Suche löschen...
Universitätszeitung
- Bandzählung
- 1989
- Erscheinungsdatum
- 1989
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-198900008
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19890000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19890000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 1989
-
- Ausgabe Nr. 1, 6. Januar 1
- Ausgabe Nr. 2, 13. Januar 1
- Ausgabe Nr. 3, 20. Januar 1
- Ausgabe Nr. 4, 27. Januar 1
- Ausgabe Nr. 5, 3. Februar 1
- Ausgabe Nr. 6, 10. Februar 1
- Ausgabe Nr. 7, 17. Februar 1
- Ausgabe Nr. 8, 24. Februar 1
- Ausgabe Nr. 9, 3. März 1
- Ausgabe Nr. 10, 10. März 1
- Ausgabe Nr. 11, 17. März 1
- Ausgabe Nr. 12, 27. März 1
- Ausgabe Nr. 13, 31. März 1
- Ausgabe Nr. 14, 7. April 1
- Ausgabe Nr. 15, 14. April 1
- Ausgabe Nr. 16, 21. April 1
- Ausgabe Nr. 17, 28. April 1
- Ausgabe Nr. 18, 5. Mai 1
- Ausgabe Nr. 19, 12. Mai 1
- Ausgabe Nr. 20, 19. Mai 1
- Ausgabe Nr. 21, 26. Mai 1
- Ausgabe Nr. 22, 2. Juni 1
- Ausgabe Nr. 23, 9. Juni 1
- Ausgabe Nr. 24, 16. Juni 1
- Ausgabe Nr. 25, 23. Juni 1
- Ausgabe Nr. 26, 30. Juni 1
- Ausgabe Nr. 27, 7. Juli 1
- Ausgabe Nr. 28, 14. Juli 1
- Ausgabe Nr. 29, 21. Juli 1
- Ausgabe Nr. 30, 28. Juli 1
- Ausgabe Nr. 31, 1. September 1
- Ausgabe Nr. 32, 8. September 1
- Ausgabe Nr. 33, 15. September 1
- Ausgabe Nr. 34, 22. September 1
- Ausgabe Nr. 35, 29. September 1
- Ausgabe Nr. 36, 6. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 37, 13. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 38, 20. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 39, 27. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 40, 3. November 1
- Ausgabe Nr. 41, 10. November 1
- Ausgabe Nr. 42, 17. November 1
- Ausgabe Nr. 43, 24. November 1
- Ausgabe Nr. 44, 1. Dezember 1
- Ausgabe Nr. 45, 8. Dezember 1
- Ausgabe Nr. 46, 15. Dezember 1
-
Band
Band 1989
-
- Titel
- Universitätszeitung
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Kultur spiegel UZ Musik alter und neuer Meister Konzerte des Jugend kammerchores der KMU Der Jugendkammerchor der KMU unter der Leitung von Dr. Michlael Reuter gab im April wei tere Konzerte: zunächst am 15. April im Heinrich-Schütz-Haus Bad Köstritz sowie am 29. April in der Kirche Johannisthal in Berlin-Schöneweide mit jeweils leicht verändertem Programm. Sowohl alte Meister wie Schütz, Setfein, Purcell als auch Volks liedbearbeitungen (Brahms, Bartok) und Lieder zeitgenössi scher Komponisten wie Peter, Erdmann, wurden u. a. vom Chor dargeboten. Bei beiden Konzerten wurde die sehr leben dige und frische Darbietung von Spirituals mit besonderem Applaus aufgenommen. Eine Be reicherung erhielten die Kon zerte durch Klavier- bzw. Or gelstücke, gespielt von Frank Pe ter. Weitere solistische vokale und instrumentale Beiträge vor Chormitgliedern rundeten die Programme ab. Am 30. April erklang in der Kirche „Zur frohen Botschaft" Berlin-Karlshorst das Oratorium „Israeliten in der Wüste“ von Carl Philipp Emanuel Bach, das bereits 1988 aus Anlaß des 200. Todestages des Komponisten vom Jugendkammerchor der KMU in Leipzig und Borna auf geführt wurde. Diesmal mu sizierte der Chor gemeinsam mit dem Kammerorchester der Hoch schule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin unter der Leitung von Christoph Sandmann, selbst Stu dent an der Hochschule. Er ver stand es, die Musizierfreude und Begejsterung aller Beteiligten zu einer eindrucksvollen, künstle risch wertvollen Darbietung zu führen. Großen Anteil am Gelin gen hatten auch die Solisten. Ju dith Engel, Sopran I, überzeugte durch eine sichere, klare Gestal tung der Linien und Leichtigkeit der Höhe, während Anke Mar kert. Sopran II, durch ihren war men, weichen, doch voluminösen Stimmklang und ihre einfühl same Interpretation beein druckte. Die Darbietungen von Torsten Süring, Tenor, und Hen rik Czerny, Bariton, waren von guter Stimmfühtrung und Aus druckskraft gekennzeichnet. Alle vier Solisten sind ebenfalls Stu denten der Berliner Musikhoch schule. Sie bewältigten ihre teil weise sehr anspruchsvollen Par tien überzeugend und engagiert, was die Aufführung zu einem be sonderen emotionalen Erlebnis werden ließ.' Lebendige Mu sizierfreude und künstlerische Meisterschaft von Chlor, Or chester, Solisten und Dirigent wa ren die Grundlage für eine rundum gelungene Interpreta tion des vornehmlich har monisch und durch die In strumentierung interessanten Oratoriums. Die Darbietung wurde zu einem für die Zuh und Musizierenden gleicherma ßen bewegenden Erlebnis. Dr. SUSANNE KETZER Musikabend Einer schönen Tradition fol gend, fand am 20. April im Kam mermusiksaal der Hochschule für Musik der Musikalische Abend der Sektion Mathematik statt. Mitarbeiter, Studenten und Gäste boten ein über 90 Minuten breit gefächertes' Programm mit Werken von Georg Philipp Tele mann (1681 bis 1767), Georg Friedrich Händel (1685 bis 1759) und Frederik Chopin (1810 bis 1849), die mit viel Beifall vom Publikum aufgenommen wur den. Der gelungene Abend brachte den Besuchern und den Mitwirkenden viel Freude. Konzert • Konzert • Am Montag, dem 29. Mai, fin det um 20 UHr im Großen Saal des Neuen Gewandhauses das 4. Universitätskonzert 1988/89 statt. Auf dem Programm stehen Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy (Te Deum), Johann Se bastian Bach (Präludium und Fuge Es-Dur, BVW 252) und Zol tan Kodaly (Laudes Organi). Un ter Leitung von Wolfgang Unger begleiten Ulrich Böhme und Gert Loth den Capell-und- Favorit-Chor Leipzig an der Or gel. Das Karnickel auf der Bühne Zur neuesten Inszenierung im Beyer-Haus: „Prometheus" von Jo Fabian Bedecke deinen Himmel. Zeus! Es kommt: Prometheus, der den Men schen so nahe Göttersohn; zu brin gen das Feuer, zu sterben den enden den Tod. Prometheus, der Revoluz zer? Das war er schon bei Goethe so wie in zahlreichen Um- und Aus deutungen, die der Prometheus- Mythos in der Weltliteratur erfuhr. Das geradezu revolutionäre Aufbe gehren des oft zum wirklichkeits nahen Heiligen stilisierten Men schenfreundes Prometheus — es läßt sicn nicht auf die Tat begrenzen, den Menschen Feuer zu bringen, nicht auf das Unerhörte, dem Göt terreigen die Stirn zu bieten, und nibtauf die Strafe ewigen Leids. Dieser Stoff ist von nachhaltiger Aktualität, die identifikative Be liebtheit des bekannten Goethe- Gedichts (auch bei Nicht-Freunden klassischer Literatur) sowie die mehrfache Verwendung des Sujets auch in der einheimischen Drama tik mögen als Belege hierfür aus reichend sein. Diese Grundstruktu ren menschheitlichen Werdens wir ken fort und fort, erfahren Berei cherung durch neue Erfahrungsmu ster und unterliegen stets gegen wärtiger Umformung und Bereiche rung. Dies deutlich zu machen, unter nahm Jo Fabian (dessen szenische Annäherung an Brechts „Baal“ noch immer Gesprächsstoff bietet) nun den Versuch, eine Gerade aus dem antiken Mythos ins nach vorn offene Heute verlängern. Gemein sam mit dem Poetischen Theater „Louis Fürnberg" der KMU und ex klusiv für dieses Ensemble entstand .Prometheus. Erinnerung nach vorn.“, eine interessante und auf Entdeckung zielende Collage des jungen Autors. Sein Verständnis ei gener Theaterästhetik äußert sich darin ebenso wie das Vermögen, Textstrukturen zu entwickeln, die auf Entwicklung aus sind. Da gibt es (in formaler Anlehnung an Hei ner Müller, die jedoch eine frucht bare Auseinandersetzung mit der Methodik dieses so wichtigen und für schon viele Jüngere anregenden Autors darstellt) parabelhafte Durchdringungen, Wort- und Text aufbrüche, Klammerungen, Andeu tungen und zahllose Offenheiten. Die Stückvorlage, beläßt nichts bei herkömmlichen Stoff-Ansichten und wenig bei bekannten Schreib weisen und Aneignungsmustern; und selbst Zeus ist hier nicht mehr Zeus. Griechische und römische My then sind verwoben mit Gegenwart, man möchte meinen, hier ist von Durchdrungenheit gesprochen, die menschliche Bezüge in ihrer Ge samtheit ausdrücken will. Aber da von ist nichts gesagt, wie auch so vieles weiteres am und zum Stück dem Betrachter überlassen bleibt, es anzunehmen und nach Möglichkei ten auszudeuten. ist schon der Text von einiger Vielschichtigkeit — obzwar es im Grunde „nur“ darum geht, daß Pro metheus, Jupiter, Herakles und Epi- metheus einander 'verfallen sind, sich in Anhängigkeiten ausgeliefert sind und trotz der verschieden strukturierten Machtverhältnisse (die unterschiedliches Verhalten na türlich evozieren) sich nie aus einem Netz von Gefährdungen und Verantwortung flüchten können — die Umsetzung trägt noch obendrein weniger zur Aufhellung denn zu va riabler Anregung bei. Sie entwirrt nicht, interpretiert und verdeut licht, sondern unterstreicht das denkbare Anliegen Fabians, Er- fahrungs- und Erkenntnisgefüge sichtbar zu machen und sie gleich- zeitig in Frage zu stellen. Die so erzielte Wirkung bringt kein Aha und fertig!, sondern eher den An stoß zu sinnlicher Selbstbefragung. Ideenreich die Dramaturgie und die Gesamtausstattung, von spaßig- unterhaltsam bis hin zu nachdenk- lich-berührend das Zusammenspiel von Text und Inszenierung. Vielfäl tig die medialen Bestandteile — kon ventionelles und verzerrtes Sprech theater, pantomimische Bewegungs studien, von Beleuchtungseffekten über Film- uhd Bikleinblendungen hin zu musikalischen Klangmu ¬ stern, die mal nur Geräuschkulisse bilden (und vom Gang der Gezeiten künden), mal auch voll nahezu be törender’ Wirkung sind. Zur Ausstat tung zählen eins, zwei, drei und plötzlich Hunderte von Tennisbäl len, außerdem mümmelt ein (be dauernswertes!) Kaninchen auf der Bühne. Im ansonsten schlichten, weiß ausgeschlagenen Saal kommen die teils metaphorischen Kostüme recht zur Geltung. Dunkel gekleidet mit Leuchtvorsätzen das Götterquar tett. von Judy Lybke, Mario Tust, Frank Liebscher und John Morgen stern nahezu übereinstimmend in In tensität und Verhaltenheit gespielt. Die drei Kommentatoren (sie brin gen Bezüge zur Welt und deuten das Geschehen ein wenig aus) kon trastieren in roten Kleidern und werden von Juana Perke, Elke Schu mann und Friedericke Simmgen ver körpert. Eine dritte Gruppe kommt ganz in Weiß daher, sie eröffnet und beschließt das „Exampel in mo- tion", wie der Untertitel heißt, als Modell einer Einsicht in Mensch- heitsverhältnisse archaischen Ge- wordenseins und ebenso unbestimm baren wie folgenreichen Werdens. Es sind recht individuelle Ansprü che an Theater und Wirkungsfunk tionen gestellt. Auch wenn nicht alle Regieeinfälle sofort durchschau bar sind — das müssen sie nicht, so lange gedankliche Auseinanderset zung provoziert wird — und nicht in jedem Detail vor Originalität strot- zen (warum nicht auch abschauen, was anderswo als interessante Anre gung vorliegt?); Jo Fabians „Pro metheus“ am Unitheater zu erleben, bietet 90 Minuten lang, die Möglich keit, sich von den aufgebrochenen Textstrukturen und dem Erleben der Fülle an Eindrücken gefangen nehmen zu lassen und verheißt Nach-Denken zu Geschichte, My thos und tatsächlichem Heute. Es läßt schließlich dem darstelle rischen Vermögen des Ensembles so wie dessen technische Leistungs fähigkeit große Achtung zollen. M. E. Er hat einen Roman über Hölder lin geschrieben, eine Geschichte über Mörike und eine Suite über Lenau (zum Beispiel). Er ist befreun det mit DDR-Autoren wie Christa Wolf, Irmtraud Morgner, Stephan Hermlin und Uwe Kolbe. Und er ist ein Neugieriger, der mit dem Zug aus dem anderen deutschen Staat zu Besuch kam, dieses Mal in die „Mo- Zwei Jahre nach Ihrem Roman, 1978, erschien die umstrittene Höl derlin-Biographie des Franzosen Pierre Bertaux, die 1987 auch in der DDR aufgelegt wurde. Welche Sieht haben Sie auf dieses Buch und seine Grundthese, Hölderlin sei nicht wahnsinnig gewesen? Wenn ich das jetzt vereinfache, bleibt vieles unausgesprochen, was eigentlich dazugehört. Es kommt erstmal auf den Begriff „Wahn sinn“ an. Wie definieren Sie „Wahn sinn“? Für mich war das Anders sein wichtig. Es gibt Untersuchun gen, die klarmachen, daß Hölderlin unbezweifelbar unter schizophrenen Schüben — wahrscheinlich Von sei nem 16. oder 18. Lebensjahr an — ge litten hat. Es gibt gerade im Bereich der Schizophrenie sehr lange Pau- Sen. Und sehr häufig wird diese Krankheit wieder wachgerufen durch Pressionen. Soziale und indi viduelle Notstände. Dies ist ganz ein deutig so, daß Hölderlin unter ganz bestimmtem Druck irritiert oder ge kränkt oder’ krank reagierte. Und daß sich die Reaktionen beschleunig diesem Punkt war er auch unheil bar krank. Und wenn mir jetzt Pierre Bertaux erklärt, er möchte einen heilen, gesunden Hölderlin, dann hat das für mich — ich habe ihm das ein einziges Mal gesagt — beinahe eine faschistische Nuance: dieses Gesundmachen, der Gesunde, der Heile, der Mensch Ohne Riß. Pierre Bertaux wollte das gewiß nicht. Aber die Argumentation zielt ein wenig dahin. Für mich hat Höl derlin einen Riß. Und der Riß ist auch mein Riß, und es ist gut, daß er da ist. Ich verteidige seine Krank heit. Er hat ein Recht auf sie. Während Ihrer Lesung in der „MMoritzbastei" fragte Sie eine Stu dentin nach dem Umgang mit Quel len. Wie stellen Sie sich zum Ver hältnis zwischen dokumentarischer Überlieferung und literarischem Freiraum? Ich habe darüber in Frankfurt/ Main die Poetik-Vorlesungen ge halten. Die heißen „Finden und .Er finden“. Für mich besteht über haupt kein qualitativer Unterschied zwischen Finden und Erfinden, zwi- Literatur im Zenit von Finden und Erfinden Der Schriftsteller Peter Härtling las im FDJ-Jugend- und Studentenzentrum „Moritzbastei" ritzbastei"! Dort las er aus dem,Höl derlin-Roman und war Gast beim Lyrikspektakel. Den Wein mag er kalt und trocken, und bei einem Blaustengler hatte er auch Zeit für das folgende Gespräch: Peter Härt ling, Schriftsteller aus der BRD. In Ihrem Roman sagt Hölderlin 1795 zu seinem Freund Magenau: „Es kann sein, daß das Endgültige, Vollkommene, Geformte nicht mehr wichtig sein wird ... Daß der Ent wurf wichtiger sein wird als das Re sultat ...“ Mir fiel auf, daß Sie wäh rend der Lesung formulierten, Höl derlin habe wie selten jemand ver standen, was ein Entwurf wirklich sei. Welche Tragweite hat für Sie dieser Begriff? Die Tragweite geht bei Hölderlin tief ins Werk hinein. Alle späten Hymnen sind Entwürfe, ausgenom men die „Friedensfeier“ und „Pat- mos“. Das Unfertige ist die Haltung des Schreibenden, der in Schichten schreibt, entwirft. Zum ersten Mal hat Sattler (Dietrich E. Sattler, Her ausgeber der Frankfurter Ausgabe) klargemacht, daß alles zusammen gehört, daß nichts, aber auch gar nichts, wegfallen darf, sondern daß die Spule des Entwurfs, die abläuft, die Verschreibungen , daß wir die mitnehmen müssen, um die Zielrich tung des Entwurfs zu begreifen. Und die Zielrichtung ist bei Hölder lin immer der Mensch, der sich im Entwurf zu erreichen versucht. Er hat es manchmal den „besseren Menschen“ - genannt.. Dazu kommt beim frühen wie beim ganz späten Hölderlin — er kommt ja aus einem Glaubensraum, ist pietistisch erzo gen worden — die aufgebrochene Re ligion, aus der er ganz bestimmte Entwürfe mitnimmt. ten, vom ersten Homburger Aufent halt an, über Stuttgart, Hauptwil, Bordeaux. Die Charlotte von Kalb hat wirklich ein tolles Wort gesagt: ein Rad, welches schnell läuft. Es wurde ja auch immer rasender und unbegründeter. Also kann man einen Krankheitsverlauf oder Krän kungsverlauf feststellen: Von dem Punkt an, von dem er beim zweiten Homburger Aufenthalt seine Posi tion aufgibt, mit dem berühmten Ruf: „Ich will kein Jakobiner sein!“ — der ja dreifach bezeugt ist — von sehen Fiktion und Material/Realität. Literatur ist Literatur, meine ich. erst dann, wenn sie sich genau im Zenit dieser Spannung ausspricht, austrägt. Kein Buch auf dieser Erde ist nur erfunden, und keines wird nur gefunden. Nach Lesung und Diskussion sa hen Sie sich auch den Film „Hom mage ä Hölderlin“ von Herwig Kip ping an. Wie hat er auf Sie gewirkt? / Bei uns gibt es eine Menge ähn licher Filme. Ich mag diesen Um gang mit Literatur nicht, aus einem einfachen Grund: Die Symbole, die verwendet werden, haben absolut nichts mit dem Text zu tun. Die Maske hat bei Hölderlin überhaupt nichts zu suchen. Mir sind auf An hieb viele Symbole eingefallen, die er hätte verwenden können: der Strom, der Äther, die Pappeln. Das sind ja die Grundthemen Hölder lins. Die kamen hier nicht vor. So sind es lauter spätromantische Sym bole. Im Vorjahr brachte nun der Auf bau-Verlag Ihren jüngsten Roman „Waiblingers Augen“ heraus. Auf dem Schutzumschlag werden Sie als „militanter Humanist“ bezeichnet. Was ist damit gemeint? „Militant“ ist Quatsch. Ich hasse das Wort „militant“. Vielleicht ist das sogar ein Zitat. Ja, John Amery hat mal geschrieben, ich sei ein „radikaler Humanist“. Als solcher würde ich mich schon bezeichnen. Und sehen Sie, „militant“ und „radi kal“ — das ist schon ein Unter schied ... (Das Gespräch führte BJÖRN ACHENBACH.) Szenenausschnitt aus dem Volker-Braun-Abend der Leipziger Theater. Seid Realisten, verlangt das Unmögliche Lyrik und Prosa von Volker Braun in der NEUEN SZENE Volker Braun hat im letzten Jahr sehr viel veröffentlicht: „Arbeit für morgen“, „Verheerende Folgen man gelnden Anscheins innerbetriebli cher . Demokratie“. Besser gesagt, es wurde veröffentlicht, was schon län gere Zeit den Verlagen vorlag, zum Beispiel die anderthalb Jahrzehnte alte ..Unvollendete Geschichte“. Daß sich das Leipziger Theater in einem literarischen Programm . vor allem den jüngsten (auch älteren) Werken Brauns widmet, liegt gewiß nicht allein am runden Geburtstag des Dichters, der in dieser Stadt stu dierte und mehrfach aufgeführt wurde, und auch nicht nur bei sei ner die Auflagenhöhen bei weitem überschrittenen Popularität. Wo sicn in Lyrik, Dramatik und Prosa (hervorzuheben sind die Aphoris men) die Fragestellungen und An liegen eines Autors gleichermaßen kristallisieren, ist die eigenständige Zusammenschau seiner Texte ge rechtfertigt, wenn sie wie hier in der NEUEN SZENE dem Autor ge recht Wird. Zumal das Wort, aus gesprochen und gemeinsam ver nommen, eine andere Wirkung hat als auf dem stillen Papier des Kämmerleins. Die Auswahl Matthias Caffiers be nutzt die Struktur des Hinze- Kunze-Romans, die eine Basis für anekdotische Abschweifungen her stellt, darin andere verstreute Texte Brauns, einfängt und von Sebastian Undisz am Klavier’gerahmt und mit kleinen Improvisationen durchbro chen wird. Ob es um ein Gespräch im Hause des Chefs oder um einen jungen Nikaraguaner geht, der „Die Welt wie sie ist“ sieht — der Vor trag dreier Schauspieler ist vorzüg lich, verleiht den Texten eine beim Lesen schwer zu erahnende Le bendigkeit. Dagmar Dempe fungiert dabei mehr als verbindende Erzäh lerin, Dieter Bellmann und Gert Gütschow reißen dann die Wider sprüche dialogisch auf, zum Teil herrlich augenzwinkernd. Einer von Brauns schönsten Aphorismen lautet: „Wir lernen dazu, was wir schon immer gewußt haben.“ Mit Braun lernen wir, daß wir schon immer mehr gewußt ha ben. THOMAS IRMER Foto: HELGA WALLMÜLLER Lyrik, Spektakel? Anmerkungen zu einem Publikums-K.-o. Spektakel sind nicht immer spektakulär. Das steht für den Großteil des Publikums nach die sem Abend fest. Was gab es denn am 5. Mai in dem völlig überfüllten FDJ-Jugend- und Studentenzentrum „Moritz bastei“? Mehr als ein Dutzend Veranstaltungen, nacheinander und parallel: Lesungen, Filme, Musik, Diskussions- und Auk tionsrunden, im Vorprogramm des damit neunstündigen Abends wohl auch Theater. Der Aufbau- Verlag veranstaltete anläßlich der „iba ’89“ sein multimediales Spektakel Nr. 2 und verdoppelte etwa die Zahl der literarisch musikalisch-filmischen Pro gramme gegenüber dem Start im Berliner Babylon-Kino. Soviel daß ein einzelner nicht alles se hen konnte; soviel, daß die Ver anstaltungen sich gegenseitig arg behinderten. Weniger wäre wirk lich mehr gewesen. Und deshalb scheinen die Streiflichter nur schwach. Die Nonstop-Lesung von un gefähr 21 Autoren in der Veran staltungstonne mag die Basis des Abends gewesen sein. In den ein leitenden Worten von Verlags direktor Elmar Faber war zu hö ren, daß die Lyrik im Zeitalter der Hochtechnologie und in einer Zeit „geistig enger wer dender Räume“ bewahrt werden müsse. Dazu ist ein Verlag ja wohl auch da. Ob er aber seine Autoren in einem dreistündigen Lesungsmarathon unter den Be dingungen in der „mb“ unterge hen läßt, ist tatsächlich eine Frage. Und so schien es, daß die meisten Autoren ziemlich lustlos gegen die Wand aus Lärm und schlechter Luft antraten, ihre Texte nur schlecht vortragen .konnten oder wollten . oder, gar scherzten (wie Kurt Drawert .mit seinem Schweigegedicht). In gu ter Erinnerung blieben aller dings Wilhelm Bartsch, Stefan. Döring und Eberhard Häfner, die ihre Botschaft auch im Vortrag überbrachten. Die danach ange- setzten Einzellesungen im Ober keller fielen wegen des Ge schreis von der Versteigerung, wo nun statt der Dichter ihre Ma ¬ nuskripte feilgeboten wurden, aus. Wer wollte, und das taten die meisten, konnte hin- und her laufen und sehen, was es überall nur mit starken Behinderungen zu sehen und zu hören gab. Diese chaotische überorgani sierte Kommunikationslosigkeit Wer wollte, und das taten die mei sten, konnte hin- und herlaufen und sehen ... Foto: MICHAEL RÜCKER kulminierte dann im vollständi gen Aussperren des Publikum 8 (mit Mitteln wie im Fußballsta dion) . vom Programm Bert Pa- penfuß-Goreks mit „Ornament und Verbrechen“ plus Film, den hinter Reklamebändern keiner sehen konnte. Für wen haben die das eigentlich gemacht ? Falls es Spektakel Nr. 3 geben sollte, müßte beachtet werden, daß die Voraussetzungen eines solchen Abends nicht ein vollge stopftes ■ Programmheft, sondern die Erlebniswelt des Publikum 8 ist. Oder Spektakel Nr. 3' findet' wie früher, zu Hause vor den Bücherregal statt T. I. Kulturelles kurz... Noch bis zum 1. Juni ist im Foyer' der Oberen Zentral' mensa die Ausstellung: Fotor grafie für Umweltbewußtsein zu sehen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)