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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 1989
- Erscheinungsdatum
- 1989
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-198900008
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19890000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19890000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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- Digitalisat
- SLUB Dresden
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Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 1989
-
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Band 1989
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Für alle, die am 17. Mai den Verlockungen des schönen Wet ters widerstehen konnten, hielt der Fachbereich Musikwissen- Schaft/Musikerziehung ein reiz volles Abendprogramm bereit: das Lehrer-Schüler-Verhältnis umkehrend, stellte sich Frank Pe ter seinen Studenten, indem er selbst am Klavier drei Beetho ven-Sonaten beleuchtete. Zu Be ginn — Sonate f-Moll op. 1 Nr. 1. Daß alle klavierkundigen Zuhö rer über eigene Erfahrungen mit dem Werk verfügten, war Wag nis und Gewinn. Die scheinbare Ungebundenheit der beiden Beethoven bei Sonnen-und Kerzenschein Hände des Interpreten, ihr gleich berechtigtes Wirken ließ man chen thematischen Zusammen hang des bekannt geglaubten Werkes in neuem Licht erschei nen. Dann — eine spätere Klavier sonate, e-Moll op. 90. Deutlich war auch hier das Streben zu spüren, jedem Ton erst durch seine bewußte Gestaltung, zur vollen Daseinsberechtigung zu verhelfen. Ob dies jedoch so oft mit einer gehäuften Dehnung von Schwerpunkten einhergehen muß, bliebe zu überlegen. Eine Tradition aufgreifend, mu sizierte Frank Peter zusammen mit einem Studenten der Hoch schule für Musik, Lutz Ambro sius. Mit vereinten Kräften er klang die Sonate für Klavier und Violine G-Dur op. 30 Nr. 3. Am Anfang überwog der Eindruck, die Violine trachte danach, den Anschlag des Klaviers nachzuah men; im 2. Satz fand sie aber zu eigener, violingemäßerer Tonge bung zurück. REGINA BODE, 2. Stj. Muwi, Sektion Kultur- und Kunstwissenschaften Information der HA Kultur Bestellungen für das Sonder konzert des Akademischen Or chester am 26. Februar 1990 (be reits im Anrechtsprogramm aus gedruckt) sind derzeit noch nicht möglich. Richten Sie diese bitte erst im Dezember 1989 an die HA Kultur der KMU (Akademi sches Orchester, Telefon 7 96 04 06). Bereits eingegangene Bestellungen können noch nicht berücksichtigt werden! Auch das gehörte zur Konzertsaison 1988/89 des Uni-Chores: Ein gemeinsamer Auftritt mit dem Bela-Bartok-Chor der Eötvös-Lorand-Universität Budapest im November im großen Saal des Gewandhauses. Foto: UZ-Archiv (Müller) Leipziger Universitätschor sang Mendelssohn Bartholdys „Te Deum" überzeugende Chorleistung Ein äußerst anspruchsvolles Pro gramm bot der Leipziger Universitäts chor auch im 4. Universitätskonzert im Studienjahr 1988/89 im Großen Saal des Gewandhauses. Unter der Leitung von Wolfgang Unger bot er Felix Men delssohn Bartholdys „Te Deum" für acht Solisten, achtstimmigen Chor und Basso continuo sowie Zoltan Kodalys Phantasie für gemischten Chor und Or gel „Laudes organi" - letzteres hatte der Chor bereits im November gemein sam mit dem Bela-Bartok-Chor der Eöt vös-Lorand-Universität Budapest zur Aufführung gebracht. Bleiben wir zunächst beim „Te Deum". Dieses Chorwerk, von Mendels sohn im Alter von 17 Jahren geschrie ben, stellt hohe Anforderungen an Chor, Solisten und Instrumentalisten. Ist es schon bemerkenswert, daß sich ein Laienchor — und der Uni-Chor ist ein Laienchor — diesem anspruchsvol len Vorhaben stellt, so ist es um so be merkenswerter, was da von der Bühne ins Publikum herüberkam. Unter der einfühlsamen Leitung von Wolfgang Unger fand der Chor zu gewohnter Lei stungsstärke. Er sang gelöst, über zeugte durch klare, harmonische Stimm führung, wirkte locker und ausdrucks stark. Gleiches kann man den Solisten vom Favorit-und-Capell-Chor Leipzig nicht in jedem Falle bescheinigen. Sie wirkten nach meinem Eindruck oft stimmlich überfordert, fehlte mir die Homogenität im gemeinsamen Singen. Daß die Aufführung des „Te Deum" trotz dieser kleinen Einschränkung zu einem großen Erlebnis wurde, dafür sorgten auch Gert Loth an der Orgel, Michael Pfaender (Violoncello) und Thomas Schicke (Kontrabaß). Zu einem Höhepunkt gestaltete sich dann die erneute Aufführung der Ko- dalyschen Chorphantasie „Laudes or gani". Auch hier beeindruckte der Uni versitätschor durch gelöstes, engagier tes Singen, durch Ausdrucksstärke in den einzelnen Teilen, gut begleitet an der Orgel von Gert Loth. Ullrich Böhme fesselte das Publikum in diesem Chorkonzert mit einer schö nen Gestaltung von Präludium und Fuge Es-Dur von Johann Sebastian Bach. Eine anstrengende Chorsaison liegt hinter dem LUC, der dem Chor und vor allem auch dem Konzertpublikum viele Höhepunkte brachte und in der die Aufführungen der Schütz'schen Weih- nachtshistoria, des Weihnchtsorato- riums und auch der Matthäus-Passion besonders hervorzuheben sind. G. S. Um „Grafik und Buchkunst bei Reclam" ging es in der jüngsten Folge der von der Kulturbund- Kreisorganisation der Karl-Marx- Universität getragenen Veranatal- tungsreihe „Bücher im Gespräch" Zu Gast in der Ratstonne der „Mo- ritzbastei“ war der Direktor des Ver lages Philipp Reclam. jun., Prof. Dr. sc. Roland Opitz. Betreut wird diese Reihe durch die Literaturwissen schaftlerin Prof. Dr’. sc. Hse See hase, die in ihrer Begrüßung darauf einging, daß vor nunmehr über vier Jahren mit demselben Referenten diese beliebten Gespräche eröffnet wurden. Ging es seinerzeit um die in Frage gestellte Krise des Ro mans, so stand die neueste Fortset zung ganz im Zeichen der iba ‘89. Prof. Opitz stellte das Haus Reclam als einen „Verlag mit doppeltem Ge sicht“ vor, und meinte damit die kontinuierliche Betreuung des popu lären Taschenbuches, neben der die Herausgabe künstlerisch anspruchs voll gestalteter Bände steht. Dieses Profil solle natürlich auch künftig gewahrt bleiben, in Millionenauf lage Reclams Universal-Bibliothek zu edieren und daneben die dif ferenzierte Publizierung der Ver bindung von Kunst und Literatur. Erfolge dieses Konzepts, so der Verlagsleiter, stellen beispiels „Verlag mit doppeltem Gesicht?" Reclam-Verlagsdirektor bei „Bücher im Gespräch" zu Gast weise die Ehrungen auf der 89er iba dar. Reclam erhielt eine goldene und eine bronzene Medaille, also mehr als so manche Länderausstel lung für sich in Anspruch nehmen konnte. Außerdem , künde selbstver ständlich die ständig anwachsende Nachfrage vom Sinn solchen Her angehens, dem bereits in den 50er und 60er Jahren durch Hans Mar quardt die Wege gebahnt wurden. Nun sind sie längst nicht mehr wegzudenken aus dem Angebot die ses traditionsreichen Unterneh mens : gediegene, die hohe Kunst der Buchgestaltung bescheinigende Bände solcher Reihen wie „Das Schöne Buch“, die „Dürer-Presse“ sowie die „Grafik-Edition“. Anhand von Beispielen stellte Prof. Opitz in der Ratstonne vor, was das „dop pelte Gesicht“ von Reclam aus macht. Neben Einzelgrafiken, Gra fikmappen, Vorzugsausgaben und anderen Unikaten zeigte er die be liebten Taschenbücher zu niedrigen Preisen, die beispielsweise in Form reiner Grafikbände oder als illu strierte Ausgaben Kunstträger und -mittler sind. Die Grundidee für „Das Schöne Buch“ war, gute Lite ratur mit der ihr entsprechenden bildenden Kunst auszustatten, um das Gesamtwerk dem Leser in äs thetisch gehaltvoller Form zu prä sentieren- An Kunstliebhaber und Sammler richten sich die in limitier ten Stückzahlen erscheinenden Pres- sedrucke, von deren Wert jedoch nicht nur hohe Preise, sondern ebenso ihr sofortiges Vergriffensein Zeugnis ablegten. Der „neue“ Reclam-Chef hat aller dings auch eigene Ideen, teilweise noch in Arbeit, anderes — so die „Gutenberg-Presse“ — auch schon spruchreif. Unter diesem anspruchs vollen Namen werden künftig ein zelne Erzähltexte in traditionellem Handsatz erscheinen, deren typogra fische Lösungen ganz im Einklang mit der jeweiligen Literatur stehen sollen; quasi als Beweis, was zu Zei ten der Fotosatztechnik noch mit rein handwerklichen Mitteln mög lich ist. M. E. Schuld ohne Sühne Zur Uraufführung von Eugen Ruges Stück „Schuld" in der Neuen Szene Rodion Raskolnikow, der Ge spaltene zwischen Gefühl und Verstand, zwischen Religion und Wissenschaft, zwischen Gott und Napoleon ist eine Art russischer Hamlet mit einem gewaltigen Unterschied: Er handelt und spaltet, der Wucherin den Schä del, in dem mit Berechnung Reichtum und Elend vermehrt werden. Dostojewski, zeitlebens selbst ein Zerrissener, zeigte in diesem Verbrechen eine ganze Welt einschließlich der darin waltenden Theorien zu ihrer Er klärung. Raskolnikow erlebt einen sozialen Normalfall in einer psychischen Grenzsitua tion, in der er die herkömmli chen Kategorien von Moral und Gesetz zurückläßt und sich jen seits von Gut und Böse wähnt. Doch seine Tat ist nicht einmal für ihn Erlösung; mit Schuld muß er nach Sibirien, um zu süh nen. Dieser Vorgang des Aufsich- nehmens der Schuld und die (Un-)Möglichkeit ihrer Sühne ha ben den 1954 geborenen, in der BRD lebenden Autor Eugen einer ihr davongaloppierenden gesellschaftlichen Realität taucht zuweilen in die surrealen Visio nen von Traum und im Bewußt sein gespiegelter Wirklichkeit des gepeinigten Raskolnikow ein. Eine solche Atmosphäre von Ruge im Text offenbar schon an gelegt, wird in der Inszenierung Dietrich Kunzes vor allem mit der Ausstattung von Bernhard, Schwarz geschaffen. Der offene Spielraum der Neuen Szene wird dafür optisch beeindruckend ge nutzt. Zwischen einer Spiegel wand und schwarzen Folien, vor einem Kellerloch aus Teilen eines Autowracks (Zeitverweis), auf den Geländern, Podesten und Treppen agieren die Darstel ler in Szenen unterschiedlichster Form: der große Monolog steht neben dem gesprochenen Brief, dramatische Handlung wechselt mit dialogischer Analyse. Es wäre allerdings ein höheres Tempo in einigen Szenen, ins gesamt eine psychologisch ausge feiltere Rhythmik des Ganzen vorzuschlagen. Hjerzu kann viel leicht die Musik auch mehr bei Fred-Artur Geppert als Marmeladow und Jochen Noch in der Rolle des Raskolnikow. Foto: ANDREAS BIRKIGT Ruge zweifelsohne am meisten interessiert. Insofern ist sein Stück keine bloße Romandrama tisierung, sondern ein Versuch, Dostojewski — damit zum Teil ge gen ihn selbst — ins 20. Jahrhun dert zu verlängern. Fortgeschrit tene Entfremdung des Menschen in seinen Apparaten hat aus dem Untersuchungsrichter statt des notwendigen Opponenten Ras kolnikow eilten gelangweilten Beamten gemacht, für den der Fall faktisch im Wettbewerb so schnell wie möglich und mit so viel Interesse wie ihm nötig er scheint, abgeschlossen zu sein hat. Ein Unschuldiger wird ver urteilt, der Aktendeckel zuge klappt — Raskolnikow, der sich außerhalb des Gesetzes schuldig machte, hat nun keine Chance mehr, innerhalb des Gesetzes zu sühnen. Die Frage der Schuld und Mitschuld vervielfacht sich so in einem sozialen Geflecht, das Ruge in klar konturierten Kurzszenen mit prägnanten Do stojewski-Figuren gestaltet hat. Diese Prägnanz des Konfliktes zwischen christlicher Ethik und tragen, als es der oft nur glatt auf Atmosphäre abzielenden elektronischen Musik Christoph Theusners gelingt. Jochen Noch spielt die schwie rige Rolle des Rodion Raskolni kow mit Gespür für die Ab gründe der Figur ebenso wie für den berührend menschlichen Aspekt, indem er die Züge des Psy chopathischen in den Szenen mit der Prostituierten Sonja (Bettina Riebesei) mehr und mehr unter drückt. Hemvorzuheben sind dit Leistungen Fred-Artur Gepperts in der Rolle des verkommenen Trinkers mit größer Seele (Son jas Vater), Heidemarie Geeses in der Rolle Sonjas hysterischer Stiefmutter und Friedhelm Eber les als Untersuchungsrichter zwi schen Hohn, Sarkasmus und Ver zweiflung. Ein Abend, in dem sich das ge waltige Werk Dostojewskis für die Bühne auftut. Dank Eugen Ruges, der die Motive für die ei gene Sicht aufgriff: dank der Re gie, die das Experiment nicht scheute. THOMAS IRMEB „Mich zähmen Sie nicht... Ich bin ein Mensch I" Rezensiert: „Waiblingers Augen" — Ein Roman von Peter Härtling / Aufbau Verlag Berlin, Edition Neue Texte Seine Gedichte, seine fast ver gessenen Romane nennt man in zwischen epigonal. Sein „Phaeton“ öffnete ihm Türen zur Gesellschaft, die er krachend zuschlug, angewi dert schon von den knappen Einblik- ken. Wilhelm Waiblinger, württem- bergischer Beamtensohn, stirbt 26jährig nach durchlittener Armut und Krankheit in Rom. Acht Jahre zuvor, im Herbst 1822, hatte ihn der Vater in den Tübinger „Theolo genzwinger“ gedrängt, den frührei fen Dichter, den die Last namhafter Vorbilder zu expressiver Selbst behauptung trieb. Sein Phaeton, sagt Waiblinger, ist ein Hölderlin, „einer der da wahn sinnig wird aus Gotttrunkenheit, aus Liebe und aus Streben nach dem Göttlichen“. Er sucht Kontakt zum Dichter des „Hyperion", der im Tübinger Stift zurückgezogen lebt und doch den neugierigen Gaffern ausgesetzt ist. Für einen Wahnsinnigen gehalten zu werden, dieses Gefühl kennt Waiblinger, seit er sich aus ent täuschter Liebe ein Messer in die Brust gerammt hat. Unter dem Dik tat der Tübinger Theologen brechen seine seelischen Wunden wieder auf. „Mich zähmen sie nicht... Ich bin ein Mensch!“ Der Stifter sollte die einjährige Probe seiner Unterordnung be stehen. Das Individuum widerstand der Zerteilung. Waiblinger verliebt sich in Julie, Schwester des jüdischen Professors Michaelis. Er sticht in das Wespen nest kleinstädtischer Konventionen und wagt einen Kampf, dem er nicht gewachsen ist, weil er ihn prinzipiell führt: um die Liebe. Liebe und Dichtung als Daseins weise — nur durch dieses Band fühlt sich Waiblinger mit der Um welt verbunden. Liebe und Dich tung und Wirklichkeit sind ihm zu einem Netz verflochten, in dem sich der Theologiestudent aus kleinbür gerlichem Hause rettungslos ver stricken muß. Nichts als die Liebe liebe er, wird im Julie vorwerfen, und seinen sich abwendenden Freunden muß er offenbaren: „Ich bin krank von der Poesie.“ Wenn die Kunst ihre Wirklichkeit habe, müsse es auch ein Leben in dieser Wirklichkeit geben, eine Brücke zwischen Dichtung und Da sein. In ein solches Leben gäbe es das unablässige Hineinreden nicht, die Warnungen all jener, die die un ¬ geschminkte Selbstbegegnung fürch ten. Das Unaussprechbare findet Raum in der dichterischen Phanta sie. Sie erzeugt die Menschen, die Waiblinger lieben kann. Ein vorgeschriebenes Leben ver wirft er, er wagt sich eines zu schreiben, das die tagtäglichen Mü hen lohne. Schreibend sammelt er die Bruchstücke der eigenen Identi tät. Rollenspiel, Selbstgespräch, fik tive Aufzeichnungen seiner Partner — er inszeniert sich selbst, um in der Welt der „anderen“ nicht vor die Hunde zu gehen. Und wird doch zerrissen, weil er ungeschützt lebt, weil er seine Empfindungen nicht zu stutzen vermag. Es scheint, als trage er die ver drängten Gefühle seiner Generation in sich, die seinem kurzen Glück einen Schwung geben, „dem nie mand gewachsen ist“. Der kleinliche Haß der Mit menschen auf die schmalen Freu den der jüdischen Familie, der Wahn, die Liebe von Julie und Wil helm ausbrennen zu können, ent sprang einer anderen Realität, der Waiblinger Zeit seines kurzen Le bens entfloh. Sein Leben — ein Expe riment? Seine Poesie — verbrämte Entfesselung? Peter Härtling folgt im Erzählge stus der Individualität Waiblingers. Einsilbigkeit und Kompression von Gedanken — die Expressivität ist vielfältig. Waiblingers kindlich naives Rollenspiel macht der Autor für die Formwirkung produktiv. Zeitweilig erscheinen andere Figu ren als Personifikationen Waiblin- gerscher Gedanken. • „Waiblingers Augen“ ist ein über raschend schlichtes und zugleich vielschichtiges Buch. Es ist von einer Hochspannung getragen, die dem drängenden Wesen der Haupt figur entspricht. Behutsam behan delt Härtling alle Gestalten, und die teils gestisch-kraftvolle, teils sin- nend-zerbrechliche Sprache bereitet einen seltenen Lesegenuß. Ein biographischer Roman ist das Buch eben so viel und so wenig wie Härtlings „Hölderlin“ (1976). Wai blingers innere Konflikte und die Muster sozialen Verhaltens in sei ner Umgebung sind bestechend' heu tig. Waiblingers Tragik mahnt zu Toleranz, zu einem Blick mit Wai blingers Augen. Und noch das macht mir das Buch wesentlich: Wo die großen Dichter verschüt tet scheinen unter Gelehrsamkeit, finden die Entdeckungen an den un behauenen statt. FRANK-THOMAS SUPPE Junge Solisten im 6. Akademischen Wer das Augenmerk auf das Werk nach der Pause richtete — komponiert von Etienne-Nicolas Mehul —, mochte an die derzeit verschiedenartigen mu sikalischen Würdigungen des 200. Jah restages der Französischen Revolution denken: Speziell unter dieses Motto ge stellt war der Abend jedoch nicht. Er wurde insbesondere durch die Be gegnung mit einer jungen Instrumenta listin geprägt, die wohl nicht nur bei mir einen tiefen und nachhaltigen Ein druck hinterließ. Die erst neunzehnjäh rige Nora Koch, Studentin im 3. Stu dienjahr an der Leipziger Musikhoch schule, war die Solistin im Harfenkon zert A-Dur von Karl Ditters von Ditters dorf. Bei ihrem auswendigen Vortrag strahlte sie große Sicherheit aus, ihre natürliche, gelöste Musizierhaltung ba sierte auf genauer, differenzierter Durchdringung des Werkes. Sie -be eindruckte damit technisch ebenso wie interpretatorisch und schuf so immer wieder eine Atmosphäre schöner, auch atemloser Spannung. Das Akademi sche Orchester zeigte sich hier als ein bestens um seine partnerschaftlichen Aufgaben wissender und sie aufmerk sam angehender Mitstreiter,, so daß beispielsweise die kammermusika lischen Züge und instrumentalen Eigen heiten des zweiten Satzes zum Tragen kamen. Zweites Werk mit prägendem So- lopart war an diesem Abend das ver gleichsweise knappere „Capriccietto für vier Pauken" von Ottmar Gerster. Das Verhältnis Besetzung-Titel mag schon besondere Aufmerksamkeit aus lösen; in dem prägnanten und span nungsvollen Satz wie Verlauf waren di 6 düsteren Farben des 1932 entstand®' nen Stückes nicht zu überhören. Souve. rän gestaltet wurde der Solopart vo" dem jungen Schlagzeuger Sven Pauli. Begonnen hatte das Konzert mit Jo seph Haydns Sinfonie C-Dur Nr. 48 („Maria Theresia"), ein allerdings wen! ger strahlender denn zögerlicher Aul. takt; erst nach einiger Zeit fanden Horst Förster und sein Orchester den rechten, „ihren Spielrhythmus“. Mach** sich in dem gewiß nicht leicht zu erfül. lenden langsamen Satz ein Spannung' abfall deutlich bemerkbar, so konntf dann im Finalsatz einiges an Mus zierelan und Konturenschärfe gewoT nen werden. Energievoller, engagien und konzentriert wie so oft konnte ma0 das Orchester dann schließlich bei Me. huls großer g-Moll Sinfonie (Nr. 1) e" leben. Die packenden, dramatische. Züge dieser Musik, ihre klangliche Cho rakteristik wie individuelle Stellung 1 den zuvor und im Umfeld sich vollzidi henden Musikentwicklung (Beisp’h Beethoven) konnte man hier deutlil vernehmen. Ein interessanter Aben war dies allemal. Der Ausblick auf äh liehe in der nächsten Spielzeit ist ge95 ben - zu erwarten wäre, daß der kouo noch minimal zu nennende Inform n tionsgehalt zu Interpreten und Werk, auf dem Programmzettel - andere U® versitätsensembles zeigen Praktikabl - als unangemessen erkannt und m difiziert wird. ALLMUTH BEHREND’
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