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Kampf gegen Widerstände, die die Verfech ter des toten Buchwissens, der leeren Wort gefechte, der „walzenden Lektionen“ und des geistigen Drills, dem akademischen Fortschritt entgegenstellten. Vor dem großen deutschen Bauernkrieg wies die Matrikel Namen auf, die zu den klangvollsten ihrer Zeit gehörten: 1507 schrieb sich Ulrich von Hutten ein, der während seiner Studienzeit in den Dunkel männerbriefen die Leipziger Scholastiker und ihren Universitätsbetrieb mit schonungslosem Spott geißelte. Die höchste Zierde der Uni versität ist zu jeder Zeit jedoch ein Student (1506 immatrikuliert), dessen Name unsterb lich werden sollte: der revolutionäre Führer der bäuerlich-plebejischen Massen, Thomas Müntzer, den Engels als die „großartigste Ge stalt“ des deutschen Bauernkrieges bezeich nete. Wenn auch nach dem Scheitern des Bauern krieges die Scholastik noch einmal für kurze Zeit die Universität beherrschte, so folgten unter dem Rektorat von Caspar Borner, einem aufrechten Rumanisten, ab 1539 beachtliche Reformen. Er, Camerarius und eine Reihe anderer Humanisten verhalfen dem Wissen über den Glauben zu wichtigen Fortschritten. In dieser Epoche gewinnen auch die Natur- Wissenschaften allmählich an Gewicht. Doch als sich die Humanisten mehr und mehr mit den Fürsten und der in gewissem Maße refor mierten Kirchen verbanden und damit konser vativ wurden, siechte die Universität für fast ein Jahrhundert dahin. Ein zweiter Höhepunkt setzte mit der Auf klärung ein. Im Gefolge der gesellschaftlichen Entwicklung begann aus der feudalen Univer sität, viele Widerstände überwindend, die bürgerliche Universität hervorzuwachsen. Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716), der be deutendste bürgerliche Philosoph und Denker Deutschlands im 17. Jahrhundert, ging als Student (seit 1661) und Magister der Philoso phie (1663) aus der Universität Leipzig hervor. Christian Thomasius (1655—1728), lehrte an unserer Universität im Anschluß an Grotius und Pufendorf das Naturrecht und vollbrachte die bahnbrechende Leistung, am 24. Okto ber 1687 das erste Kolleg in deutscher Sprache zu lesen. Leibniz und Thomasius suchten — wie Mehring schrieb — im Interesse der bür gerlichen Klassen die weltliche Wissenschaft aus den Fesseln der Theologie zu lösen, lehr ten das Recht des einzelnen zum Widerstand gegen offenbares Unrecht, leugneten den gött lichen Ursprung der Fürstengewalt, führten die deutsche Sprache in die Hörsäle der deut- schen Universitäten ein und bekämpften die ruchlosen Hexenprozesse. Aber erst im 18. Jahrhundert eroberte die Aufklärung die Leipziger Universität. Die Katheder hatten damals solch progressive Persönlichkeiten inne, wie der bedeutende deutsche Aufklärungsphilosoph Christian Wolff (1679—1754), Johann Christoph Gottsched (1700 bis 1766), der erste deutsche Hochschullehrer der Kunst, Johann Friedrich Christ (1700—1756), der Dichter Christian Fürchtegott Gellert (1715—1781), der frühbürgerliche Strafrechts lehrer, Carl Ferdinand Hommel (1722—1781), Einst Platner (1744—1818), der hervorragende Mediziner und Philosoph, der Mathematiker Carl Friedrich Hindenburg (1741—1808) und eine Reihe anderer. Mit solchen Lehrern wurde Leipzig Anziehungspunkt für die wis senschaftliche Ausbildung von Männern, die Weltberühmtheit erlangten. Gemeint sind Stu denten we Georg Philipp Telemann (1701), Begründer des studentischen Collegium musi- cum, das wenige Jahrzehnte später Johann Sebastian Bach leitete, Friedrich Gottlieb Klopstock (1746). Gotthold Ephraim Lessing (1746), Johann Wolfgang von Goethe (1765), Alexander Nikolajewitsch Radistschew (1767), Johann Gottlieb Fichte (1780), Jean Paul (1781) und zahlreiche andere. Im Ergebnis der Französischen Revolution wurden die Jahre der nationalen Befreiungs kriege gegen die napoleonische Fremdherr schaft zu einem neuen Höhepunkt im Univer sitätsgeschehen. Unter der großen Zahl begei sterter Studenten und Professoren, die am nationalen Befreiungskampf teilnahmen, ragt als wohl bedeutendster Theodor Körner (1791 bis 1813) hervor. Traugott Wilhelm Krug (1770 bis 1842), der damalige Rektor, rief zum Ein tritt in die Reihen der patriotischen Kämpfer gegen Napoleon auf. Sein gesamtes Wirken als einer der eisten liberalen Publizisten Deutsch lands galt dem Streben, politische und allge meinwissenschaftliche Kenntnisse in das Volk zu tragen. Aus der patriotischen Bewegung von 1812/13 entwickelten sich die am 7. Juni 1818 gegründeten Leipziger Burschenschaften, die einen harten Kampf gegen die Uebermacht der reaktionären Studentenverbindungen zu füh ren hatten, jedoch auch nach ihrem Verbot im Gefolge der Karlsbader Beschlüsse un unterbrochen illegal weiterarbeiteten. Als Studenten gingen in jener Zeit die späteren großen deutschen Tonschöpfer Robert Schu mann (1828 immatrikaliert) und Richard Wagner (1831 immatrikuliert) aus der Univer sität hervor. Wir wissen, daß die imperialistische Bour geoisie die Traditionen ihrer eigenen Klasse in der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848 aus Furcht vor dem Proletariat ver leugnet. Daher nimmt es nicht Wunder, wenn auch die hervorragenden Verdienste, die sich Leipziger Professoren und Studenten um die Vorbereitung der 48er Revolution erwarben, erste heute von der marxistischen Geschichts schreibung ans Licht gebracht werden. Bereits 1837 sandten Leipziger den mutigen „Göttinger Sieben“ eine Solidaritätsadresse und beriefen zwei der sieben entlassenen Professoren nach Leipzig. Mit der 1839 erfolgten Gründung der „Kochei“, einer geheimen burschenschaftlichen Organisation unter der geistigen Führung von Robert Blum, und mit der „Progreßbewegung“, der damals fortschrittlichsten Studentenver- einigung wurde Leipzig zu einem der wichtig sten deutschen Zentren der liberalen Oppo sition und des demokratischen Kampfes gegen den Feudalabsolutismus und für bürgerliche Reformen, auch im Universitätsleben. Die immer stärker anwachsende liberale und demokratische Bewegung des Vormärz kulmi nierte in der Revolution von 1848/49. Von den über 900 Studenten der Universität setzte sich fast die Hälfte für die Ziele der Revolution ein. Ein hervorragendes Beispiel patriotischen Einsatzes gaben über 30 Leipziger Studenten; die Schulter an Schulter mit Arbeitern am be waffneten Dresdener Maiaufstand 1849 teil nahmen. Viele Studenten wurden zu Zucht hausstrafen verurteilt. Von den Professoren . • . /