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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 1991
- Erscheinungsdatum
- 1991
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
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- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-199100000
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- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
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Zeitschrift
Universitätszeitung
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Band
Band 1991
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UZ/06 11. Februar 1991 WISSENSCHAFT 3 Früh geboren, doch keine „Frühgeburt“ Zur Initiative für ein Hochschulerneuerungsgesetz in Sachsen N ach scharfem Austausch der Argumente sind sich immer mehr zu Realismus neigende Gegner wie Befürworter des „Ab wicklungsbeschlusses“ der sächsi schen Staatsregierung einig: Die un leugbaren Probleme des ostdeutschen Hochschulwesens sind mit Abwick lung nicht zu lösen, sie bürdet dem Er neuerungsbemühen zusätzlich recht liche und organisatorische Schwie rigkeiten auf. Zugleich löste die (spä ter nachgebesserte) Entscheidung je doch eine Welle von Aktivitäten aus, die zur Problemlösung beitragen kön nen. Allerorten sind nun Gründungs- , Struktur-, Personal-, Überprüfungs- , Studienprogramm- u. a. Kommis sionen im Gespräch, über dem die Allheilvokabel „Evaluierung“ schwebt. Der reale Prozeß führt die Vorstel lung ad absurdum, daß die vordring lich geforderten Kriterien zur Be gutachtung aller Hochschulmitarbei ter bereits eine ausreichende Rege lung für die bevorstehenden Wochen und Monate der Neustrukturierung darstellen würden. Dies war der Aus gangspunkt für eine Initiative von Studenten und Vertretern des akade mischen Mittelbaus unserer Univer sität, einen Entwurf für das auch vom Staatsministerium angestrebte Hoch- schulerneuerungsgesetz vorzulegen, das den rechtlichen Rahmen zur Her ausbildung einer modernen, an spruchsvollen und leistungsfähigen Hochschullandschaft in Sachsen bil den soll. So gehen im Entwurf dem momentan vielleicht am meisten in teressierenden Abschnitt 5 (Begut achtungskommissionen) vierzehn weitere voran, die die Aufgaben der Hochschulen, deren Zusammenwir ken untereinander und mit dem Staatsministerium, Selbstverwaltung und Organisation der Fachbereiche und Fakultäten, Rechte und Pflichten der Hochschulmitglieder regeln könnten. G rundlage bei der Erarbeitung des Entwurfes waren die ge genwärtig gültige „Vorläufige Hochschulordnung“ vom September 1990, das Hochschulrahmengesetz (HRG) der Bundesrepublik, aber auch die kritischen Überlegungen zu einer möglichen Novellierung des HRG, die im Zuge einer mehrjährigen Dis kussion in den alten Bundesländern zusammengetragen wurden, (siehe auch den Bericht der Enquete-Kom mission des Deutschen Bundestages „Bildung 2000“). Doch die Berück sichtigung geltenden Rechts kann nicht an den Besonderheiten der Si tuation in den neuen Bundesländern vorübergehen; manches davon ist in der Vorläufigen Hochschulord nung reflektiert, anderes - so die in haltliche, strukturelle und personelle Erneuerung der sächsischen Hoch schullandschaft - erfordert weiterge hende Rechtsgrundlagen, die ein Hochschulemeuerungsgesetz fest halten muß. Bei der öffentlichen Vorstellung des Entwurfes für ein solches Hoch schulemeuerungsgesetz am 16. Janu ar, an der Vertreter der Landtagsfrak tionen und ein Beauftragter des säch sischen Staatsministeriums für Wis senschaft teilnahmen, war zunächst darauf hinzuweisen, daß das Zustan dekommen der Initiative zweifellos mit den aktuellen Ereignissen an den Universitäten und Hochschulen Ost deutschlands zu tun hat, aber vor al lem in einer nun schon mehrmonati gen hochschulpolitischen Diskussion an der Karl-Marx-Universität wur zelt. Nicht zuletzt ist der Verfas sungsentwurf für unsere Alma mater, der dem Konzil am 13. Februar zur Beschlußfassung vorliegt, eine Frucht dieser Debatten (vgl. UZ 01/91). Die Autoren des Entwurfes für ein Erneuerungsgesetz hoffen, daß ihr Papier mit seiner Intention einer durchgreifenden Demokratisie rung der inneren Hochschulor ganisation und der Entscheidungs prozesse (die nach dem sich ergän zenden Prinzipien der Berück sichtigung von Kompetenz und Be troffenheit bei der Mitsprache aller Gruppen zu erfolgen hätte) nicht zu früh geboren ist; mit Blick auf die zeitliche Länge der zugrundeliegen den Diskussion ist es jedenfalls keine Frühgeburt zu nennen. Um im Bilde zu bleiben: die „Lernfähigkeit“ des Textes, der gerade erst das Licht der öffentlichen Diskussion erblickt hat, soll ihn auszeichnen und qualifizie ren, Einbringenunterschiedlicher Er- fahrungs- und Sichtweisen, Denken in Alternativen und vorurteilsfreier Gedankenaustausch in der Öffent lichkeit dürften die einzige, dem Ge genstand - Veränderung einer Wis senschaftslandschaft - angemessene Form der Auseinandersetzung sein. Das Ziel wirklich konkurrenzfähiger Universitäten wäre nach autoritärer Setzung einer Position nur unter un gleich größeren Schwierigkeiten zu erreichen. B esonderen Wert legten die Ver fasser des Entwurfes 1. auf die Einrichtung einesHoch- schultages und eines aus ihm hervor gehenden Hochschulrates, in dem die legitimierten Vertreter der Grup ¬ pen aus den einzelnen Hochschulen über die Abstimmung einzuführender Studiengänge, Forschungslinien und Kooperationsvorhaben beraten. Ein Sächsischer Hochschultag könnte zum Ort der Abstimmung zwischen Politik und Wissenschaft bei der un ausweichlichen Neugestaltung der Hochschullandschaft in Sachsen wer den, während der Hochschulrat als ef fektives Beratungs- und Mitsprache- organ gegenüber dem Staatsministe rium konzipiert ist. 2. auf die Ausgestaltung der Mit- spracherechte aller Gruppen in der universitären Selbstverwaltung nach den bereits genannten Grundsätzen einer ausgewogenen Berücksichti gung von Sachkunde und Betroffen heit. 3. auf eine rechtsstaatlich be denkenfreie Regelung der sensiblen, nichtsdestoweniger aber unaus weichlichen Begutachtung aller Wis senschaftler an den sächsischen Hochschuleinrichtungen nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung und mit dem Ziel „der Feststellung fach licher Eignung und persönlicher In tegrität aller wissenschaftlichen Mit arbeiter und der Aufdeckung von Be nachteiligungen und Schadenszu fügungen gegenüber Dritten sowie Deformationen der Wissenschaft durch Mitglieder der Hochschulen unter Mißbrauch von Unterstel- lungs-, Ausbildungs- und sonstigen Abhängigkeitsverhältnissen“. Ge wählte Begutachtungskommissionen auf Fachbereichsebene, denen Stu denten-, Mittelbau- und Hochschul lehrervertreter der Hochschulen zu sammen mit auswärtigen Professoren und Mitarbeitern angehören, sind für diese Prüfung (getrennt für Hoch schullehrer und wissenschaftliche Mitarbeiter) vorgesehen. Jetzige und frühere Hochschulmitglieder können sich mit Anträgen an die Kommis sionen wenden, die die Pflicht zu de ren Behandlung haben. Die zu Be gutachtenden haben ein Einspruchs recht gegen Kommissionsmitglieder, bei denen Befangenheit geltend ge macht werden kann, und in begrün deten Fällen gegen das Ergebnis der Begutachtung, das dann auf Uni- versitäts- bzw. Hochschulebene neu zu verhandeln wäre. Die Kommis sionen empfehlen dem Senat nach ab geschlossener Begutachtung die Wei terbeschäftigung bzw. Kündigung des jeweiligen Mitarbeiters (für Hoch schullehrer wird ein entsprechender Vorschlag an den Staatsministeremp fohlen). Kriterien für die Begutachtung, das zeigte auch die Diskussion mit Land tagsabgeordneten und Mitgliedern unserer Universität am 16. Januar, sind nicht so einfach zu finden, wie mancher im ersten Anlauf meint. Ih re Ausarbeitung, die die spezifische Situation in den einzelnen Hochschu len und Bereichen berücksichtigen muß, kann sich wohl nur auf der Ebe ne der Universität und der Hochschu len - begleitet von einem gemeinsa men Nachdenken über Wissen schaftsethos in Vergangenheit und (so hoffen die Autoren des Gesetzent wurfes) Zukunft - vollziehen. Das „kollektive Gedächtnis“ der Studie renden sollte bei der Beurteilung fachlicher Eignung in der akademi schen Lehre und persönlichen Inte grität eine wichtige Rolle spielen. Abgehoben von der Begutachtung sollen Strukturkommissionen die Neukonstituierung von Fachberei chen beraten, die vom „Abwick lungsbeschluß“ betroffen sind (ein Vorgang, der mutatis mutandis auch für alle anderen Fachbereiche auf der Tagesordnung steht). Eine auch orga nisatorische Verknüpfung beider Aufgaben, zu denen in vielen Berei chen noch ein u. U. notwendiger Per sonalabbau tritt, scheint uns wenig geeignet, eine vorurteilsfreie Prüfung fachlicher Eignung wie persönlicher Integrität zu befördern. Begutachtung und Neustrukturierung sind gleicher maßen notwendig und dringlich - um so wichtiger scheint ihre organisato rische Trennung, damit die lähmende gegenseitige Blockade aufgehoben wird, die in den vergangenen Wochen und Monaten vorherrschte. E in historisch einmaliges Experi ment, die durchgreifende Er neuerung eines Hochschulwe sens bei gleichzeitiger Integration in eine größere, nationale Wissen schaftslandschaft, verlangt verbindli che rechtliche Grundlagen im Ergeb nis einer offenen Diskussion, in der wohl keiner für sich beanspruchen kann, fertige Konzepte aus der Tasche zu ziehen. Gesprächsangebote sind gefragt; der Entwurf eines Hochschu lerneuerungsgesetzes will ein solches sein. Freiwillige AG Hochschulerneue rungsgesetz ERIKA JÄGER DR. MATTHIAS M1DDELL Bei anderen gelesen: Bis Januar zeigt(e)die Universitätsbiblio thek Heidelberg eine Ausstellung über die vertriebenen Heidelberger Dozenten. Do kumente und Fotografien aus dem Univer sitätsarchiv Heidelberg, dem Generallan desarchiv Karlsruhe und aus dem Deut schen Literaturarchiv in Marbach am Neck ar stellen den Schicksalsweg von 65 Do zenten dar, die nach 1933 durch das natio nalsozialistische Terrorregime zwangsemi- ritiert oder entlassen wurden. Die Ausstellung lehnt sich an ein Buch Dorothee Mußgnugs mit demselben Titel an. In dessen Vorwort schreibt Historiker Prof. Eike Wolgast: „Eindringlich und kon kret wird am Beispiel Heidelberg aufgc- zeigt, wie verwüstend die Verwirklichung der nationalsozialistischen Ideologie auf die Wissenschaft in Deutschland gewirkt hat. Wenig sagen die Akten aus über das Leid der Betroffenen, die ohne jede Vorbereitung Plötzlich die Erfahrung machen mußten, daß der Staat, bisher als Rechtsstaat re spektiert und verstanden, willkürlich ein ge sichertes Dasein als Beamter oder eine hoff nungsvolle akademische Karriere vernich tete“. Vielfältig zeigen die Biographien die Mühsal des Neuanfangs im Exil - die ras sisch verfolgten Heidelberger Dozenten zerstreuten sich in alle Welt, von Australi en bis zu den Vereinigten Staaten. Wolgast: „Freitod und Tod im Konzentrationslager spiegeln die aussichtslose Lage derer, die im Lande blieben.“ Den Auftakt zum Nazi- Großangriff auf „Nichtarier“ und politisch Andersdenkende markiert der7. April 1933, der Tag, an dem das „Gesetz zur Wieder herstellung des Berufsbeamtentums“ in Kratt trat. Plötzlich brauchten die neuen Machthaber nicht mehr darauf zu warten, bis kritische Universitätslehrer wie Gerhard Anschütz oder Alfred Weber den Dienst quittierten - Anschütz, der den maßgeben den Kommentar zur Weimarer Reichsver fassung geschrieben hatte, Weber, der ge meinsam mit dem Publizistikprofessor Hans von Eckardt im März '33 die Haken kreuzfahne vom Institut herunterholte. Seit dem 7. April hatte der Staat ein le gales Instrument in der Hand, Beamte aus der Universität zu entfernen: zur „Wieder herstellung des nationalen Berufsbeamten tums“, „Vereinfachung der Verwaltung“ oder „im Interesse des Dienstes“. Das neue Gesetz richtete sich vor allem gegen „Nicht arier“, sofern sie nicht seit l914Beamte wa- ren, sich als Frontkämpfer im Weltkrieg her vorgetan oder Väter und Söhne im Krieg verloren hatten. Beamte, die „nach ihrer bis herigen politischen Betätigung“ nicht die Gewähr dafür boten, daß „sie jederzeit rück haltlos für den nationalen Staat“ eintraten, mußten ab sofort mit ihrer „Beurlaubung“ rechnen. Mit allen Tricks arbeiteten Ministerium und Rektorat, um unliebsame Universitäts lehrer aus dem Dienst zu entfernen und in ein Leben zu entlassen, das über Irrwege ins Exil, in den KZ-Tod oder den Freitod führ te. Das Schicksal Leonardo Olschkis ist symptomatisch für die Spitzfindigkeit des Regimes. Der gebürtige Veroneser Olschki, 1932 zu Vorlesungen nach Rom beurlaubt, bat Anfang April '33 um Verlängerung der Erlaubnis. Ein ministerielles Ja enthielt den Hinweis, er sei „bis auf weiteres“ beurlaubt und solle sich innerhalb von drei Tagen da zu äußern. Olschki schrieb aus Rom, in der deutschen Botschaft seien die einschlägigen, Durchführungsverordnungen nicht be kannt. Der Reichsstatthalter versetzte ihn in den Ruhestand. Vordergründige Argumen tation: Ein Schreiben an seine Heidelberger Adresse war nach Karlsruhe zurückgekom men. „Da dem Professor Dr. Olschki bei ge nauer Angabe seines derzeitigen Aufent haltes der Erlaß im Monat August hätte zu gestellt werden können, tritt seine Zurruhe setzung gemäß § 41 Bad. Beamtengesetz mit Ablauf des Monats November 1933 in Kraft.“ Minuziös hat die Heidelberger Historike rin Dorothee Mußgnug die Schicksale aller Dozenten recherchiert, die nach 1933 die Universität Heidelberg verlassen mußten. Fast im Stil eines Nachschlagewerks stellt sie die Lebenswege in einem Buch zusam men und publizierte es mit Unterstützung der Universität im Carl Winter Verlag. Mußgnugs nüchterne Schilderung dieser dunkelsten Phase der Universitätsgeschich te, akribisch aus den Akten und in persönli chen Gesprächen rekonstruiert, führt dem Leser die in Staatsgewalt gekleidete Bruta lität des nationalsozialistischen Apparates aus der Perspektive der Opfer vor Äugen. In der Ausstellung der Universitätsbi bliothek wird dem ehemaligen Heidelber ger Dozenten Heinrich Zimmer ein beson derer Rang gegeben: er wäre am 6. Dezem ber 100 Jahre alt geworden... GABI FÖRSTER (Aus „Uni-Spiegel“ Heidelberg, 5-6/90) Ein Plädoyer für die Publizistik Nicht Details eines künftigen Cur riculums oder Forschungspro gramms, sondern Prämissen des wissenschaftspolitischen Neuan fangs sollen im folgenden zur Dis kussion gestellt werden. Die Eta blierung einer Publizistik- und kom- munikations wissenschaftlichen Fachrichtung an der Universität Lei pzig muß Determinanten folgen, die wesentlich, jedoch nicht ausschließ lich mit dem Abbau ideologischer Altlasten Zusammenhängen. Wenn hier „Altlasten“ apostrophiert wer den, dann rekurriere ich damit nicht auf diesen oder jenen Zeitgenossen, sondern meine ein Geflecht von noch recht schlüssig zusammenwir kenden Denkmustern, nach denen beispielsweise die sog. „Abwick lung“ als „Klassenkampf' interpre tiert wird. Die Sektion Journalistik firmierte bekanntlich häufig unter dem Etikett „Rotes Kloster“. Nun wissen Insider freilich, daß dieses so attributierte Kloster schon geraume Zeit wenig klösterliche Enge zeigte. Die sich zweifelsohne vollziehende Entdok- trinierung jedoch dürfte nicht genü gen. Eine Metamorphose in ein ro tes Forum wäre eine Unzulänglich keit neuer Art. Ich halte Aus gleichsfarben wie gelb und schwarz für geboten. Die äußere Freiheit und Autonomie von Wissenschaft be dingen deren innere. Einen liberalen Grundkonsens sehe ich als Conditio sine qua non. Hierbei könnte der künftige Fachbereich oder das künf tige Institut einiges vom Gründer vater der Disziplin in Leipzig, von Karl Bücher, aufnehmen. Verwiesen sei hier nur auf die von ihm zwei felsohne demokratisch intendierten Reformvorschläge zum Preßwesen. 1915 argumentierte er für eine Art duales Pressesystem mit öffentlich- rechtlichen und privatwirtschaftli chen Medien, wobei er die ersteren u. a. als staatsferh, wirtschaftlich un abhängig und der Verbreitung mei nungsfreier Nachrichten verpflich tet charakterisierte. Das Stichwort Faschisierung des Leipziger Institu tes für Zeitungswissenschaft mag genügen, um anzudeuten, daß der demokratische Gründungsansatz unter Bücher im Dritten Reich unter der Ägide eines Hans A. Münster gründlich verschüttet wurde. Auch eingedenk solcher und anderer un rühmlichen Vergangenheit trennten sich nach 1945 andere Institute für Zeitungswissenschaft vom belaste ten Signum. Die Institute der Uni versitäten Heidelberg und Münster oder der Hochschule Nürnberg wan delten sich in publizistik-wissen schaftliche um. Auch hic et nunc in Leipzig ist der Disput um „Journalistik“ oder „Pu blizistik“ kein Palaver über Leerfor meln. Zuvörderst muß es darum ge hen, jene Entwicklungen nachzu vollziehen, die die bundesdeutsche Publizistik- und Kommunikations wissenschaft in den späten fünfziger und vor allem sechziger Jahren präg ten. Die ehemals stark phänomeno logisch, historisch und kulturwis senschaftlich orientierte Zeitungs wissenschaft entwickelte sich zu ei ner empirischen, nomothetischen Sozialwissenschaft. Für uns heute schließt eine ähnliche Wandlung nicht nur die grundsätzliche Ein führung exakter Forschungsmetho den u. a. m. ein, sondern auch den Verzicht, nach allumfassender Theorie eines Phänomens Journalis mus oder sozialer Kommunikation zu suchen. Statt dessen wäre sich dem schon vorhandenen und auch von uns weiterentwickelbaren Para digma von Theorien mittlerer und kürzerer Reichweite zuzuwenden, jedem Feld von Modellen, Ansätzen und Befunden, die kommunikative Zusammenhänge tatsächlich luzide machen. Für mehrere Universitäten im deutschen Raum bedeutet Publizi stikstudium auf eben universitärem Niveau, kommunikations- und me dienwissenschaftliche Lehre mit medienkundlicher und -praktischer Ausbildung zu verflechten. Gerade dank dieser Verflechtung gewinnt eine Universitätsausbildung ihre Legitimität. Neben dem o. g. Ver zicht auf theoretische Allmachtsan sprüche und dem Zuschnitt auf ein lösbare Erklärungsrahmen von Ge brauchszusammenhängen und Wirkweisen wäre auch die medien praktische Seite gehörig zu refor mieren. Statt Imitation journalisti scher Praxis, pseudowissenschaftli cher Erklärung plausibler Abläufe oder anderer Verrenkungen mehr halte ich eine saubere Scheidung und kluge Abstimmung von empiri scher Erkundung der Praxis, der Problemdiskussion akuter oder dau erhaft relevanter Praxisfragen und dem journalistischen Üben mit Me dienpraktikern für sinnvoll. In Son derheit geht es in puncto Medien praxis darum, jene Handlungswei sen auszuprägen, die den Lebens nerv des Journalismus in einer frei heitlich-demokratischen Gesell schaft ausmachen, ich denke hier u. a. an eine Befähigung zur Tiefenre cherche oder zum sog. Präzisions journalismus, an objektive Nach- richtengebung, an die Trennung von Fakt und Meinung. Logischerweise müssen Presse-Ethik und Medien recht unverzichtbares Standbein der künftigen Einrichtung werden. Wie jede Hochschuldisziplin im Osten Deutschlands, so steht auch die ehe malige Journalistik vor der Doppel aufgabe, sich so rasch wie möglich dem deutschen, möglichst dem eu ropäischen Standard zu nähern und gleichzeitig ein eigenes, für den Markt interessantes Gesicht zu wah ren. Die an unserer Alma mater mögliche Verflechtung von Publizi stikwissenschaft mit anderen Aus bildungsdisziplinen bietet hier vor zügliche Chancen. Studierende der verschiedensten Fachrichtungen können hier Medienkompetenz, Studenten der Publizistik ihre Fach kompetenz erwerben. Auf diese, ge wiß bekannte Normalität von Haupt- und Nebenfach oder Erst und Zweitfach sei nur deshalb hin gewiesen, weil im kürzlich fertigge stellten Enquete-Bericht an den Bundestag „Bildung 2000“ die Un abdingbarkeit einer qualitativ neuen Kommunikationsbefähigung für al le Auszubildenden hervorgehoben wurde. DR. TILO PRASE Angemerktes „Vor bald 15 Jahren erschütterte ein Beben die Fundamente des journali stischen Berufs. Hatte die Branche sich bisher stets damit geschmückt, daß Berufsleidenschaft von der Pike auf zu den höchsten Weihen führt, so kamen plötzlich Hochschul-Profes soren mit dem Anspruch daher, Jour nalisten akademisch ausbilden zu wollen. Die universitäre Alternative zum Volontariat stieß unter Journali sten auf Mißtrauen und erntete in der ersten Zeit überwiegend Spott und Hohn aus der Praxis: Der „Dipl.- Joum.“ sollte ein richtiger Journalist sein? Heute ist der Spott verstummt: Die Joumalistik-Studiengänge haben sich als eine Säule in der Ausbil dungslandschaft etabliert. Und befin den sich auf Erfolgskurs... Heute ... hat die hochschulgebun dene Joumalistenausbildung Dimen sionen erreicht, die eine pauschale Kritik an ihrer Bedeutung grotesk er scheinen lassen. In Deutschland stu dieren an 19 Universitäten rund 14 300 junge Leute Journalistik oder Kommunikationswissenschaft.“ Diese Zeilen sind entnommen aus „journalist“ (Das Deutsche Medien magazin, Nr. 1, Januar 1991). Notiert wurden sie von einem „alt“-bundes- rdeutschen Berufskollegen namens Martin Löffelholz, dem man schon allein seiner geographischen Her kunft wegen heutzutage und hierzu lande- sozusagen im vorauseilenden Vertrauen - einen makellosen Persil schein in Sachen fachlicher Kompe tenz und moralischer Integrität aus zustellen bereit sein dürfte. An bei- dem habe auch ich nicht den gering sten Zweifel. Nur - seine Erfahrungen beziehen sich einzig auf die erst knapp 15 Jah re alte universitäre Joumalistikaus- bildung in Westdeutschland. Hier in Ostdeutschland, das von gebetenen, aber auch ungebetenen „Missiona ren“ aller Coleur heimgesucht wird, präzise in Leipzig und an unserer Universität befindet sich seit 1916 die älteste derartige Institution auf deut schem Boden mit einem originären Ausbildungsprofil. Daran darf es ebenfalls keinerlei Zweifel geben - gründlichste Erneuerung aus sich selbst heraus und mit kollegialer (!) Hilfe von außen sind dringend gebo ten. Und da gibt es bereits mehr als nur Ansätze. Kollege Löffelholz hat völlig recht, wenn er pauschale Kritik als grotes ke Erscheinung qualifiziert. Allein, sie ist nicht nur schlicht grotesk, son dern vielmehr überaus schädlich. In allererster Linie für die Leipziger Journalistikstudenten und wohl auch nicht gerade zuallerletzt für das tra ditionell hohe Ansehen unserer Uni versität in deutschen Landen und dar über hinaus. HELMUT ROSAN
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