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durch Achtung und Liebe zu den Werktätigen aus. In jener Zeit gehörte zum Lehrkörper der Leipziger Universität auch der bedeutende Historiker Karl Lamprecht. Im ersten Weltkrieg und in der nachfolgen den Periode der bürgerlich-demokratischen Novemberrevolution stand die Universität als Ganzes fest auf dem Boden des imperialisti schen Deutschlands. Während in den entschei denden Stunden der deutschen November revolution 1918 die Mehrheit der Professoren und Studenten teilnahmslos dastand oder für Militarismus und Konterrevolution Partei nahm, blieb es einem kleinen Häuflein muti ger Studenten Vorbehalten, den Geist der Revolution auch in die Mauern der Universität Leipzig zu tragen. Fortschrittliche, vor allem Sozialistische Studenten, geleitet von Hans Bohla u. a., hißten am 26. November 1918 auf dem Hauptgebäude die rote Fahne der Arbei terklasse. Unerschrocken trat diese kleine revolutionäre Studentengruppe der Konter revolution entgegen und solidarisierte sich mit dem Kampf der Arbeiter und Soldaten. Im Gegensatz zur Mehrheit der Studenten und zahlreichen sie protegierenden Professoren, die lange Zeit nicht mit der Monarchie zu brechen gewillt waren, erhoben die kommu nistischen und mit ihnen sozialdemokratische und bürgerlich-demokratische Studenten die Fahne der Demokratie. Sie wurden zu Vor kämpfern für Demokratie und Sozialismus. An sie war das Erbe und Vermächtnis der fortschrittlichen bürgerlichen Studenten bewegung in Leipzig übergegangen, allen voran die 20 Mitglieder zählende 1921 gegrün dete „Kommunistische Studentenfraktion“ unter Leitung des damaligen Germanistik studenten Paul Reimann. Unter dem Alpdruck der wachsenden braunen Reaktion in der Wei marer Republik begann das wissenschaftliche Ansehen der Universität zu sinken. Die Zahl der namhaften Gelehrten ging zurück. Persön lichkeiten vom Range des theoretischen Phy sikers Werner Heisenberg, des Gynäkologen Walter Stöckel, des Hirnforschers Richard Arwed Pfeifer oder einiger führender Vete rinärmediziner, die nach Ueberführung der Tierärztlichen Hochschule Dresden zur Uni versität Leipzig stießen, wurden seltener. Auf den tiefsten Punkt ihrer Geschichte sank die Universität in den Jahren des Fa schismus herab. Gestützt auf große Teile der Studentenschaft und eine Reihe faschistischer Professoren setzte ein Kesseltreiben gegen alle aufrechten Antifaschisten, vor allem Kommunisten und Sozialdemokraten, ein. Die fortseilrittliehen Organisationen wurden ver boten. Mit Hilfe des Nazigesetzes „zur Wie derherstellung des Beamtentums“ wurden 23 Professoren und Dozenten von der Univer sität vertrieben, darunter solche verdienten Wissenschaftler wie der Historiker Georg Sacke, der Nationalökonom Gerhard Keßler, der Sinologe Eduard Erkes, der Jurist Erwin Jacobi, der Agrarwissenschaftler Adolf Zade, dessen Schüler Anton Arland, der Land maschinenlehrer Holldack, der Romanist Friedmann und der Germanist Witkowski, die Historiker Siegmund Hellmann, Friedrich Braun, Walter Goetz und Alfred Doren, die Gynäkologen Felix Skutsch und Goldschmidt, der Ophthalmologe E. P. Fischer und andere. In Konzentrationslagern der Nazis wurden der kommunistische Privatdozent Dr. habil. Georg Sacke und die bürgerlichen Professoren Fried mann und Hellmann viehisch gemartert und ermordet. Während der Nazizeit nahmen unerschrok- kene Antifastischen, voran die Kommunisten, den illegalen Kampf auf. Eine illegale Gruppe arbeitete unter Leitung von Georg Sacke, eine weitere Gruppe unter Leitung von Ger hard Mehnert. Letztere wurde auch von einer Reihe bürgerlicher Wissenschaftler unterstützt. Die wissenschaftsfeindliche Haltung des Hitlerfaschismus kam in verschiedenen For men zum Ausdruck, vor allem darin, daß er die Wissenschaft zur Pseudowissenschaft de gradierte und den Universitätsbetrieb den militaristischen und revanchistischen Zielen unterwarf. Da der Faschismus — unter der De vise Rosenbergs „die Herrschaft des Verstan des bedeutet das Ende der Kultur“ — ein geschworener Gegner’ der Intelligenz war, verwaisten die Lehrstühle und die Studenten zahlen gingen zurück. Während es 1932/33, zur Zeit des höchsten Standes vor 1945 überhaupt, 7221 Studenten waren, die an der Universität immatrikuliert waren, sank diese Zahl auf 4468 im Jahre 1934 und schließlich auf 2155 im Jahre 1938. Ein Ergebnis der faschistischen Kriegspolitik sind nicht zuletzt die ungeheu ren materiellen Schäden vor allem durch anglo-amerikanischen Terrorangriffe, denen zwei Drittel aller Institute, Hörsäle und Labo ratorien zum Opfer fielen. Mit dem Jahre 1945 begann die größte Revo lution in der Geschichte des deutschen Vol kes. Unter Führung der geeinten Arbeiter klasse und ihrer Partei vollzog sich eine demokratische Entwicklung im Osten Deutsch lands, mit der die Volksmassen für immer den imperialistischen Kräften des Krieges, den junkerlichen Blutsaugern auf dem Lande und den Mördern von Auschwitz und Oradour ein Ende setzten. Die im Block zusammengeschlossenen anti faschistisch-demokratischen Kräfte begannen die Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution zu Ende zu führen, in dem sie Imperialismus, Militarismus und Nazismus mit der Wurzel ausrotteten und damit die entscheidenden Schlußfolgerungen aus den gesetzmäßigen Niederlagen des deutschen Militarismus zogen. Eine demokratische Ord nung wurde im erbitterten Kampf gegen die Kräfte der Reaktion und mit Hilfe der so wjetischen Freunde und Befreier errichtet. Ferner kam es darauf an, ein jahrhunderte altes Unrecht an der Mehrheit des Volkes gutzumachen und das Bildungsprivileg der Besitzenden erstmalig und endgültig zugleich zu brechen. Der nazistische und militaristische Ungeist, die wahnwitzige Rassenideologie, der verbrecherische Chauvinismus und die anti humanistische Idee von „Blut und Eisen“ muß ten ein für allemal zerschlagen werden. Die geistige Plattform aller demokratischen und aufbauwilligen Menschen konnte nur in einem die besten Traditionen fortführenden echten Humanismus, im Geiste des Friedens und so zialen Fortschritts bestehen. Aus dieser gesellschaftlichen Situation und Aufgabenstellung erwuchs 1945 auch für die Universität Leipzig die Aufgabe, die anti faschistisch-demokratische, ihrem Klassenin halt nach bürgerlich-demokratische und anti- imperialistische Hochschulreform zu beginnen.