte nun die Entscheidung für die Re- puvl k oder die Monarchie ausfallen. So ist aber da» Heer demoralistkt und nach allen Seiten hin au» Rand und Band, und da» ist augenblicklich ein wahre» Rationalunglück, denn nun werden fich einzelne Theile de» Heere» Lieser oder jener politischen Partei «»schließen, und dadurch wird — so fürch ten wir — der Bürgerkrieg erst recht angefacht werden. Kurz: Die Zukunft Frankreich- schaut trübe genug auS. Deutschland. Berlin. DaS General-Postamt hat kürzlich an sämmtliche Ober-Poft- directionen ein Rundschreiben ergehen lassen, durch welches behufs der berufli chen Weiterbildung der Postbeamten die Organisation von AmtSbibliotheken, welche den der betreffenden Ober - Postdireclion unterstellten Beamten zur Be nutzung offen stehen sollen, angeordnet wird. Zu den bezüglichen Anschaffungen find vorerst ISO Thlr. für jede Ober-Postdirection bestimm». Run wissen» die Stadtverordneten I Der Criminalsenat de» Berliner Kam- mergertcht» hat dieser Tag« in einem speclellen Falle principiell entschieden, daß rin Stadtverordneter für Beleidigungen und Verleumdungen, deren «r stch in Nu»übung seiner Sigrnfchaft al» Stadtverordneter und in öffentlicher Sitzung dn Stadtverordneten schuldig macht, verantwortlich sei. In dem obm er- wähnten Specialfalle wird auf eine Geldbuße »on bOO Thalern erkannt. Berit«, 2V. Mat. Dir Comaüsfion für Elsaß-Lothringen beschloß tu durch den Vorsitzenden, k Voigtländer. hrer gestrigen B-ralhung mit Zustimmung de» Fürsten Bismarck in t 2"d«n Termin für die Diktatur bt» »um 1. Januar 1873 beizubehalten und Alinea 2 A. 3 dahin zufafftn, daß bei der Aufnahme von Anleihen oder bri der Ue- bernahme von Garantien auf Elsaß-Lothringen, durch welche irgend eine Be lastung de» Reich» herbeig«führt werd«, die Zustimmung de» Reichstage» er forderlich sei. Berlin Da neuerdlng» Nachbildungen der Banknoten ä 10 Thaler wieder häufiger zum Vorschein gekommen find, macht da» Bank-Directorium da» Publikum wiederholt auf die dringende Rothwendigkeit aufmerksam, in seinem eignm Interesse die gedachten Banknoten vor der Annahme genau zu prüfen oder stch doch den Einzahler jede-mal zu notiren. Der Rhein. Merk, schreibt: „Wie man vor einiger'Zeit deutschen Blättern au» Rom schrieb, erzählt man sich dort in geistlichen Kreisen nicht ohne eine gewisse Schadenfreude von einem neuen Mittel der Curie, auf die renitente« Bischöfe einzuwirken. Bei Beginn de» Concil» hatte der Papst auf Vor stellung der ungarischen Bischöfe aus SanitätSrückstchten ganz Ungarn vom Fasten am Sonnabend diSpenstrt. Stroßmayer wenvete stch an den Papst mit der Bitte, den DiSp-n» auf seine Diöcei« auSzudehnen. Die Antwort war, er mö^e seine Unterwerfung unter daS Dogma der Unfehlbarkeit anzrigrn, dann solle seiner Bitte gewillfahrt werden, eher nicht. Um der Unfehlbarkeit willen fasten also die Croaten, während die Ungarn Fleisch essen." Angerburg, 12. Mai. Heute wurde der Lehrer Broczio aus Willudden, hiesigen Kreise», in der Criminalsttzung de» KrekSgerichle» schuldig befunden, al» Wahlvorstand liberale Stimmzettel au» der Urne entfernt und solche mit dem Namen de» Grafen Lehndorf beschriebene hineingelegt zu haben. Er wurde zu neun Monaten Gefänqniß und Verlust der Ehrenrechte auf ein Jahr verurtheilt. Bei der ersten ReichStagSwahl beging der Lehrer Reinhard in Paproiken, auch im augerburg-lötzener Wahlbezirk belegen, dasselbe Verbrechen und erhielt zwei Jahre Gefängniß. Frankreich. Die ewig fluchwürdige, weil eben so widersinnige wie fruchtlose Banda- lenwirtkschast der „internationalen" Communisten in Paris geht zu Ende wie die Wirthschast der Wiedertäufer in Münster, an die sie in so manchen Cha rakter,ügen gemahnt, zu Ende ging: viel Menschenblut, doch noch mehr uner setzliches Gut an den kostbarsten Schätzen von Künsten und Wissenschaften wie von merkwürdigen historischen Denkmälern wurde mit fast beispielloser Bruta lität zur Vernichtung hingeliefert. Wie glimpflich find die deutschen Krieger mit französischen Rationalschätzen verfahren und wie laut schrieen die französi schen Blätter dennoch über germanische Barbarei I Und noch ist gar nicht zu übersehen, wie viel zerstört, wie schändlich gewüthet wurde; noch ist aber auch zu hoffen, daß in der Versailler Küche, in der die Telegramme gemacht wer den, viel Gist gebraut und viel Uebertreibunq in die Welt geschickt wird. Die Franzosen lieben nun einmal da» Groteske in Worten wie in Werken und Vic'or Hugo wie Rochefort sind normale französische Köpfe. In den Tele grammen und Reden wird das „edle Blm" der Truppen viel gerühmt, doch von verhältnißmäßig geringen Verlusten derselben gesprochen; aber auch über diese Seite deS Kampfes ist noch kein Urtheil gestattet, wenn «S wahr ist, daß die Insurgenten die Murailleusen mit großer Einsicht ausgestellt haben und furchtbar wirken lassen. Auf dem Eintracht-- und auf dem Vendomeplatze zu mal schlugen die Barrikadenmänner sich so hartnäckig, raß daS Feuer am Mor gen des 24. noch fortdauerte. Versailles, 25. Mai. In der heutigen Sitzung der Nationalversamm lung gelangten Depeschen zur Mittheilung, wonach die Forts Montrouge und Bicetre, sowie die Redoute Haute«-BruyereS von den RegierungStruppen ge nommen worben sind. Da» Pantheon und die Weinhalle sind b.setzt: e» bleibt noch die Biirri-re-d'Jtalie zu nehmen. Die Ertheilung von Passtrscheinen ist auf daS Alleräußerste «inzuschränk n. D r Heerd deS Widerstandes ist noch vorhanden. Reue Feuersbrünste find angezeigt. Dit Frage der Geißeln an- langend, bedauert rer Minister de» Innern, Picard, nicht davon sprrchen zu können; er habe hierül er nicht- zu sagen. Die Butte-Chaumont leistet dm heftigsten Wide stand. Die Insurgenten überschütten die Truppen mit Petro- leum^omben. Picard erklärt, der Ausstand sei in seine letzten Verschanzungen zurückgeworfen. Versailles, 26. Mai. Den neuesten Pariser Nachrichten zufolge hiel ten die Insurgenten noch Bercv, den Bastillenplatz, Charonne, Belleville, Maeilmontant und Pilette besetzt. Die RegierungStruppen nahmen Maza-, die Bahnköfe der Bahnen nach Lyon und Orleans. Die Insurgenten brach ten die Geiß-ln von Maza- nach Roquette weg. Die RegierungStruppen griffen heute die Bastille an. Die Insurgenten sprengten gestern da- Fort Ivry in die Luft. Versailles, 26 Mai. Die Jnsuireclion ist im Quartier Mouffetard unterdrückt worden. 600 gefangene Insurgenten, welche in Belleville, ButteS- Chaumont zusammen,ed:ängt find, werfen fortwährend Petroleumdomben und verursachen neue Feuersbrünste. Zerstört find die Tuilerlen, da- Finanzmi nisterium, die Präfectur, der Rechnungshof, daS Stadthaus, da- Leihhau» und die Polizei. Unter den bisher erschossenen Insurgenten werden genannt: Amouroux, Brunet, Rtgaul«, Parisel, Dombrow-ki u. A. Die Geißeln sollen gerettet, d«r Erzbischof befreit friu. Saint Denis., 26. Mai. In der vergangenen Nacht wat die Kano nade in der Richtung von Belleville nur schwach, heute früh jedoch wurde dieselbe wieder stärker. Um 2 Uhr Nacht- erhellten groß« Feuersbrünste weit hin die Umgegend; im gegenwärtigen Augenblicke scheinen diesrlben ausge brannt zu sein Belgien. Brüssel, 24. Mai. Die Jndependance verbürgt dir Wahrheit folgender Versailler Meldung: Cluseret bot Thier- vor zwanzig Tagen gegen eine Baar zahlung von zehn Millionen die Uebrrlteferung der Pariser Thorr an. Eben dasselbe offerirte Dombrow-kt vorige Woche durch einen vertrauten Unterhändler gegen baare Bez hlung einer halb, n Million. Thier-wir-beide Anerbieten zurück. England. London, 25. Mai. Der um 8 Uhr Abend» au» Pari» nach Ver- saikr» zurückgekrhrtr TimrS-Cornspondent verglricht dm Brand »on Part» - , , , «l» Hr. Rau den Wunsch aussprach, da» Grab seinr» Stief- und PflegesohneS mit einer steinern«« Umfassung umgebe« zu dürfen, hatte der hiesige Kirchenvorstand noch nicht jenen Beschluß gefaßt, nach welche« fortan dergleichen Einfassungen bei Reihegräbern nur gegen Entrichtung von 10 Thlr. a« da» Kir«hen»er«-gen zu gestatten find; »or diesem Beschluß konnte also dem Wunsch« deS Hrn. Rau nicht entsprochen werden, wogegen e» ihm jetzt freisteht, unter Entrichtung jenes, vom Kirchenvorftand festgesetzten „GeldopferS" an da» Kirchenvermögen die gewünschte Einfassung de» Grabe» zu veranstalten. am s«. Mai 1871. D» «Irch-Nvorsta»»