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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 1.1957
- Erscheinungsdatum
- 1957
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-195700006
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19570000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19570000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Heft Nr. 1 fehlt. Teilweise vorlagebedingter Textverlust.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 1.1957
-
- Ausgabe Nr. 2, 16. April 1
- Ausgabe Nr. 3, 1. Mai 1
- Ausgabe Nr. 4, 15. Mai 1
- Ausgabe Nr. 5, 29. Mai 1
- Ausgabe Nr. 6, 12. Juni 1
- Ausgabe Nr. 7, 26. Juni 1
- Ausgabe Nr. 8, 9. Juli 1
- Ausgabe Nr. 9, 23. Juli 1
- Ausgabe Nr. 10, 6. August 1
- Ausgabe Nr. 11, 21. August 1
- Ausgabe Nr. 12/13, 17. September 1
- Ausgabe Nr. 14, 1. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 15, 15. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 16, 29. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 17, 12. November 1
- Ausgabe Nr. 18, 26. November 1
- Ausgabe Nr. 19, 10. Dezember 1
- Ausgabe Nr. 20, 31. Dezember 1
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Band
Band 1.1957
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- Titel
- Universitätszeitung
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osk auer f^ekaunfscltaffen Die Reiseberichte über Moskau, die Ich vor meiner Abreise las, stimmten aufs Haar, Der Strom der Limousinen, die mit ungeheurer Geschwindigkeit durch die Hauptstraßen schießen, ist gewaltig. Man kann sich drehen und wenden wie man will, an jeder Ecke richten sich Baugerüste und Kräne auf. Wer dieses Tempo sieht, glaubt gern, daß die Tage der letzten häßlichen Holz häuser des über 800jährigen Moskau be reits gezählt sind. In den Schaufenstern türmen sich die Waren. Bestenfalls läßt sich über ihre Dekoration streiten, die Qualität ist erhaben. Viele junge Mos kauer sind nach der letzten Mode ge kleidet. Ihre lebhaften Unterhaltungen vor den Riesenplakaten, die das Gast spiel des schwedischen Jazzorchesters Lmndström ankündigen, lassen vermu ten, daß in Moskau nicht nur Hopak ge tanzt wird. Mit einem Wort: Moskau ist eine moderne Weltstadt, daran ist nicht zu rütteln. Und doch, schien es mir, fehlte etwas. Vierzehn Tage vor dem großen Festival, von dem die ganze Welt spricht, war in Moskau auf den ersten Blick nichts von den Vorberei sembles mit modernen Stücken auftreten möchten. Vertreter von sechs Universitätsbe hörden Uruguays und das Experimen taltheater der Universität Jalisco haben sich zur Teilnahme entschlossen. Die Studenten Chiles wollen eine Schönheitskönigin wählen und sie als ihre Repräsentantin zum Festival dele gieren. 50 Studenten aus Canada, 350 aus Eng land und 500 aus Italien meldeten ihre Teilnahme an. Das Jazzorchester der Londoner Uni versität und die Jazzband Michel Le grand aus Paris wollen beim Studenten karneval mitwirken. Eine schier endlose Liste von Namen, denen anzusehen ist, wie verschieden artig die Interessen und Auffassungen der Festivalteilnehmer sein werden. Und wie steht es mit den Vorberei tungen? Bruskow blickte vielsagend auf den Stapel Manuskripte und antwortete lächelnd: „Es gibt gewisse Schwierig keiten, verstehen Sie. Doch im großen tungen zu sehen. Das gibt einem schließ lich Rätsel auf! Blick ins Gästebuch Von weitem sah der Pförtner des Hau ses Kropotkinstraße 37 tatsächlich wie ein Pförtner aus. Im mürrischen Ge- sich saß ein borstiger Schnurrbart von kapitalem Ausmaß. Nichts als Fassade! Der Alte war ein Gentleman, wie er im Buch steht. Wenn auch unter sichtbaren Anstrengungen, so wies er mir doch sehr liebenswürdig in deutscher Sprache und später einem Engländer in dessen Mut tersprache den Weg zum Informations büro des Festivalkomitees. Herr Bruskow seufzte leise, schob tausend Manuskriptseiten, die ins Deut sche übersetzt werden sollten, zur Seite und stand geduldig Rede und Anwort. Nach seiner Meinung ist das Interesse, das besonders die akademische Jugend aller Länder dem Festival entgegen bringt, zweifellos größer als früher. Dreiundvierzig Studentenorganisationen wollen Vertreter entsenden. Die Er klärung dafür ist wahrscheinlich darin zu suchen, daß das Moskauer Festival stärker den Wünschen der Studenten entspricht. Gab es in Warschau nur zwei Studentenseminare, so werden dieses Mal außer den Studententreffen zehn Seminare über Kunst und Wissenschaft stattflnden. Darunter zu solchen inter- ^sUilten Themen wie: „Der moderne junge Mensch im Film“, „Farmen und Methoden des Kampfes gegen die Ju gendkriminalität“ und „Traditionen und Neuerertum in der modernen Literatur“. Die Allunionsausstellung mit den Hallen der Unionsrepubliken ist der Anziehungs punkt aller Festivalteilnehmer. Unser Bild: Vor dem grusinischen Pavillon und ganzen klappt es. Am besten, Sie erkundigen sich bei den Moskauer Stu denten selbst.“ Wir blättern in der Chronik des Fe stivalkomitees, in der die Anmeldun gen der Gäste notiert werden. Der Generalsekretär der UNESCO, Evans, meldet den Besuch eines ständi gen Mitglieds seines Sekretariats an, der Filme und Informationsmaterial über die Tätigkeit der Organisation bei der Entwicklung der kulturellen Beziehun gen zwischen den Ländern mitbringen wird. Herr Umberto Naidri, Direktor des Universitätstheaters von Lima in Peru, teilte mit, daß 25 Mitglieder des En- Versuchsobjekt Ein Freund, der angab, Moskau wie seine Westentasche zu kennen, riet mir: Moskaus Studenten triffst du tagsüber in der Tretjakowgalerie und abends auf der Gorkistraße. Es mag übertrieben sein, jedenfalls hatte ich Glück. Ella, eine zwanzigjährige Studentin der Ger manistik, und ihre temperamentvollen Freundinnen traf ich tatsächlich in der Galerie. Sie hatten uns lange Zeit be obachtet (was uns nicht verborgen blieb) und sechsmal beraten, unter wel chen Umständen unaufdringlich ein Ge spräch zu beginnen sei. Der Zufall wollte es, daß ich leicht mit einem Mädchen zusammenstieß. Als ich mich respektvoll entschuldigen wollte, rief sie mit gespieltem Erstaunen: „Sie spre chen deutsch? Wie interessant!" Das war das Signal zum Angriff. Ein Außen stehender macht sich kein Bild vom Wissensdurst der Moskauer Germani stikstudentinnen! Selbstverständlich gab Ella auch Auskunft über die Vorbereitungen ihrer Fakultät zum Festival. Wie überall war bei ihnen ein Komitee ins Leben geru fen worden, das zum Universitätskomi tee Verbindung herstellte und die Auf gaben in die Gruppen verteilte. Wäh rend zum Beispiel einige hundert Stu denten der Juristenfakultät als freiwil lige Milizionäre in den Straßen Dienst versehen, wollen die Germanistikstu denten als Dolmetscher ihre deutschen Kommilitonen durch Moskau begleiten. Seit Monaten bereiten sich die Studen ten darauf begeistert vor. Alle auftreib baren deutschen Zeitungen und Bro schüren wurden studiert, um sich über die wichtigsten Probleme der deutschen Politik und Kultur zu informieren. Als das Berliner Ensemble beispielsweise in Moskau gastierte, riß man sich um. die Karten. Ella besuchte zwei Vorstellun gen, was ihre Freundinnen nicht ohne Neid kommentierten. Wir waren gewissermaßen unfreiwil lig die ersten Versuchsobjekte gewor den. was beiden Seiten einen Riesen spaß bereitete. Kompliziertes Tausch^esdiält Alek rettete mich aus einer venvor- renen Situation. Ich stand unter einer Lampe auf der Gorkistraße und suchte in meinen Taschen nach Streichhölzern. Unvorsichtigerweise legte ich dabei einige deutsche Abzeichen auf die Hand. In Windeseile versammelten sich um mich sechs oder acht Moskauer Schuljungen, die meine Geste offenbar falsch verstanden hatten. Sie kramten ihrerseits händevoll Abzeichen aus und waren zu jedem Geschäft bereit. Ich wollte gerade mein letztes Abzeichen tauschen, als ich bemerkte, welche Ge genleistung dafür gedacht war: ein GST- Abzeichen, etwas verbogen zwar, sonst aber gut erhalten. Ein deutsch sprechender junger Mann, der mit anderen Passanten belustigt diese Szene miterlebte, half dieses kom plizierte Geschäft schließlich zu meiner Zufriedenheit abzuwickeln. Nachdem wir so ins Gespräch gekommen waren, stellte er sich vor. Alek ist 19 Jahre alt und Student eines Moskauer techni schen Institutes. Er sagte mir beim Ab schied: „Sie können sich kaum vorstel len, wie sich meine Freunde gefreut ha ben, als wir erfuhren, daß 200 junge Leute aus Jugoslawien, darunter Bel grader Studenten, nach Moskau kommen werden. Natürlich, jeder Gast ist uns willkommen. Aber wissen Sie, bei den jugoslawischen Freunden ist das etwas anderes. Sie sind schließlich unsere Ge nossen. Lange Zeit bestanden Mißver ständnisse zwischen uns. In Moskau Ein Ausflug mit den modernen Fahrgastschiffen auf der Moskwa zählt zu den schönsten Erinnerungen an die Festivalstadt Fotos: Niemeyer werden sie merken: an uns soll es nicht liegen. Wir wollen wieder gute Freunde sein!“ Das JVetter, das IVetter... Als sich die ältere Dame hinter dem Empfangstisch des Festivalkomitees am Subowskaja-Platz erschöpft in einen Sessel fallen ließ, sagte Galja mit sanf ter Stimme: „What can I do for you?“ Während uns vorbeijagende Kuriere höflich aber bestimmt aus dem Weg schoben und uns hundert Motorradfah rer, die in tadelloser Disziplin für den Festzug probten, durch ihren Höllen lärm unterbrachen, berichtete die rei zende Studentin der Anglistik über die Vorbereitungen des Komitees. Die Pläne für die festliche Ausge staltung Moskaus sind seit langem fer tig. Am Rigaer Bahnhof wird sich bei spielsweise über den Vorplatz ein rie sengroßer Bogen aus den Fahnen vieler Länder spannen. Hier ist die Einfahrt zur „Straße der Arbeit", die Strecke von der Landwirtschaftsausstellung nach Lushniki. Plastiken, Bilder und grafische Darstellungen symbolisieren die menschliche Tätigkeit. Und wann soll mit dieser Arbeit be gonnen werden? Galja amüsierte sich köstlich über diese von vielen Ausländern gestellte Frage. „Es ist alles fertig“, sagte sie stolz. „In Ateliers und Hallen steht es bereit. Allein das unbeständige Wetter ist schuld daran, daß von unseren Vor bereitungen nichts zu sehen ist. Aber einige Tage vorher, einige Eingeweihte sagen vier Tage vorher, wird Moskau zum großen Fest geschmückt sein.“ * Die ersten Berichte und Bilder vom Festival der Weltjugend sind da. Mos kau ist ein Meer von Blumen und Fah nen. Man kann sich eben darauf verlassen, was die jungen Moskauer versprechen. Karlheinz Niemeyer Sie waren lange zwischen Gräsern und Blumen, Buschwerk und Fichten herumgetollt, hatten gelacht und sich bei der Hand genommen und mitein ander gescherzt. Wenn sie ihm einmal entwischt war und er sie zwischen zwei Bäumen wieder aufgefangen hatte, nahm er einfach ihren Mund, und es war jedesmal ein langer und stürmischer Kuß. Ihre Herzen schlugen laut und schnell, da sie gerannt waren und da sie sich liebten. Das Fröhlichsein des jungen Früh lingstages schien in sie eingeflossen zu sein, sie waren wie die zartgrünen Knos pen, an denen sie vorüberscherzten. „Ich bin müde.“ „Wollen wir uns hinsetzen?“ „Es ist noch zu kalt.“ Er legte seinen Arm um sie, und sie gingen jetzt langsam, im Schlender schritt, den nur Verliebte kennen, den Weg hinunter. Er schob die Zweige mit seiner Hand auseinander und ließ sie nach hinten zurückschnellen. Der Weg war noch feucht, „Sag etwas!“ „Ich weiß nichts.“ „Auch nichts von uns, von mir und dir?“ „Doch.“ „Und warum sagst du es nicht?“ Da blieb er stehen und küßte sie. „Das ist es, was ich von uns weiß.“ Sie legte ihren Kopf auf seine Schul ter und lächelte. Sie brauchten sich jetzt nicht anzusehen. Daß sie so dahin schritten, schien ihnen das höchste Glück. Sie sahen nicht, daß die Baum schatten wie lange Striche auf den Weg gemalt waren, zwischen denen sich das eigene Abbild gleichsam hindurch schlängelte. Aber das Singen der Vögel hörten sie von fern. „Warum erzählst du heute nichts?“ „Es paßt nichts hierher.“ •m / Von Karlheinz Röhr Das Schweigen verging dann; junge Menschen müssen reden. Die Worte müssen ausgeschüttet werden, sonst er stickt man an den eigenen Gedanken. Sie setzten sich auf eine Bank und hat ten den Zauber weggewischt. Es macht frei, wenn man sich alles sagen kann. Und während ihre Hände ineinander ruhten, flossen ihnen die Worte über die Lippen wie von selbst. Er sprach von sich und von dem, was er tagsüber tat, und sie von ihrem Studium, den Vor lesungen, von Freundinnen und Erleb nissen. Wenn sie so leicht dahinplau derte, schaute er ihr auf die Lippen, sein Gesicht war dem ihren so nahe, daß er ihre Worte nicht nur hörte, sondern auch den schwachen Hauch verspürte, der von ihnen ausging. Sie sprach, und er war wie ein Schwamm, der ihre Ge danken aufsaugt. „Meine Freundin hat mir geschrieben, aus Leningrad.“ „Du schreibst dich mit einer Russin?“ „Ja, schon seit zwei Jahren, und außerdem noch mit einer Polin und einer Französin.“ „Sie schreiben alle deutsch?“ „Natascha schreibt russisch, aber ich kann’s schon übersetzen.“ Sie hatten ihre Hände losgelassen. Die Spitzen der Baumschatten schoben sich nach der Bank vor. Die Akazien waren noch kahl und knöchern. Der Weg vor ihnen schien ins Uferlose zu führen. „Ist das nicht fürchterlich? — Veras Vater und Simones Vater sind beide im KZ umgebracht worden; Nataschas Mut ter lebt auch nicht mehr, durch Bomben ist sie ums Leben gekommen.“ Sie bewegte den Kopf, als wolle sie den Gedanken abschütteln, und sagte schnell und lebhaft: „Kannst du dir vor stellen. wenn wir einmal alle zusam men wären und jeder spräche in seiner Sprache. - Das wäre ein Durchein ander.“ Die letzten Worte klammerten sich in ihm fest, er suchte nach Vergleichen, sich ein solches Sprachgewirr vorzustel len, und er fand keine. Dann auf einmal war ihm eine Er innerung nahe. Er schloß die Augen, aber das Bild verlosch. „Russisch, Polnisch, Französisch und Deutsch: alles mit einem Male. Das müßte lustig sein.“ Sie malte einen Kreis in den Sand und wurde wieder traurig. „Wieviel Entsetzliches haben doch die Nazis den anderen Völkern angetan!“ Plötzlich sah er das Bild wieder und griff nach ihm. Es blieb. Er war wie der ein Kind, vielleicht neun Jahre oder zehn. Mutters Hände waren warm und nah. Der Weg wurde zu einer Schneelandschaft, aber der Schnee lag nur ganz dünn und naß. Als das merkwürdig-lebendige Ge räusch heranschwoll, war er zum Fen ster geeilt. Ein Trupp Kriegsgefangener wurde die Straße heruntergeführt. Sie waren zerlumpt und bärtig, und das gab ihnen ein böses und furchteinflößen des Aussehen. Einige hatten Lumpen an den Füßen oder die Glieder verwickelt. SS-Soldatcn mit Karabinern gingen nebenher, dahinter schubsten sich die Kinder. Die Gefangenen schleppten sich vorbei, das Geräusch der klappernden Holzschuhe ebbte ab. Nur noch die breite, ausgetretene Spur im Schnee der Straße war übrig. Am Rande der Stadt Wurden die Gefangenen in Scheunen untergebracht. Die Nächte waren kalt, das Stroh schmutzig und naß. Der Junge konnte von der anderen Straßenseite in die dunklen Scheunen tore blicken. Er sah voll Staunen, wie die bärtigen Männer Suppe verschlan gen, und er hörte manchmal auch das Gewirr ihrer Reden. Jeder schien eine andere Sprache zu sprechen. Das war alles so geheimnisvoll fremd, so neu, so sonderbar. Als er eine Zeit unter den Kastanien gestanden hatte, rannten zwei der Bär tigen die Straße herüber. Sie kamen auf ihn zu, und er erschrak. Er sah dann ihre Augen, sie waren braun und erschreckt wie seine. Die Gefangenen streckten ihm zwei Blechgefäße ent gegen und stammelten bittend: „Wasser, bitte, Wasser!“ Sie sagten das heiser und flüsternd, aber es war fast wie ein Schrei, der ihnen aus dem Gesicht sprang: „Wasser... Wasser!“ Der Junge war ängstlich, er blickte in die braunen Augen, die wie die sei nen waren, und nahm die Gefäße. Als er mit dem Wasser zurückkam, war die Furcht abgestreift. Die Männer hatten heiße Augen, als sie nahmen. Der eine sagte etwas, aber der Junge verstand es nicht, und er war traurig darüber, Die beiden rannten geduckt über die Straße zurück — direkt in die Arme eines Wachsoldaten. Der machte wenig Um stände, nahm beiden das Wasser weg, spuckte schweinisch hinein und gab es hohnlächelnd zurück. Dem einen jedoch schlug er das Gefäß vor den Kopf und trat ihm roh in den Unterleib, daß er zusammenbrach. Der Junge war weg gerannt. Die Mutter weiß, daß er ge weint hat. So war das Bild; und so plötzlich über ihn gekommen, machte es stumm und hart; er hatte Mühe, sich loszureißen und wieder in einen Frühlingstag zu sehen. Er nahm ihre Hand wieder und preßte sie, aber er wußte selbst nicht, warum er das tat. Die Schattenspitzen spielten jetzt vor ihren Füßen. „Warum sagst du nichts mehr?" Er streichelte ihre Hand und grübelte weiter. Erst nach einer Weile sagte er: „Du mußt immer gut zu ihnen sein, hörst du! Du mußt ihnen sagen, daß wir anders sind.“ An sie gelehnt, erzählte er ihr von seiner Erinnerung, und sie hörte ihm aufmerksam zu. „Ich habe bisher wenig über das Le ben nachgedacht“, sagte er langsam. Und während die letzten Sonnenstrah len durch das Buschwerk irrten, küßten sie sich erneut. Aus einem literarischen Wettbewerb der Fakultät für Journalistik zur Vor bereitung der VI. Weltfestspiele, Ge kürzt. Das Redaktionskollegium Redaktion: Leipzig C1, Ritterstraße 26/11, Ruf 6 43 56, App. 264 — Druckgenehmigung Lp G 699'57 des Rates der Stadt Leipzig — Druck: LVZ — Erscheinungsweise: vier zehntäglich. Nachdruck nur nach Genehmi gung gestattet. Universitätszeitung, 6, 8. 1957, Seite 6
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