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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 1989
- Erscheinungsdatum
- 1989
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-198900008
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19890000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19890000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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-
Zeitschrift
Universitätszeitung
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Band
Band 1989
-
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Band 1989
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6 KULTUR 17. November 1989 UZ/42 Mehr Eigenverantwortung Zu einer außerordentlichen Voll versammlung hatte sich das Poeti sche Theater „Louis Fürnberg" am Montag, dem 6. November, Gäste der verantwortlichen Leitungsebene eingeladen. Der Einladung waren ge folgt Prof. Dr. sc. Stübler als Pro rektor für Gesellschaftswissenschaf ten der KMU, Frank Thiel, Sekretär der SED-Kreisleitung der i KMU, Dr. Wolfgang Lenhart als Lei ter der Hauptabteilung Kultur der KMU und Ursula Dreßel, Abtei lungsleiter für künstlerisches Volks schaffen der Hauptabteilung Kul tur. bringt“, zitierte Michael Hametner aus einem durch die Leitung des Poetischen Theaters erarbeiteten Konzeptionspapier, das der Haupt abteilung Kultur seit Ende vorigen Jahres vorliegt. So zielten auch die Fragen und Forderungen der En semblemitglieder auf das Ver trauen, das die Universitätsleitung in das Poetische Theater setzt. Warum war es bisher nicht möglich, Gastspielreisen ins westliche Aus land zu realisieren? Welche Möglich keiten dazu bestehen zukünftig? Kann und muß ein in 40 Jahren ge- Tätigkeit im Poetischen Theater, brachte die Debatte konsequenter- I weise auf folgenden Punkt: Kann ' und will die Universität das Poeti- , sehe Theater in heutiger Qualität; weiter tragen, d. h., stimmen Inter- ' essen und Möglichkeiten noch über- ; ein, wobei der bisherigen Wirksam- I keit des Ensembles Rechnung ge tragen werden muß. Dem folgend wurde vereinbart, daß von Seiten der Universität ein Positionspapier erarbeitet wird, das aussagt, welchen Platz man dem Poetischen Theater im Rahmen der Uni zumißt. Das Poetische Theater überdenkt und erneuert sein Kon zeptionspapier. Bis spätestens Ende Januar sollen Der Leiter des Poetischen Thea ters erklärte das Anliegen in seinen einführenden Bemerkungen: Es geht darum, die Position des Thea ters an und gegenüber der Universi tät neu zu bestimmen. „Amateur theater in der DDR als Teil der ent wickelten Freizeitkultur unter so zialistischen Bedingungen bedeutet auch die Probe aufs Exempe der so zialistischen Demokratie. Die gesell schaftliche Arbeit in der Freizeit als freigewählte Tätigkeit kann nicht in Umfang und Art von denselben For men der Administration bestimmt werden, die für andere Tätigkeiten unverzichtbar sind. Der freiwillig Handelnde braucht, daß ihm der freie Wille seines Handelns ständig als Quelle seiner Motivation und sei nes Engagements bewußt ist. Deshalb muß das verantwortungs bewußte Tun aller Mitglieder des Poetischen Theaters — angefangen yon der Stückauswahl bis hin zur fertigen Inszenierung — unterstützt und beantwortet werden durch das Vertrauen, das die Universitätslei tung eben dieser Arbeit entgegen- Theatervorhänge neu geöffnet! wachsenes und im Territorium re nommiertes Theater nicht über sei nen Spielplan entscheiden? Was kann für den Zustand des Ernst- Beyer-Hauses getan werden, um es als Spielstätte und Kommunikations zentrum für Ensemble und Publi kum zu erhalten? Bei der Suche nach Antwort auf diese Fragen wurde erneut deutlich, daß ein aufwendiger bürokratischer Apparat viele Aktivitäten behin dert, daß wir es noch viel zu oft mit „ausschließlich in konzeptionellen Papieren denkenden Zwischenlei tern“ (so ein Ensemblemitglied) zu tun haben. Christian Becher,, aus gehend von seiner Erfahrung im Be rufskabarett und der langjährigen erste Maßnahmen eingeleitet wer den, neu gefundene Standpunkte in einer’ weiteren Vollversammlung vorgestellt, diskutiert und in prakti sches Handeln überführt werden, bis zu eben diesem Termin fordert das Ensemble die konkrete Abrech nung der Arbeit an den aufgezeig ten Problemen, also was wurde ge tan, was nicht (und warum) bzw. wie soll es weitergehen! Weitergehen wird es zunächst mit einer neuen Reihe, in der aktuelle Texte — poetische wie politische — vorgestellt werden. Den Auftakt für das LeseFORUM bilden Lesung und Diskussion von Rolf Henrichs „Der vormundschaftliche Staat“. Dr. HEIKE GEBERT „Nikolaikirche für jeden offen“ weist eine Tafel Vorübergehende hin. Bürger und Gäste der Stadt neh men die Einladung nicht nur bei der montäglichen Demo wahr, wie einer der Pfarrer berichtet. Zahl reich, sehr zahlreich strömen sie friedlich z. B. auch zu den Veran staltungen musikalischer und ande rer Art in St. Nikolai. So ist es ver ständlich, daß weitere Veranstal tungen geplagt sind: das Orgelkon zert mit Konrad Voppel aus Duis burg am Sonntag, den 19. 11. oder die Dichterlesung von Günter Grass am Dienstag, dem 21. 11., sollen als Beispiele genügen. Aber auch der Leipziger Universi- tätschor probte — wie alljährlich — für das Weihnachtskonzert, das hauptsächlich mit und für den Part ner VEB Chemieanlagenbaukombi nat Leipzig-Grimma organisiert wird. Am 2. November „über raschte“ die Musiker dann folgen der Brief: Konzert am 23. 11. 1989 (wohlge merkt ein Donnerstag, d. A.) in der Nikolaikirche Leipzig Auf Grund der emotionsgelade nen Atmosphäre im Umfeld der Ni kolaikirche Leipzig kann durch uns kein ruhiger Ablauf vor und nach dem Konzert am 23. 11. 1989 ge währleistet werden. Deshalb müs sen wir den Konzertvertrag auf kündigen. Wir bitten um Verständnis. Mit sozialistischem Gruß GRUNER, Direktor für Arbeit und Sozialwesen Die Antwort des Chores an das Che mieanlagenbaukombinat : Konzerte am 23. 11. 1989 und 7. 12. 1989 in der Nikolaikirche Leip zig Heute erhielten wir Ihre Auf kündigung des Konzertvertrages für den 23. 11. 1989. Da dieses Konzert an einem Donnerstag stattfindet, können wir die von Ihnen vorge brachten Gründe überhaupt nicht akzeptieren, zumal in der Nikolaikir che (außer Montag) an anderen Werktagen und an Wochenenden Veranstaltungen stattfinden, die bis her immer in Ruhe und Ordnung verliefen. Sie werden einsehen, daß wir mit einem so unzuverlässigen Vertrags partner nicht mehr umgehen möch ten und kündigen Ihnen deshalb hiermit den Vertrag für das Weih nachtskonzert am 7. 12. 1989 auf. Wir nehmen an, das kommt Ihnen entgegen, denn für Sie wird die At mosphäre im Umfeld der Nikolaikir che ja auch am Donnerstag, dem 7. 12. 1989, zu emotionsgeladen sein. Dr. WOLFGANG LENHART, Leiter der Hauptabteilung Kultur Nachsatz: Der Leipziger Universitätschor möchte seinem Konzertpublikum weder Brahms „Requiem“ (am 23. 11. 1989) noch das Weihnachts konzert am 7. 12. 1989 vorenthalten und führt beide Konzerte nun in ei gener Regie durch. Karten zu 8 Mark können ab sofort bei Musik- Oelsner, bei Leipzig-Information bzw. in der HA Kultur (Ernst- Schneller-Str. 6) käuflich erworben werden. Der Erfolg der Auftritte, die im mer mit viel Freude bei Publikum und Chor verbunden waren, hängt diesmal — da nun in eigener Regie Aufkündigung oder wie ruhig verläuft ein Konzert in der Kirche? UZ-Vorschau derWoche Flamenco-Abend im Hörsaal 19 „Flamenco-Skizzen“ zeichnen am Dienstag, dem 21. 12., um 19.30 Uhr Philip Bruz, Tanz, und Jürgen Kliem, Gitarre, im Hörsaal 19 — eine Veranstaltung des Arbeiterju gendanrechts. Ensembles laden zum Preisträgerkonzert Zum Konzert der Preisträger des 13. kultur-künstlerischen Wettbe werbs der KMU laden die Künst lerischen Ensembles der Universität am Samstag, dem 25. 11., um 20 Uhr, in den Kleinen Saal des Neuen Gewandhauses ein. Unter anderem werden Aufführungen der Katego rien Instrumentalmusik, Gesang und Gruppendarbietungen zu er leben sein. Neuer Essay-Band wird vorgestellt Dr. sc. Bernd Leistner stellt sei nen Essay-Band „Sixtus Beckmes ser“ am Donnerstag, dem 23. 11., um 19 Uhr, im Hörsaal 6 vor. Diese Buchpremiere mit Verkauf wurde von der Kultur-GO der Sektion Ger- manitsik/Literaturwissenschaften or ganisiert. Poetisches Theater zeigt „Prometheus" Das Poetische Theater „Louis Fürnberg“ bietet am 20. 11. und 21. 11. jeweils um 19.30 Uhr im Ernst-Beyer-Haus die Inszenierung „Prometheus“ in der Regie von Jo Fabian. Ausstellung setzt Zeitzeichen Die Ausstellung „Zeitzeichen — Stationen bildender Kunst in Nord rhein-Westfalen“ wird vom 10. 11. 1989 bis 7. 1. 1990 im Museum der bildenden Künste und in der Hoch schule für Grafik und Buchkunst ge zeigt. „Coming out" im Casino zu sehen Der DDR-Spielfilm „Coming out“ ist am 23. 11. um 17 Uhr im Rah men des Filmzyklus’ der KMU im Filmtheater Casino zu sehen. — nicht nur vom Musikalischen ab. Die Eigenfinanzierung wird von der Anzahl der Besucherabhängig sein. Deshalb mögen viele den Musik klängen lauschen und dem ehemali gen Partner zeigen, wie ruhig ein Konzert verläuft! JANET KARPER UZ historisch 143. Folge Heinrich von Treischke (1834 bis 1896) ist als Schöpfer der These „Männer machen Geschichte“ nicht nur in die Historiographiegeschichte eingegangen. An der Leipziger Uni versität studierte er zu Beginn der fünfziger Jahre Staatswissenschaf ten und Geschichte, von 1858 bis 1863 wirkte er in Leipzig, als Privat- dozent. Aus dem 1875 erstmalig er schienenen Aufsatz „Samuel Pu- fendorf“ wird in folgendem ein Aus zug wiedergegeben, der die Macht der Ordinarien, die als gestrenge Magister die Zügel fest in den Hän den hielten, schildert. Die Leipziger Universität „galt un bestritten als die erste der deut schen Hochschulen, im Auslande als der Mittelpunkt deutscher Bildung, ihre Lehrer führen gern das Wort im Munde: Extra Lipsium vivere est miserrime vivere ... (Außerhalb Leipzigs leben heißt schlecht leben, G- S.). So strömten denn drei- bis viertausend Studenten aus allen Gauen des Reiches an der Pleiße zu sammen. Dies bewegte akademische Treiben und der schwunghafte Fremdenverkehr der Messen gaben der Stadt, die noch kaum fünfzehn- taüsend Einwohner zählte, ein groß städtisches Gepräge; die deutschen Buchhändler, die bisher in Frank furt ihren Markt gehabt, begannen bereits vor der kaiserlichen Zensur sich nach dem Osterlande zu flüch ten. Die wohlhabende Bürgerschaft, allezeit empfänglich für geistiges Le ben, bedachte ihre Hochschule mit reichen Stiftungen; weithin im Rei che pries man die altmodische Fein heit, die weitläufige Bildung des ga lanten Saclisens, die noch in Les sings Minna von Barnhelm der rau hen Schroffheit der Märker überle gen gegenübertritt. Ein gewaltiger Wissensschatz lag in den Hallen des Paulinums aufgetürmt; und es war kein Zufall, daß auf diesem Boden Polyhistoren wie Pufendorf und Leibniz envuchsen. Selbst dies Ge schlecht, das schreibseligste der deutschen Geschichte, wußte Wun der zu berichten von der riesigen Ar beitskraft der Leipziger Gelehrten, man erzählte von Professoren, die, um Zeit zu sparen, sich niemals aus kleideten. Die Ordinarien bildeten eine fest geschlossene Zunft und Vetter schaft. Einige große Gelehrtendyna stien, die nach Fürstenweise allen ihren Söhnen denselben Vornamen gaben, die Benedikt Carpzov. die Po lykarp Lyser. beherrschten die Uni versität zumeist wohlhäbige Herren, verschwägert mit den reichen Kauf leuten, trefflich ausgestattet mit Sporteln (Gebühren, G. S.) und Na turallieferungen, und wer ein übri ges tun wollte, nahm Studenten in Kost oder verband auch wohl mit seinem Kollegium einen einträgli chen Wein- und Bierschank. Ob wohl der sprichwörtliche Kinderse gen der Leipziger Professoren spä terhin den gelehrten Magister Fie biger veranlaßte, eine tiefsinnige Abhandlung... zu schreiben — für den Genossen dieser mächtigen Sip pen blieb immer noch ein Lehrstuhl frei. Wohl gesichert wie das Einkom men der Ordinarien war auch ihre politische Machtstellung. An der Entscheidung der Theologen von Leipzig und Wittenberg hing das Heil jeder Seele im Lande, die vier Leipziger Dekane übten die Zensur über alle neuen Bücher. Der Schöf fenstuhl der Juristenfakultät fällte unermüdlich seine blutigen Sprü che, verfolgte mit frommem Eifer die argen Friedensstörer der argen Zeit, die Hexen; und der alte Carpzov rühmte sich gern, wie viele tausend Todesurteile er schon unter zeichnet habe. Neben den Ordinarien lehrte die lange Schar der Magister legentes, weit zahlreicher als unsere heutigen Privatdozenten, aber auch weit ab hängiger als sie von der Gunst der Fakultäten; selten einmal gelang es einem barbarus Doctor, der in Or leans oder Padua seinen Doktorhut erworben, einzudringen in diese scharf umgrenzten Kreise, wenn er sehr stark im Glauben war oder den goldenen Schlüssel, der in dem al ten Kursachsen alle Türen öffnete zu handhaben verstand. Unheimlich tritt hinter der anmaßenden Herr lichkeit dieser respektablen Zunft gelehrten und altmodischen Studen ten die Herzenshartigkeit und> Ge dankenarmut einer verkommenen Epoche hervor ...“ GERHILD SCHWENDLER Altes Gebäude zwischen Rotem Kolleg und Georgenhall« Die „weitläufige Bildung des galanten Sachsens" betrachtet Rezension zu: Dieter Wellershoff: Der schöne Mann und andere Erzählungen. Aufbau-Verlag Berlin und Weimar (bb — Taschenbuch) 1988 Bundesdeutsche Alltagssplitter Mit Akribie, ja bisweilen wah rer Detailbesessenheit, erzählt der bundesdeutsche Autor Dieter Wellershoff von fast unauffälli gen Begebenheiten des Alltags. Von Begebenheiten, die Unbetei ligten kaum Interesse abnötigen würden, für die Betroffenen hin gegen au Ereignissen von existen tieller Bedeutung werden. Es ist beeindruckend, wie er das erleb bar macht, mit welcher Genauig keit er Vorgänge beschreibt, die sich unter der Oberfläche des sichtbaren Alltagsgeschehens ab spielen, in der Psyche, den Re flexionen und Erinnerungen. Er verkürzt die sichere Entfernung zum Geschehen, aus der nüch terne Betrachtung möglich wäre. Alle Distanz ist geschwunden, wir sind als Leser mit hinein ver strickt in die Abläufe und be- kommen eine Vorstellung von dem überaus komplizierten und widersprüchlichen Innenleben dieser ach so unscheinbaren Durchschnittsmenschen. So er weist sich, was belanglos scheint und im Getriebe des Alltags ver drängt wird, oft genug als Trauma. Lauter unauffälligen Men.- ■ sehen begegnen wir in diesen Erzählungen, Menschen, die über ihr unmittelbares Privatleben hinaus nicht von sich reden ma chen. Einer nur tut es: Harald, der „schöne Mann“ aus der Ti telgeschichte. Aber seine Arbeit als Modell für Reklamefotos ist wie abgetrennt von seiner wahr haften Existenz und deutet da mit auf eine tiefe Kluft, die sich durch die bundesdeutsche Gesell schaft zieht: Ihrer verlogenen Ideologie, die mit ihren Ulusio- nen zugleich die Entfremdung produziert, auf der einen Seite steht der reale Alltag auf der an dern Seite gegenüber als eine Wahrheit, die erbärmlicher ist und zugleich doch menschlich größer. In der ersten Erzählung („Dop pelt belichtetes Seestück“) be richtet eine Frau von ihrem Traum, in dem sie selbst sich nackt und mit einer Wunde zwi schen anderen nackten und ver wundeten Frauen sieht. Ein ein ¬ dringliches Bild für das, was de» Figuren dieser Geschichten ge meinsam ist: auf irgendeine Art sind sie alle verletzt, gescheitert oder betrogen, stigmatisiert von schlimmen Erfahrungen mit ih ren Mitmenschen. Immer wieder begegnen wir einsamen oder ge schiedenen Frauen, daneben Männern, die bei leidlichem be ruflichen Erfolg vergebens ver suchen, ihre Konflikte zu lösen oder doch wenigstens zu verdrän gen. Sie strecken die Hände aus nach dem anderen, getrieben von der Sehnsucht nach einer Umar mung, in der alles Zerrissene sich wieder harmonisch zusam menfügt und müssen dabei ihr Unvermögen zu echter menschli cher Bindung erleben. Nicht im stände, die aus dem Zusammen leben erwachsenden Konflikt 6 zu bewältigen oder sich ihnen überhaupt zu stellen, bleiben sie auf sich zurückgezogen, sind in nerlich gespalten und könne» sich selbst nicht begreifen. Denn das ist allein möglich durch den anderen Menschen, dem man vor behaltlos vertrauen darf. In die sem Sinne sind die Erzählungen nicht zuletzt ein Plädoyer dage gen, daß Menschen einander be nutzen und sich auf diese Weise gegenseitig zum Objekt degradie ren, ein Plädoyer für ein gleich berechtigtes Miteinander, in den einer den anderen braucht und achtet. Wellershoffs Figuren sind fes verstrickt im engmaschigen Nett ihrer Verhältnisse und bewegen sih wie Verlorene in einem 80 ßen dunklen Raum. Möglich 6 Alternativen oder soziale Zu sammenhänge, die ein weni8 Licht hineinbringen könnten werden nicht angedeutet. Dais ein leiser Zug von Resignatiol bisweilen nicht zu übersehel. Und dennoch, hinter all demve nimmt man einen nie ganz ve stummenden Aufschrei nach dem ungelebten, anderen, de wahren Leben, das inmitten '“’ Not und Anpassung des pra tischen Alltags in den Träum 6 ’ und in der Phantasie immer au> s neue an sich erinnert. TOMAS GÄRTNBB Forum zum Rechtsstaat „Sozialistischer Rechtsstaat“ — zu diesem hochaktuellen Thema diskutierten am 7. 11. in der „mo- ritzbastei“ unter der Leitung von Dr. sc. B. Klemann, Prof. Dr. K. Bönninger (beide Sektion Rechts wissenschaft), Frau Dr. Hartin- ger (Volkskammerabgeordnete), der Pfarrer und Kirchenrechtler Dr. Mühlmann, Staatsanwalt Dietze und der Rechtsanwalt und SED-Stadtverordnete Dr. B. Knupp. Der im ersten Teil des Ge sprächs unternommene Versuch, den bisher vor allem politisch und propagandistisch verein nahmten Begriff des „Rechtstaa tes“ mit juristischem Inhalt zu füllen, hat wohl vor allem bei Laien zu mehr Klarheit geführt. Um nur einige Gedanken wie derzugeben — es ging um die tat sächliche Durchsetzung der Ver fassung als sozialistisches Grund gesetz, um klare und kontrollier bare Verantwortlichkeiten im Staatsapparat, um die Verbin dung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Rechtsstaatlichkeit, so re sümierte Dr. Klemann, bedeutet zunächst Trennung von Politik und Verwaltung, Selbstbindung des Staates an das Recht, Bin dung von Recht und Politik an die Würde des Menschen statt an die Würde des Staates. Freilich zeigten die praktischen Erfah- gen zur bisherigen Arbeit der Volkskammer (Frau Dr. Hartin- ger), zur Gesetzgebungsvorberei tung und zur Tätigkeit der Ver waltung (Prof. Bönninger), wie vieles hier seit langer Zeit im Ar gen liegt. Im zweiten Teil ging es um konkrete Vorstellungen zur Schaffung eines Rechtsstaates DDR: Dis Notwendigkeit einer neuen Verfassung, schon wegen der geforderten Schaffung eines Verfassungsgerichts, wurde all gemein anerkannt. Weitere Stich punkte: Ein künftiges Verfas sungsgericht darf nicht die Machtvollkommenheit der Volks kammer beeinträchtigen, Rechts staatlichkeit ist mit der gesetz lich geregelten Führungsrolle Prof. Bönninger einer Partei nicht zu vereinb ren, die Unabhängigkeit 02. Richter muß gestärkt werdee Rechtsvorschriften, die die fassungsmäßigen Grundrec"s. substantiell einschränken (a Vereinigungsverordnung), mae sen aufgehoben werden, 0 künftige Parlamentarier " sich in einer Wahl zwischen men reren Kandidaten durchsetz" er benötigt entschieden mas Sachkunde und bessere Infor tionen. Aus einer „Durchlne rungsdemokratie“ müsse e L „Entscheidungsdemokratie“ W den (Prof. Bönninger). Um aktuelle rechtspolitisc,, Fragen ging es vorwiegender den Fragen des Publikums. F vorzuheben sind hier viele Eo gen zu Übergriffen von Anged rigen der Sicherheitsorgane, 7./8. Oktober sowie die einheltd Ablehnung des Entwurfs z Reisegesetz. Abschließend zwei Bemert gen: 1. Trotz Einladung W“aus Vertreter des Neuen Forumpos Leipzig nicht bereit, ihre Mao tion öffentlich zu äußern, die wolle sich, wurde dem Autoagsis ser Zeilen erklärt, vorlge nicht zu inhaltlichen Frao artikulieren. 2. Die Inflation^. Diskussionen in den letzten e chen hat zu einem spürbdge Nachlassen des Interesses 3 führt — das Forum war Wehere schlechter besucht als frugep vergleichbare Veranstaltunise Das spricht nicht gegen deragis Veranstaltungen, aber es Zs die Leute wollen jetzt auch ten sehen ... LF sGGEga Sektion n
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