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Die Geschichte von der Schokoladentorte von Günter Feustel Er war in Ordnung — das fanden alle aus der Gruppe, sogar die kleine Anita, die selbst gern den Wimpel getragen hätte. Stoppel hatte unter wegs ein Lied gedichtet, und das be gann so: „Und ob es regnet oder schneit, bis Halle ist es nicht mehr weit.“ Gerade hatten sie eine Melodie dazu gefunden, da rief Franz, der Grup penleiter: „Wir sind da!“ Rechts hinter einem grünen Zaun erhob sich ein hoher Schornstein und qualmte. „Konsum - Großbäckerei“ stand über der Toreinfahrt. „Na, denn hinein in die Pfann- kuchenfabrik!" sagte Stoppel. Die Pioniere staunten, als der Be triebsleiter sie zu den großen Öfen führte, in denen Brot und Brötchen, Kuchen und Semmeln gebacken wur den. An allen Arbeitsplätzen wurden die Pioniere freundlich empfangen. Anita durfte sogar einen Kuchen mit Zuckerguß bepinseln. Das Schönste aber kam zu aller letzt: ein Lehrjunge mit einer weißen Bäckermütze trug auf beiden Händen eine riesige Schokoladentorte heran. Mit großen Zuckerbuchstaben stand darauf geschrieben: „Für die Hallefahrer!“ „Na, guckt euch die mal an! Die ist ja wohl für uns!“ flüsterte Stoppel den anderen zu. Und tatsächlich — als die Pioniere wieder durch das Tor zogen, trugen Anita und Jochen vor sichtig eine große runde Schachtel, und jeder achtete darauf, daß die bei den nicht mit der Schokoladentorte stolperten. Vor dem Tor betrachteten sie noch einmal ihr Geschenk. „Die ist zu schön, um gleich ge gessen zu werden!“ meinte Stoppel. Auch der Grup»penleiter war der Mei nung, daß so eise Riesentorte vor dem Mittagessen nicht das richtige sei. Obwohl einige lieber gleich gekostet hätten, klappte Anita den Deckel wieder auf die Kiste und verschnürte vorsichtig das kostbare Geschenk. Kilometer um Kilometer wurde die Torte abwechselnd getragen. Sie wurde in Gedanken schon zerschnit ten und zerteilt. Alle freuten sich auf den süßen Nachtisch. Kurz vor dem Etappenziel der Pio niergruppe bog die Straße in ein grö ßeres Dorf ein. Hinter dem Dorfteich ratterte eine Betonmischmaschine. Ein großes Haus wurde hier gebaut. Vor dem Neubau standen die Maurer und Zimmerleute, die Betonmischer und die Lehrlinge und winkten den Pio nieren entgegen. Stolz grüßte Stoppel mit seinem Wimpel zurück. Da trat einer der Zimmerleute vor. Unter dem Arm trug er einen nagelneuen Fuß- »all. „Der ist für euch!“ sagte er. Die Pioniere blieben stehen. Der Zimmer mann trat auf Franz zu und gab ihm die Hand. „Wir bauen hier eine Zen tralschule. Alle Bauleute haben für einen Fußball gesammelt. Wir wün schen euch noch viel Spaß auf eurem großen Marsch nach Halle!“ Der Zim mermann gab Franz den Fußball. „Hurra!“ riefen die Pioniere, und Stoppel schwenkte begeistert seinen Wimpel hin und her. Dann zog die Gruppe weiter — hinaus aus dem Dorf. „Kinder“, sagte Jochen Haber land, „das ist ein wunderschöner Fuß ball, echtes Leder. Wenn das heute noch so weitergeht — erst die Torte und dann der Fußball!" „Mir ist nicht ganz wohl dabei!“ er widerte Stoppel. „Wieso?“ fragte Anita. „Das macht doch Spaß!“ „Ach — die Bauleute arbeiten an einer Schule für uns, sammeln noch Geld und schenken uns einen Fußball. Wir schreien ,Hurra!“ und ziehen ein fach weiter. Billige Sache, was!“ „Wir hätten ihnen auch eine Freude machen sollen!“ „Vielleicht ein Lied singen!“ meinte Inge. „Quatsch!“ erwiderte Stoppel und überlegte. Und plötzlich sah er die anderen der Reihe nach an und sagte: „Ich weiß es!“ Gespannt schwiegen die Jungen und Mädchen. Gera-Ernsee, 12. August 1958 An die Leitung des III. Pionier treffens, Halle Liebe Freunde und Pioniere! Vom Lagerfeuer unseres Ab schiedsfestes senden wir Euch ein herzliches „Immer bereit“. Wir möchten Euch melden, daß wir zu Ehren des III. Pioniertref fens folgende guten Taten gelei stet haben: Einige Gruppen arbeiteten in der Produktion und falteten dort 11 000 Schachteln. Einige Grup pen führten nach dem Unwetter einen Arbeitseinsatz im Walde durch. Einige Gruppen sammelten Heilkräuter und Tee. Die Grup pen der Kleinen sammelten Holz für alte Rentner. Wir verbinden unsere Meldung mit den besten Wünschen für ein gutes Gelingen des III. Pionier treffens. „Immer bereit“ Ferienlager „Makarenko“ der Karl-Marx-Universität Leipzig, 2. Durchgang Freundschaftsrat Lagerleitung „Wir schenken den Bauleuten ein fach unsere Torte!“ „Du hast wohl einen Sonnenstich!““ Der dicke Gerd tippte gegen seine Stirn. „Das kommt nicht in Frage“, meinte Jochen dazu. „Wir haben die Torte geschenkt bekommen und freuen uns schon darauf!“ „Gerade deshalb! Ich freue mich nämlich auch darauf. Aber — die Bauleute waren so nett zu uns. Und außerdem bauen sie eine neue Schule, wichtige Sache für die Pioniere. Über legt doch einmal! Bei der ganzen Ar beit haben sie noch an uns gedacht — die müssen doch schwer in Ordnung sein.“ Stoppel redete mit Händen und Füßen, so aufgeregt war er. Hin und her ging der Streit, bis sich Franz, der Gruppenleiter, einschaltete. „Hört mal her. Wir alle bauen doch an einem großen Haus —■ an unserer Republik. Und wir brauchen dabei Menschen, die nicht nur an sich den ken! Man muß auch einmal auf et was verzichten können, um einem anderen zu zeigen, daß man ihn achtet. Bestimmt freuen sich die Bau leute, wenn auch wir an sie denken. Ich jedenfalls verzichte auf mein Stück Torte!“ „Ich auch!“ sagte Stoppel sofort. Auch die kleine Anita nickte zustim mend mit dem Kopf, und Inge und Jochen waren einverstanden. Die an ¬ deren folgten. Selbst der dicke Gerd war schließlich der gleichen Meinung. Jetzt hatte Jochen einen guten Ge danken. Er nahm einen weißen Zettel und schrieb darauf: „Für die Bau leute, die an uns Hallefahrer gedacht haben!“ Den Zettel legten sie auf den gro ßen Karton. Anita und Jochen trugen die Torte zurück auf den Bauplatz und stellten sie mitten auf den gro ßen Hof. Neugierig kamen einige Arbeiter näher. Als die beiden Pio niere das sahen, liefen sie schnell davon. Das ist also die Geschichte von der Schokoladentorte. Und ich glaube, daß die Bauleute — die Maurer und Betonmischer, die Zimmerleute und die Lehrlinge — diesen Dank der Pio niergruppe nicht vergessen werden. Schulabgänger, aufgepaßt! Vom 26. Dezember 1958 bis zum 4.Januar 1959 findet in Morgenröte bei Tannenbergstal ein Winterlager statt. Daran können alle Schulab gänger des Jahres 1959 teilnehmen. Es wird der Höhepunkt der gesamten Ferienaktion dieses Jahres werden. Bei Wintersport und kultureller Be tätigung werden sich alle Teilnehmer erholen und auf ihren Schulabschluß vorbereiten können.