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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 1991
- Erscheinungsdatum
- 1991
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-199100000
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- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19910000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Strukturtyp
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- Parlamentsperiode
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Zeitschrift
Universitätszeitung
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Band
Band 1991
-
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Geduldiges Miteinander muß wachsen Die Gründungsdekane haben sich un terschiedlich eingeführt: Mit schlagkräfti gen Argumenten der eine, der andere mit Interviews. Nun scheinen sachliche Dis kussion, abwägender Umgang mit Schuld und ehrliches Ringen um trächtige Zu kunftsmodelle an der Zeit. Durchschaubare Entscheidungsprozes se und Mitsprache, nicht einsame Regent schaft im stillen Kämmerlein und Anwei sungen vom grünen Tisch, stehen in der Er wartung vieler Studenten und Uni-Mitar- beiter. Ihre Zukunftsgedanken formulier ten kürzlich in der „abgewickelten“ Sek tion Journalistik der Erkenntnistheoretiker Prof. Dr. sc. Bernd Okun und Steffen Przybyl, Studentensprecherim zweiten Se mester in einem Dialogpapier. Beide sind Mitglieder der Gründungskommission. Welches Anliegen verfolgt das Dia logpapier? Der Journalistik-Grün dungsdekan, Professor Reimers, könn te es immerhin „vorschreibend“ emp finden. Okun: Es geht uns um die Stimulierung konzeptioneller Diskussionen. Die west deutschen Kollegen kommen von außen. Mit ihren Plänen. Und sie haben zunächst Schwierigkeiten, ihre Idee - Herr Reimers sagt „Vision“ - vernünftig mit den hiesi gen Gegebenheiten zu verknüpfen. Auch gestandene Gastprofessoren ha ben hier Einbußen erlitten, weil sie sich in das hier Gewachsene zu wenig hineinver setzten. Sie bringen sich damit aktiv in die Neugestaltung ein. Okun: Wir möchten nicht nur das Ob jekt von Entscheidungen anderer werden. Zumal der gesamtdeutsche Einigungspro zeß für die Ostdeutschen fremdbestimmt verläuft. Aber nicht immer ist alles Okku- pantentum - der Fall Krause bei den Juri sten bleibt hoffentlich die Ausnahme. In zwischen hat er ja abgedankt. Przybyl: Ich will es noch mal klarer ausdrücken: Es ist einfach eine Lehre der Wende, nichts über uns ergehen zu lassen. Das hatten wir schon. Jetzt müssen die Studenten in die Offensive - mit kritischer Distanz und gewachsenem Selbstbewußt sein. Damit wird man rechnen müssen. Das klingt nach Konfrontation. Przybyl: Die Studenten wollen das Ver hältnis zum Münchner Gründungsdekan nicht „warm, schwül und herzlich“ - dra stisch gesagt. Wir brauchen konkrete Er gebnisse, werden jedesmal kritisch nach haken und bei allgemeinen Postulaten den Finger auf die Wunde legen. Unser Mit- spracherecht wollen wir mit einer Stimme im Fakultätsrat und in Prüfungskommis sionen wahmehmen. Die Runden Tische der Sektion sollen wieder aufleben und einzelne Fächer bzw. Kurse unter die Lu pe nehmen. Ein erster Erfolg ist die Ga rantie, daß im September neue Joumali- stikstudenten immatrikuliert werden. Sonst wäre die ursprünglich geplante Ab schaffung der Journalistik doch noch per fekt gewesen... Okun: Ich möchte Kooperation. Mit einander die einmalige Chance nutzen, un terschiedliche Erfahrungen produktiv zu ergänzen. Wir haben Erfahrungen mit ei nem restriktiven System. Mit den West deutschen kommt uns nun ein Selbstbe wußtsein, eine Weltgewandheit und ein Weltbürgertum entgegen, von dem wir ei niges lernen können. Ein Hin und Her der Kommunikation wäre möglich - beide Seiten begreifen einander, führen einen konstruktiven Dialog, bauen Vorurteile ab. Ansätze dafür sehe ich. Wie stellen Sie sich die zukünftige Leipziger Journalistenausbildung vor? Przybyl: Als vernünftige Mischung aus kommunikationstheoretischer und hand werklicher Ausbildung. Die Leipziger Schule beruht ja seit 1916 - der Gründung des „Instituts für Zeitungskunde“ durch Karl Bücher - auf diesem Versuch. Heute spricht zum Beispiel für dieses Grundkon zept, daß trotz „Abwicklung“ und Not standsprogramm die Mehrheit der Kom militonen nicht abgewandert ist. Okun: Die Diskussionen im Gefolge der großen Medienpannen - Stichwort Golfkrieg, Stichwort Gladbecker Gei seldrama-weisen daraufhin, daß die Aus bildung von „Medienarbeitern" kritisch und staatsfem erfolgen muß. Die Studen ten müssen lernen und von uns befähigt werden, journalistische Kommunikation in Systemzusammenhänge und die großen Weltprobleme einzuordnen. Da ist selbst verständlich eine kritische Gesellschafts theorie nötig. Professor Okun, wie begründen Sie denn die Notwendigkeit von Staatsferne und Gesellschaftskritik? Okun: Das erste ist: Journalismus in der Risikogesellschaft. Laufend werden Ge fahren produziert, die aus der Kontrolle zu geraten drohen. Wenn wir in Würde und Wohlstand überleben wollen, brauchen wir objektiv funktionierende soziale Frühwarnsysteme. Der Journalismus dürf te nicht den Bequemlichkeiten von Mehr heiten hinterherlaufen. Andererseits wird Journalismus heute in der Informations gesellschaft betrieben. Der Gewinn, die Vertreibung, Zirkulation und Verfügung über Information ist inzwischen das wich tigste Machtmittel. Der Journalist ist Teilhaber dieser Macht. Das erfordert verantwortlichen, de mokratischen Umgang und ethische Grundlagen. Die rein handwerkliche Aus richtung könnte journalistische „Roboter“ erzeugen, graue Mäuse der Mächtigen. Die großen Medien haben ja heute mehr Ein fluß als Politiker: Sie müssen ihr Tun nicht demokratisch legitimieren - solange sie wirtschaftlich erfolgreich sind. Und in so gestalteten Medien sehe ich Gefahren. Professor Reimers hat eine Vision. Die neuzugründende Fakultät Kommu nikations- und Medienwissenschaft an der Uni soll aus fünf Instituten bestehen. Wie ist Ihre Position? Przybyl: Alle bisher gehörten Konzep te sind - auch wenn sie gut klingen - große, schwer zu hinterfragende Wörter, deren Vorstellung schon viel Zeit kostet. Und ge redet wird hier seit dem 89er Herbst. Ge rade habe ich erfahren, das die „Fakultät Journalistik“ im November eine große Konferenz ausrichten will - die Studis kriegen ein Trinkgeld vom West-Bafög, für Vorlesungen findet man in den Biblio theken keine Zeile, viele Scheine sind eher scheinheilig, ganz einfache Fragen wurden bis heute nicht beantwortet. Deshalb fällt das Träumen schwer. Wir Studenten ma Potenzen für die Neustrukturierung. Überschätzen Sie nicht unsere Wissen schaftler und den bisherigen Charakter dessen, was sich Neuanfang in ostdeut schen Landen nennt, aber an Altes er innert? Okun: Okay, das kann man schnell miß deuten. Aber Leute, die sich vorher um Wissenschaft bemüht haben, sich Nischen erkämpften, das öffentliche Publikum, so weit möglich, suchten, können unbeküm mert nachholen und loslegen - auch in die sen windigen Zeiten. Aber wir sitzen auch in einer „Biogra- phie-Falle": Andauernd muß ich erklären, warum ich noch da bin! Als Marxist wer de ich in einer pauschalen Weise für den Niedergang verantwortlich gemacht. Wenn man nur Schuld und Mist sehen will, und der Schluß gezogen wird 'Hier muß alles weg!; dann schütten wir das Kind mit dem Bade aus. In diesem Papier sind auch Befürch chen jetzt noch einen Anlauf: Wir planen eine Symbiose aus harten „Tarifge sprächen“ am Runden Tisch und eigener Veranstaltungsreihe mit Studenten aus ganz Europa - Arbeit, Spaß und Bildung, halt Uni von unten. Die Konzepte werden wir trotzdem be gleiten, wir haben Kontakte zu klugen Leu ten an westdeutschen Medienschulen. Professor Okun, Sie gehörten zu den wenigen kritischen Geistern der. Ver gangenheit, genießen bei den Studenten einiges Ansehen. Nun vertreten Sie die Ansicht, die kreativen, kritischen DDR- Wissenschaftler hätten jetzt besondere tungen vor Kolonisation angedeutet. Sie meinen außerdem, wir leben in einer McCarthy-Ära. Okun: Diese schlimme Neigung zu ta bula rasa kann ich Außenstehenden nicht mal verdenken. Ich unterstelle dabei keine böswillige Absicht, sondern eine väter lich-besorgte Draufsicht desjenigen, der den Kopf schüttelt über das, was in der DDR wissenschaftlich - wirklich oder ver meintlich - „verbrochen“ wurde. Sie wun dem sich, kaum noch Schuldige vorzufin den. Aber gerade deshalb können die dif ferenzierten Sichtweisen nur im geduldi gen Miteinander wachsen. (Interview: THOMAS DORNHECK) Dialogpapier Die konzipierte Neugründung einer journalistenausbildenden Einrichtung an der Leipziger Universität veranlaßt uns, Gedanken zu dieser Neugrün dung zu formulieren: Wir haben in den vergangenen Mo naten eine starke Unterstützung durch westdeutsche Wissenschaftler erfah ren und möchten, daß dies auch so bleibt. Die reine Kopie oder Kombi nation westdeutscher Modelle allein würde die Chancen für eine innovati ¬ ve Neustrukturierung verspielen. Die hiesige Geschichte, die gegenwärti gen Probleme des ostdeutschen Raumes, der Medienstandort Leipzig und bisherige Traditionen wie auch aktuelle Reformvorstellungen dürfen deshalb bei der Neugestaltung der Journalistenausbildung nicht un berücksichtigt bleiben. Worin sehen wir die Leipziger Spe zifik; worin könnte und sollte sie auch weiterhin bestehen? Die Leipziger Ausbildung steht - wie konsequent auch immer - in der Tradition gute handwerkliche Ausbil dung mit theoretischer zu verknüpfen. Ende der 50er Jahre hat sich - wenn auch nicht in bewußter Anlehnung an Karl Bücher - an der hiesigen Ein richtung diese Symbiose in der Aus bildung durchgesetzt. Bei aller Ideologisierung der Lehre besaß diese aufgrund ihres prakti schen Gehalts Qualitäten: Den DDR- Journalisten gelang es nach der Wen de rasch, problemorientierte und all seits akzeptierte Medien zu gestalten. Das wäre ohne die handwerkliche Ausbildung in Leipzig kaum möglich gewesen. Es kam hinzu, daß späte stens seit den 80er Jahren der Wider spruch zwischen Medientheorie und - alltag schon im Studium immer sicht barer wurde und zu heftigen Diskus sionen führte. (Der Freiraum dafür ergab sich aus der Tatsache, daß seit dem Tode von Lamberz die Sektion seitens der SED- Führung auf dem Gebiet der Theorie nicht mehr gefordert wurde. Die von der Führung unbeabsichtigte Nische wurde von der zunehmend systemkri tischen Studentenschaft und einzel nen Mitarbeitern genutzt.) Daß trotz Wende- und Abwicklungswirren die Mehrzahl der Studenten der Einrich tung treu blieb, ist Ausdruck der Ak zeptanz des grundsätzlichen Studien konzepts. Die DDR- Vergangenheit, die stän digen staatlichen Eingriffe in die jour nalistische Arbeit und - wenn auch widersprüchlich (siehe oben) — in die Wissenschaft haben die Studierenden . und ein Teil der Mitarbeiter gegenüber Vereinnahmungsversuche — ganz gleich ob aus Richtung Markt oder Po litik - sensibilisiert. Darin liegt eine besondere Chance, in Zukunft sy stemkritisch und staatsfern zu for schen und zu lehren. Ausbildung und Forschung eu ropäischen Zuschnitts wird nicht möglich sein, ohne gründlich über die DDR, die Provinzialität und die Ideo logisierung ihres Lebens nachzuden ken. Zugleich immatrikulieren sich vorwiegend Studenten, die aus dem ostdeutschen Raum stammen und hier ihre journalistischen Perspektive se hen. Gerade in der Ausbildung für die Probleme des Ostens aufgeschlosse ner Absolventen sehen wir eine dring liche Aufgabe der Leipziger Einrich tung. Kolonialisierungsversuche — speziell auf dem Medienmarkt - be stärken uns in dieser Auffassung. Besondere Anforderungen und Möglichkeiten der Leipziger Einrich tung erwachsen aus dem künftigen Ausbau des Medienstandortes Leip zig. Chancen ergeben sich für die em pirische Forschung wie auch die pra xisnahe Ausbildung. Die bestehenden Kontakte zum Osten Europas müssen auf dem Gebiet der Kommunikationswissenschaft für den gesamtdeutschen Raum erschlos sen werden. Die hier ausgeprägte Kenntnis der Probleme des Ostens sollte auch genutzt werden, um spezi ell Studenten Osteuropas Studienan gebote zu unterbreiten. Leipzig kann so dazu beitragen, daß Europa nicht an der Oder endet. Das Forschungsprofil der Leipziger Universität beinhaltet die Afrika- und Nahostwissenschaf ten. Aus einer sinnvollen Kombina tion mit dem Studium an dem Journa listikbereich böten sich Möglichkei ten für die Ausbildung von Studenten aus der Dritten Welt. Nicht alle bisherigen Mitarbeiter der Sektion Journalistik sind wissen schaftlich „graue Mäuse“. Wer wis senschaftliche Nischen in der Vergan genheit kreativ ausnutzte, dürfte auch im neuen Deutschland einiges einzu bringen haben. Mit dem Leipziger Wissenschaftspotentiai auf den Ge bieten Stilistik, Methodik, Geschich te, journalistischer Kommunikation, kommunikationsorintierte Erkennt nistheorie etc. läßt sich kontinuierlich Weiterarbeiten. Was den Anschluß an das internationale Wissenschaftsni veau betrifft: Die hiesigen Mitarbeiter haben den Vorteil, daß sie sich diesen Standard aneignen können, ohne zunächst in die dazugehörigen Dis kurse verwickelt zu sein. Hinzu kommt die aus der Mangelgesell schaft DDR geborene Fähigkeit zur Improvisation, deren innovative Po tenz wohl kaum zu überschätzen ist. In der Arbeit der Evaluierungskom mission wird große Sorgfalt vonnöten sein, gibt es doch eine gewisse Nicht- bewertbarkeit der Verflechtung von Ideologie und Fachlichem in der DDR-Wissenschaft durch westliche Kommissionsmitglieder. Die Zusam menarbeit der verschiedenen Gruppen in den Kommissionen muß erreichen, daß kommenden Semestern die Mit arbeiter erhalten bleiben, die fachlich und menschlich geeignet sind. Den Studenten ist über die zeitlich begrenzte Arbeit in den Kommissio nen hinaus Raum für engagierte und kritische Mitarbeit an der künftigen Fakultät zu bewahren. Dieses Recht leiten wir ab aus dem entscheidenden Beitrag der Studenten an der Sek tionserneuerung, aus ihrer genauen Kenntnis der Lehrenden und der Leh re vor und nach der Wende sowie aus dem nachweisbar vorhandenen Ideen potential. Gewachsene soziale (Ge meinschaftsgefühl contra soziale Schere), sprachliche (ein von Werbe einflüssen und Präsentationszwängen weitgehend unbelasteter Wortsinn und Wahrheitsgehalt der Allgemein sprache) und gesellschaftliche (Hoff nungen und Auswirkungen der Wen de) Besonderheiten sind wichtige Spezifika der Lehre und sollten in der Forschung in ihrem Wandel verfolgt werden. Ebenso sollte an der Leipziger Uni versität ein differenzierter Umgang mit jenen „Altlasten“ angestrebt wer den, die nicht in die neuen Strukturen übernommen werden. Es darf nicht zu neuen Ungerechtigkeiten kommen. Vermeintliche Sieger dürfen nicht von hoher Warte über das Schicksal hiesi ger Mitarbeiter entscheiden. Wer sich in den letzten Monaten für Verände rungen an der Sektion eingesetzt hat, darf nicht jetzt, wo an anderer Stelle keinerlei Chance für Beschäftigung mehr besteht, rücksichtslos ins Unge wisse gestoßen werden. Das heißt auch, daß künftig Stellenpläne von hiesigen Besonderheiten (besondere Rolle des Mittelbaus) ausgehen müs sen. BERND OKUN, STEFFEN PRZYBYL (Gekürzte 2. Fassung) E rfreulicherweise sind seit einigen Monaten in Leipziger Buchhandlungen Veröffentlichungen zu wesentlichen Fragen der Geschichte und der Geschichts wissenschaft zu erwerben, die in der alten BRD entstanden und 1990 und 1991 vor allem in Münchner Verlagen erschienen sind. Sie finden auch bei Mitgliedern und Angehörigen der Universität Interesse, die nicht in einem engeren oder weiteren Sinne mit der Geschichtswissenschaft ver bunden sind. Die UZ will daher mit einer Folge von Rezensionen solcher Titel beginnen. Es versteht sich, daß im Kontext einer pluralistischen Wissenschaftskonzeption, in der auch eine marxistisch bestimmte- Geschichtsauffassung und Betrachtungs weise einen neuen Platz gewinnt, Rezensenten Meinungen vertreten können, die nicht immer mit anderen Auffassungen übereinzustimmen brauchen. Rüdiger vom Bruch und Rainer A. Müller (Hrsg.), Historikerlexikon. Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, Verlag C. H. Beck, München 1991 Im Vorwort (August 1990) gehen die Hrsg, davon aus, daß trotz der verstärkten Hinwendung zur Historiographiege- schichte ein Nachschlagewerk über Historiker fehle, was allerdings nicht für alle Länder bzw. Sprachregionen gelten kann. Ihre Veröffentlichung soll helfen, diese Lücke zu schließen. Erläutert werden die Gesichtspunkte, die der Gestaltung zu Grunde gelegt worden sind. Vorangestellte Zitate von Cicero, Ranke und Huizinga sollen diese wohl unterstreichen. Wesentlich ist für sie, daß „erst das neuzeitliche Wissenschaftsverständnis... die Entfaltung einer eigenständigen profilierten Geschichtswissenschaft“ (ein Wort, das erstmals 1752 J. M. Chladenius gebrauchte) ermöglichte. Demgemäß finde die „moderne Geschichts wissenschaft“ seit ca. 1750 eine besondere Beachtung. Die Hrsg, bekennen sich damit zu jener nun wohl dominierenden Richtung, die den eigentlichen Beginn jener Wissenschaft mit bzw. in der Aufklärung datiert. Europäische und besonders deutsche Historiker sollen - letztere in Analogie zur Dominanz englischer Historiker in „The Blackwell Dictionary of History" (Oxford 1988) - vorwiegend berücksichtigt werden. Zu finden sind jedoch auch zahlreiche bedeutende Historiker vom Altertum bis 1750. Die traditionelle Eurozentriertheit wird vor allem im Hinblick auf die beiden letzten Jahrzehnte gleichfalls durchbrochen. Gemäß einem Proporz sind Länder und Perioden festgelegt worden, in deren Rahmen die gewonnenen Autoren die Auswahl für die zu behandelnden Historiker - soweit sie nicht mehr unter den Lebenden weilten - selbst treffen und diese gemäß ihrer Auffassung charakterisieren konnten. In der Regel ist es gelungen, dafür ausgewiesene Gelehrte zu gewinnen, die für ihre Gebiete mit grundlegenden Veröffentlichungen hervorgetreten sind. Damit blieb die Hoffnung der Hrsg, auf eine historiographiegeschichtliche Akzen tuierung nicht unerfüllt. Das kann besonders hinsichtlich der geschichts wissenschaftlichen Entwicklung in den USA, in England, Frankreich, in Deutschland und in der BRD sowie in anderen europäischen Ländern gelten. Hier vermag eine chronologische Folge der behandelten Historiker, wenn sie der Leser selbst herstellt, Grundzüge dieser Entwicklung zu verdeutlichen. Von den 28 Autoren kommt je einer aus Belgien, Frankreich, Italien, Norwegen, den USA (hier und für Kanada E. Breisach, der Verfasser der wohl jüngsten Gesamtdarstellung der Geschichte der Geschichtswissenschaft: Historiography. Ancient, Mediavel and Modem, Chicago/London 1983) und Japan. Die übrigen entstammen der Alt-BRD, unter denen auch Verfasser einiger Artikel über Historiker aus Österreich und der DDR zu ermitteln sind. Der älteste der Autoren ist 1923 (E. Breisach), der jüngste (J.-M. Moeglin) 1955 geboren. Für die Mehrheit finden sich die Geburtsdaten in den 30er und 40er Jahren. Daraus ergibt sich die Dominanz einer generationsspezifischen Sicht. Vorherrschend ist eine kritische Haltung gegenüber den Traditionen und Nachwirkungen des „deutschen Historismus“ Rankeanischer Prägung (siehe die Artikel über Ranke, Ritter sowie Kehr u. a.), was sich auch in der häufigen Berufung auf Beiträge zeigt, die in der von H.-U. Wehler hrsg. Folge „Deutsche Historiker“ (Göttingen 1971 ff.) erschienen sind. Auf den Hauptteil des Lexikons, der die Artikel sowie nützliche Hinweise auf Literatur über die ausgewählten Historiker - teilweise auch auf deren Werke und Werkausgaben - in alphabetischer Ordnung enthält, folgt deren Übersicht in chronologischer Folge, von Homer bis Foucault, sowie ein Register, in dem auch jene Historiker angeführt worden sind, die nicht in besonderen Artikeln gewürdigt, aber in solchen genannt werden. Alphabetisch eingefügt sind auch drei sachbezogene bzw. thematische Artikel: Annalistik, Les Grandes Chroniques de France und Historia Augusta. Wünschenswert wäre eine weitere Gruppierung der Historiker nach Ländern bzw. Regionen. Die Hrsg, (beide Jahrgang 1944) widmen sich als Autoren vor allem den Verfassern der „Volksgeschichten“. Historikern im Mittelalter und der Mediävistik, der Kirchengeschichte und katholischen Gelehrten (R. A. Müller) sowie Historikern im 20. Jh. in Deutschland bzw. in der BRD (R. v. Bruch). Durch den offensichtlich katholischen Mithrsg. R. A. Müller war es wohl in besonderem Maße möglich, einseitig „protestantische“ Orientierungen zu vermeiden. Bei Kenntnis und Würdigung der Schwierigkeiten, die ein so notwendiges und nützliches Unternehmen für Hrsg, und Autoren mit sich bringt und bei Achtung vor der vollbrachten Leistungen werden - unabhänig von Verlagsvorgaben - für eine Neuauflage oder für analoge Vorhaben Mit hohem informatorischen Wert: Historikerlexikon folgende Fragen und Vorschläge zur Diskussion gestellt: Es ist sehr zu begrüßen, daß trotz einer Konzentration auf die „moderne Geschichts wissenschaft“ der Begriff Historiker weit gefaßt wird und daß auch Philosophen und Dichter aufgenommen werden, die für das Geschichtsdenken eine wesentliche Bedeutung gewonnen haben. Bei allen Schwierigkeiten der Auswahl erhebt sich aber die Frage: wenn Homer, warum nicht um so mehr Hesiod; wenn Aristoteles und Bacon, warum nicht erst recht Augustinus, Montesquieu, Fontenelle und Condorcet, Schiller und Hegel? Auch könnte überprüft werden, ob auf so bedeutende und wirkungsstarke „reine" Historiker wie Sima Quian oder auf Bossuet verzichtet werden kann, während man solche aufnimmt, die Rang und Wirkung jener kaum er reichen dürften. Kann man es dabei bewenden lassen, Marx und Mehring aufzunehmen, aber jeden Hinweis auf Engels (außer in einer Angabe der MEGA und MEW sowie in einem Titel über Marx und Engels), Bernstein, Labriola, Lafargue, Kautsky, Plechanow zu unterlassen und unter den repräsentativen sowjetischen Historikern lediglich Pokrovskij und Tarle - in allerdings sehr fundierten Artikeln - zu behandeln? Auch fragt sich, ob hinsichtlich der deutschen Historiker, die erst nach 1949 gestorben sind, eine beträchtliche Alt-BRD-Lastigkeit gerechtfertigt ist, d. h. ob man es damit bewenden lassen kann, von den Historikern der Ex-DDR lediglich L. Stern und J. Streisand sowie den nicht marxistischen Gelehrten E. Winter aufzunehmen und selbst auf jene international anerkannten bürgerlichen bzw. nichtmarxistischen Historiker zu verzichten, die wie K. Griewank, M. Lintzel, F. Röhrig, F. Schneider, H. Sproemberg trotz Konflikten die DDR nicht verlassen haben? Es ist nicht ersichtlich, ob der 1989 erschiene Titel „Wegbereiter der DDR-Geschichtswis senschaft, Biographien“, in dem die Genannten gewürdigt werden, registriert worden ist (Rez. in BZG, 2/90, S. 271 ff.). Keine Erwähnung und sichtbare Auswertung haben auch die Titel „International Handbook of Historical Studies...“ (Westport, Connecticut 1979) und „Great Historians from Antiquity to 1800. An international Dictionary“ (New York/Westport, Connecticut/London 1989) erfahren, dem ein weiterer Band ab 1800 folgen soll. Auch ist im Unterschied zu diesem Titel, der fast das gleiche Anliegen wie das Historikerlexikon verfolgt, eine Verbindung zur internationalen Kommission Geschichte der Historiegraphie beim Internationalen Historikerkomitee und damit eine Kooperation mit marxistischen Hi storikern im Kontext eines pluralistischen Herangehens nicht zu erkennen. Ein Kontakt mit dem Hrsg.-Gremium dieses Bandes sowie mit Historiographie- historikem der Ex-DDR, die seit langem ein Historikerlexikon und analoge Werke vorbereiten und verschiedene Zwi schenergebnisse bereits unterbreitet haben, könnte sicherlich für bearbeitete Neuauflagen nützlich sein. Ungeachtet dieser Vorschläge besitzt das Lexikon schon in seiner vorliegenden Gestalt einen hohen informatorischen Wert. Es sollte in allen Lehrver anstaltungen zur Geschichte und Theorie der Geschichtswissenschaft Verwendung finden. Prof. em. Dr. sc. WERNER BERTHOLD
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