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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 1991
- Erscheinungsdatum
- 1991
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-199100000
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19910000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19910000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 1991
-
- Ausgabe Nr. 1, 07.01.1991 1
- Ausgabe Nr. 2, 14.01.1991 1
- Ausgabe Nr. 3, 21.01.1991 1
- Ausgabe Nr. 4, 28.01.1991 1
- Ausgabe Nr. 5, 04.02.1991 1
- Ausgabe Nr. 6, 11.02.1991 1
- Ausgabe Nr. 7, 18.02.1991 1
- Ausgabe Nr. 8, 25.02.1991 1
- Ausgabe Nr. 9, 04.03.1991 1
- Ausgabe Nr. 10, 11.03.1991 1
- Ausgabe Nr. 11, 18.03.1991 1
- Ausgabe Nr. 12, 25.03.1991 1
- Ausgabe Nr. 13, 01.04.1991 1
- Ausgabe Nr. 14, 08.04.1991 1
- Ausgabe Nr. 15, 15.04.1991 1
- Ausgabe Nr. 16, 22.04.1991 1
- Ausgabe Nr. 17, 29.04.1991 1
- Ausgabe Nr. 18, 06.05.1991 1
- Ausgabe Nr. 19, 13.05.1991 1
- Ausgabe Nr. 20, 21.05.1991 1
- Ausgabe Nr. 21, 27.05.1991 1
- Ausgabe Nr. 22, 03.06.1991 1
- Ausgabe Nr. 23, 10.06.1991 1
- Ausgabe Nr. 24, 17.06.1991 1
- Ausgabe Nr. 25, 24.06.1991 1
- Ausgabe Nr. 26, 01.07.1991 1
- Ausgabe Nr. 27, 08.07.1991 1
- Ausgabe Nr. 28, 15.07.1991 1
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Band 1991
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Magnifizenz, Sie waren nach der Wende der erste demokratisch und frei gewählte Direktor der Sektion Che mie. Sie haben engagiert in der Initia tivgruppe zur demokratischen Er neuerung der Universität Leipzig ge arbeitet und sind seit dem 11. März Rektor unserer Universität - wie ge staltet sich in Ihren Augen das Ver hältnis von selbstgestelltem Anspruch und vorgefundener Realität? Welche Prioritäten setzen Sie und Ihre Mit arbeiter im Rektoratskollegium? Zwischen dem Anspruch und der vor gefundenen Realität sehe ich keinen Widerspruch. Im Gegenteil, ich bin der Meinung, daß sich der Anspruch — und zwar des gesamten Rektorats kollegiums — ableitet von der vor gefundenen Realität. Man muß sich jetzt fragen, wie war die Realität, wie sieht diese aus? Da muß ich ziemlich knöchern sagen, daß die Realität darin bestand, daß wir eine mehr oder we niger runtergewirtschaftete Universität vorgefunden haben. Ich meine jetzt nicht nur das Bauliche, das liegt auf der Hand, ich meine das Geistige. Die Uni versität ist Stück für Stück in den letz ten 20/30 Jahren von ihrer eigentlichen Aufgabe, nämlich geistiges Zentrum ei ner Region zu sein, zeitkritisch die Din ge zu bedenken und vorzudenken, Stück für Stück abgedrängt worden und ist dann im Grunde genommen zu einer Anstalt zur Erziehung von regime treuen Kadern, wie man so „schön“ sag te, degradiert worden. Denken Sie nur an all diese Papiere, die immer ge schrieben wurden, die Wettbewerbs programme, die Sektionspläne. Was war der erste Punkt? Die politisch- ideologische Arbeit. Das war of fensichtlich die Hauptaufgabe. Die For schung, die kam ganz hinten. Das ist der Zustand, und von dem müssen wir weg. Der Anspruch des Kollegiums besteht darin, erste Schritte einzulei ten, erste Maßnahmen zu ergreifen, er ste Gedanken an der Universität zu för dern, die zu einer wettbewerbsfähigen Universität in einem freien demokra tischen Land führen. Im Zusammenhang mit der inner und außerhalb der Universität ve hement geforderten Erneuerung sprachen Sie von der Notwendigkeit breitester demokratischer Diskus sion, die realitätsferne Konzepte am grünen Tisch ausschließt. Wie weit sind wir vorangekommen? Wo sehen Sie Stolpersteine, und wie sollen die se aus dem Weg geräumt werden? Zu breitester demokratischer Dis kussion stehe ich tatsächlich, das ist für mich eine Grundüberzeugung. Man kann weit von der Basis vieles be schließen, man kann am grünen Tisch weit von den täglichen Sorgen die toll sten Ideen haben, durchsetzen wird man sie in einer freiheitlichen Grundord nung nur können, wenn es darüber auch einen breiten Konsens gibt. Breiter Konsens wiederum kann nur erzielt werden durch Diskussion. Man wird al so so lange diskutieren müssen, bis sich für eine bestimmte Idee eine Mehrheit findet, die dann diese Idee durchzuset zen hilft. Sonst funktioniert das doch gar nicht. Wir sehen jetzt natürlich im konkreten, daß manches anders abläuft, daß viele Dinge jetzt in Dresden ent schieden werden. Welchen Stellenwert messen Sie insgesamt einer pluralistischen Mei nungsbildung und Entscheidungs findung bei, und welche Rolle müßte hier z. B. auch die UZ spielen? Daß ich Pluralismus für die Quelle jeder Weiterentwicklung halte, habe ich schon gesagt. Das lehrt schon die Erfahrung der vergangenen Jahre. Wir sind auch deswegen technologisch, wissenschaftlich, aber auch geistig und moralisch zurückgeblieben, weil wir diesen Pluralismus nicht mehr gehabt haben, weil bei uns angeordnet wurde. Das funktioniert einfach nicht. Plu ralismus scheint auf den ersten Blick teuer zu sein, weil es manchmal länger dauert, für eine Entscheidung mehr Zeit gebraucht wird. Wenn man aber Pluralismus richtig versteht, wenn man verschiedene, auch politische, Mei nungen nicht gleich zum Gegenstand von persönlicher Feindschaft macht, dann ist Meinungsvielfalt doch die ef fektivste Methode, um Gesellschaft und Wissenschaft, um die Allge meinheit voranzubringen. Dabei spie len natürlich die Medien eine Rolle und in einer Universität eben auch die Universitätszeitung. Davon bin ich überzeugt. Es wäre gut, wenn die UZ noch stärker als bisher versuchen wür de, diese Meinungsvielfalt objektiv ab zubilden. Also nicht das Verständnis von früher, daß die Zeitung öffentliche Meinung herstellen muß oder etwa Meinungen von oben nach unten wei tergibt, erklären, interpretieren muß, sondern einfach neutral ist. Das ver suchen auch große Zeitungen, sie schaf fen es nie ganz, weil ja auch der Re dakteur, der die Nachrichten aussucht, eine Meinung hat. Aber hier, das wer den Sie mir verzeihen, sehe ich bei der UZ doch noch einen gewissen Nach holebedarf. Hier kann noch einiges wertneutraler passieren. Jede Universität lebt und stirbt (schlimmstenfalls) mit ihren Stu denten. Was erwarten Sie von den Studenten unserer Uni, und wie ge staltet sich die Zusammenarbeit mit dem Studentenrat? Daß eine Universität von ihren Stu denten und mit ihren Studenten lebt, darüber gibt es überhaupt keinen Zwei fel. Und ich bin sehr froh, daß of fensichtlich sehr viele Studenten vor haben, an der Universität Leipzig zu studieren. Das hat der „Tag der offenen Hochschultür“ gezeigt. Es war wirk lich unheimlicher Betrieb, und es war auch sehr interessant für mich fest zustellen, daß auch in den Bereichen, die als „abgewickelt“ bezeichnet wer den, der Andrang groß war, also bei den Wirtschaftswissenschaften, Juri sten und bei den Medienwissen schaftlern. Ohne Studenten hätte ja die Uni versität gar keine Aufgabe mehr. Das ist logisch. Aber Studenten brauchen sem Entwurf dem Ministerium zuge billigt wird. Ich verstehe, daß für eine begrenzte Zeit des Übergangs die Au tonomie der Hochschulen in gewisser Weise eingeschränkt sein muß. Aber diese Einschränkung muß sehr schnell wieder aufgehoben werden, sie darf auch nicht so allumfassend sein. Es muß ja fast alles in Dresden entschie den werden. Hier müssen wir unsere Meinung laut sagen. Die Aufgaben ei ner Universität lassen sich nur in voller geistiger Autonomie erfüllen. Anders geht es nicht. Im Gesetz ist, gleich im § 2, die Freiheit der Forschung fest geschrieben, die Freiheit der Lehre. Dem widerspricht aber einige Para stehen, endgültig ist. Wir haben tat sächlich hier an der Uni immer gesagt, diese Einrichtungen existieren nicht mehr. Was jetzt existiert, sind nichts an deres als Gründungskommissionen, die für die Zukunft andere, neue Ein richtungen aufbauen wollen. Im In teresse der Studenten gibt es Stu dienprogramme, damit sie zu Ende stu dieren können. Aus meiner Sicht ist das so: Eine Juristische Fakultät wird mit der alten nicht mehr allzu viel zu tun haben. Insofern sehe ich auch keine Rückschläge und auch keine ju ristischen Schwierigkeiten. Ich weiß aber, daß das die eine Rechtsauffassung ist, und wie immer bei solchen Ge Universität arbeiten lassen, mit keinem anderen Ziel als zum höheren Ruhme seiner selbst. Da wird kein soziales Abfedern und keine Clearing-Stelle mehr helfen können, fürchte ich. Sie lehnen „Gesinnungsschnüffelei bzw. Hexenjagd“ im Zuge der Er neuerung strikt ab. Infolge der Fra gebogenaktion gibt es verschiedent lich erhebliche Irritationen. Es ist von der möglichen Gefahr der polit ischen Ausgrenzung bzw. von neuer Angepaßtheit die Rede... Die Beurteilung von Denkkategorien unter Strafe zu stellen, halte ich für ei nen Verstoß gegen das Menschenrecht. UZ im Gespräch mit dem Rektor der Universität Leipzig, Prof. Dr. habil. Cornelius Weiss Aus Nischen heraustreten und Ansprüche realisieren wir auch aus einem anderen Grund: Studenten halten uns jung. Mit ihrer Unbefangenheit, mit ihren drängenden Fragen zwingen sie uns, Dinge neu zu überlegen, von denen wir eigentlich schon geglaubt haben, sie seien klar. Je der, der einmal eine Vorlesung gehalten hat oder ein Seminar, weiß das. Inso fern sind die Studenten auch eine ganz wichtige Triebkraft für eine ordentli che Forschung. Und dann geht es na türlich um die Mitwirkung der Stu denten an der gesellschaftlichen Ent wicklung der Universität, der Stadt und des Territoriums. Da wünsche ich mir eine Studentenschaft, die mög lichst Zivilcourage besitzt, die In teresse hat am öffentlichen Leben, die sich nicht, wie es jetzt im Moment leider der Fall ist, teilt in einige we nige Idealisten und Aktivisten, die im Studentenrat arbeiten, und da sehr viele (auch persönliche) Opfer bringen, und in die große breite Masse der Stu denten, die nur noch ihr Eigenes macht. Wir haben eine solche Erscheinung. Ich hoffe, daß sich das wieder ändern wird. Die Zusammenarbeit mit dem Stu dentenrat ist gut. Wir haben uns zwar schon öffentlich und manchmal auch politisch gehakelt, aber wir haben uns trotzdem immer gegenseitig ver standen, wir haben uns nichts nach getragen. Ich versuche, die Studenten so viel wie möglich einzubeziehen, z. B. dadurch, daß ich alle 6 bis 8 Wochen mal abends in den Studentenrat gehe, für eine unbegrenzte Zeit, und mir an höre, was sie dort für Sorgen haben, daß auch ich mal ein paar Sorgen loswer den kann und auch dadurch, daß ich für die Studenten ansprechbar bin und bleibe - ob auf der Treppe oder in der Mensa. Ich schotte mich nicht ab. Wie denken Sie über die Entwürfe eines Hochschulerneuerungsge setzes für den Freistaat Sachsen hin sichtlich der Autonomie der höch sten Bildungseinrichtungen? Im Prinzip freue ich mich erst ein mal, daß dieses Hochschul erneuerungsgesetz jetzt endlich in mehreren Entwürfen vorliegt. Wenn ich mir den Regierungsentwurf an sehe, enthält er Dinge, auf die wir dringend gewartet haben, um die per sonelle Evaluierung voranzutreiben - vor allen Dingen im naturwissen schaftlichen und im medizinischen Be reich. Die Grundlagen dafür müssen noch etwas genauer gefaßt werden, da mit sie juristisch einwandfrei sind und damit keine Willkür möglich ist. Ich bin froh, daß dieses Gesetz auch an sonsten eine ganze Reihe von Dingen klar festlegt, damit dieser Schwebe zustand aufhört. Aber ich stelle natürlich auch fest, daß es in diesem Gesetz eine ganze Reihe Mängel gibt. Das ist kein Wun der, es ist der erste Entwurf, und wir ha ben nicht nur das formale Recht, jetzt zu artikulieren, was uns an diesem Ge setzentwurf nicht gefällt. Einige Para graphen, die die persönliche Eva luierung betreffen, müßten präziser ge faßt werden. Es gibt zwei Dinge, die mir nicht ge fallen: erstens in den Paragraphen, die sich mit der Rehabilitierung von Be nachteiligten beschäftigen, dort ist Er gänzungsbedarf. Wir müssen Wie dergutmachung leisten bei Kollegen aus dem akademischen Mittelbau, die eben noch nicht in der Rente sind, jahr zehntelang in der Lehre und in der Forschung das ihrige geleistet haben und trotzdem nicht weitergekommen sind. Das ist nicht so sehr ein Geld problem. Die meisten der Kollegen würden zufrieden sein, wenn sie nur die vier Buchstaben und den Punkt vor ihren Namen setzen könnten. Das ist eine wesentlich stärkere Triebkraft als ein paar Mark. Das war der eine Punkt. Der andere ist natürlich die Machtfülle, die in die graphen weiter hinten die Tatsache, daß sogar Lehrinhalte in Dresden ge nehmigt werden müssen. Ich sehe ein, daß ein Ministerium in so einer Um bruchzeit sich einen gewissen Überblick verschaffen und auch eine gewisse Kontrollmöglichkeit behalten muß. Aber daß nun alle Dinge dort un befristet festgeschrieben sind, ist nicht gut. Wir, die sächsischen Rektoren, haben uns in Dresden über dieses Gesetz un terhalten und dort fand es generell Zu stimmung, aber es wurden auch diese Punkte, die ich nannte, kritisch an gemerkt. Das scheint also allen auf gefallen zu sein. Das müssen wir in Hearings und auch in schriftlicher Form den entscheidenden Leuten be kanntgeben. Es geht um geistige Au tonomie, nicht um Anarchie. Wir wol len die Lehrinhalte natürlich selbst be stimmen, wir wollen die Art und Wei se, wie gelehrt wird, bestimmen, wir wollen Forschungsziele und die In terpretation der Ergebnisse bestim men, das muß frei sein. Das ist, finde ich, das Wichtigste. Wo wir immer ab hängig sein werden von staatlichen Stehlem das sind Investitionen, Plan stellen und manche Strukturen na richtsurteilen sind auch andere Auf fassungen möglich. Insofern bin ich wiederum nicht ganz glücklich über dieses Urteil, es hätte klarer gefaßt werden können. Was das von Ihnen angesprochene Vorhaben, die Abwicklung zu einem menschlichen Ende zu bringen, be trifft, dazu stehe ich natürlich noch, ob wohl ich nun durch nähere Kenntnis weiß, das es viel, viel schwieriger ist, als ich gedacht habe. Tatsächlich wür de ich unter einem menschlichen Ende verstehen, daß man zunächst zeitlich die Sache zu einem Ende bringt. Dar auf dränge ich. Das liegt leider etwas außerhalb der Reichweite der Uni versitätsleitung, das Problem der sich immer wieder verlängernden Zeit verträge. Es kann so nicht auf die Dau er weitergehen: Der Schwebezustand wird aufrechterhalten; ein Mensch kann nicht langfristig planen und den ken, wenn er nicht genau weiß, ob er in einem Vierteljahr noch seine Ar beitsstelle hat. Hier müssen wir unse ren Einfluß wahrnehmen, um jetzt zu einer Entscheidung zu kommen. Was ich zweitens tun will, ist dort, wo es möglich ist, die Abwicklung sozial ab- zufedern, zu versuchen, solche Dinge türlich auch. Für die mit der „Abwicklung“ und der sogenannten „Warteschleife“ verbundene Problematik haben sie eine menschliche Lösung zugesagt. Können Sie - auch unter Berück sichtigung des Karlsruher Urteils - Ihre Position darlegen? Die Rechtsauffassung, auf die wir uns im Rektoratskollegium geeinigt hatten, ist die, daß das Karlsruher Urteil be stätigt, daß die Abwicklung derjenigen Einrichtungen, die nicht mehr be wie Vorruhestandsregelung zu finden oder Weiterbeschäftigung, vielleicht nicht mehr auf einer so ausgewiesenen Position. Und es gibt natürlich eine Reihe von Kollegen, für die es tat sächlich keine Verwendung mehr gibt, weil ihr Fach nicht mehr existiert. Hier muß ich allerdings bemerken, so sehr ich persönlich Mitleid habe und so schwer es mir fällt, den betroffenen Kollegen das zu sagen, die Schuld dar an, daß sie jetzt so plötzlich vor dem Nichts stehen, hat an und für sich der vergangene Staat. Er hat diese Men schen mißbraucht. Er hat sie an einer Jeder kann denken, was er will. Das darf auch nicht gefragt werden. Aber es muß gefragt werden, wer hat wie in der Vergangenheit gehandelt? Es gibt Din ge, die müssen geklärt werden. Die Fragebogenaktion liefert dafür keine endgültige Auskunft, aber sie liefert in manchen Fällen Hintergründe. Es ist klar, daß die Mitgliedschaft in be stimmten Organisationen es einem leichter machte, bestimmte Dinge zu tun, die anderen zum Nachteil waren. Es soll nicht festgestellt werden, ob ei ner nun „linken“ Ideen anhängt oder mehr „rechten“ oder mehr mo hammedanischen. Hier geht es darum, festzustellen, hatte jemand mal Ein fluß, und wenn er Einfluß hatte, wie hat er ihn benutzt? Was die Anpassung be trifft, so gibt es natürlich genügend Leute, die sich sehr schnell anpassen. Auch diese wollen wir gerne finden. Mir ist eigentlich jemand lieber, der sich nicht anpaßt und bei seiner Mei nung bleibt, bei seiner Grundüber zeugung. Die Fragebogenaktion er laubt es festzustellen, ob nicht jemand vor noch kurzer Zeit 180 Grad ent gegengesetzte Dinge vom Turm ge blasen hat. Da haben wir genug an der Universität. Ich bin der Meinung, daß solcher Opportunismus nicht an die Hochschule gehört. Die Studenten müssen wissen, woran sie sich halten können, wenn sie ihrem Lehrer gegen überstehen. Zum Verhältnis von Natur- und Geisteswissenschaftlern: Welche Möglichkeiten sehen Sie, gemeinsa me Wirkungsbereiche zu finden, um hier auch an durchaus positive Tra ditionen anknüpfend Annäherungen zu erreichen, gewissermaßen Grä ben zuzuschütten? Welche Rolle könnten hierbei die an unserer Uni versität tätigen Wissenschaftler aus dem Westen Deutschlands spielen? Dieser Graben zwischen Geistes und Naturwissenschaftlern ist natür lich da, zum Teil geprägt von Mißver ständnissen. Ich bemühe mich schon lange, integrativ zu wirken, indem ich mich regelmäßig treffe mit Kollegen aus den Geistes- und Politikwis senschaften und wir dabei versuchen, Vorbehalte auszuräumen. Ich glaube nicht, daß es vordergründig Felder gibt, auf denen Geistes- und Naturwis senschaftler direkt ein Projekt be arbeiten können, das wird wohl die Ausnahme bleiben. In der Ökologie, bei bestimmten Problemen der medi zinischen Grenzforschung, der Psy chologie - da könnte ich mir einiges vorstellen. Aber wichtiger ist vor allem eine gegenseitige Bereicherung der Geistes- und Naturwissenschaftler, da möchte ich auch die Künste ein beziehen. Den Naturwissenschaftlern sollte ein enger Kontakt mit den Geistes wissenschaftlern helfen, von einem Vulgärmaterialismus loszukommen, dem Naturwissenschaftler immer wie der einmal anhängen. Sie glauben, die Welt sei wirklich trivial erkennbar und alles sei klar. Von den ökono mischen bis zu politischen und auch naturwissenschaftlichen Problemen - ist vieles jedoch überhaupt nicht klar. Und umgekehrt können die Gei steswissenschaftler von den Natur wissenschaftlern auch lernen, nämlich das relativ unbestechlich Messen, das nicht wertende Konstatieren von Fak ten. Das würde gegenseitig eine er hebliche Bereicherung sein. In ge wisser Weise können uns unsere west deutschen Gäste durch ihr Beispiel helfen, die meisten der Austausch oder Gastdozenten haben ja eine Uni versität im freiheitlichen Sinn durch laufen. Wie sieht Ihre Vision aus, damit die Universität Leipzig wieder zu einer in Deutschland und auch darüber hinaus anerkannten Heimstätte des Geistes und der Freiheit der Wissen schaft werden kann? Worin bestehen unsere spezifischen Chancen? Das habe ich auf der Hochschul rektorenkonferenz in Frankfurt gesagt: Wir sind eine osteuropäische Uni versität. Leipzig liegt in Ostdeutsch land, und Ostdeutschland gehörte durch die Historie der letzten 40 Jahre zu Ost europa. Wir haben z. T. eine gemein same Vergangenheit. Wir kennen die Sprachen unserer Nachbarländer im Osten, wir haben gute vertragliche und persönliche Beziehungen, Freund schaften zum Teil. Gerade bei der er sten Etappe einer geordneten Welt, bei der Integration der osteuropäischen Länder können wir ganz wundervoll helfen. Wir können dazu beitragen, daß gerade hier Leute die Probleme studieren. Das ist eine der Chancen, die ich sehe. So kommen schon die ersten Interessenten, die sich jetzt sagen, das ist ja hier ein hervorragendes „Open- Air-Laboratorium“. Hier können wir studieren, wie sich diese Umwälzung jetzt auf die Menschen, auf die Öko nomie, auf die gesellschaftlichen Be ziehungen auswirkt. Aber nicht in dem Sinne, daß wir nur als Objekte und Versuchskaninchen durch ein Mi kroskop oder gar ein Fernrohr be trachtet werden, sondern wo Modelle erarbeitet werden, die es gestatten, be stimmte Fehler zu vermeiden. Und wo wir nicht Objekte, sondern Subjekte sind. Andere Chancen würde ich in der Frage der Konfliktbewältigung sehen, ausgehend von der gewaltlosen Re volution, daß man das historisch und soziologisch, psychologisch und ge sellschaftstheoretisch untersucht. Die dritte Chance ist, daß wir diese Um bruchsituation nutzen, um neue Struk turen herzustellen, die den globalen Aufgaben gerecht werden. Es wird schwerfallen, aber Optimismus ist an gezeigt. Mehr denn je ist Kreativität in der Wissenschaft gefragt. Unbestritten vermag die Kunst zu ihrer Entfal tung beizutragen. Welche Chancen bekommen Kunst und Kultur an der Uni Leipzig? Haben weltbekannte Ensembles wie der Uni-Chor, World family und Akademisches Orchester eine Zukunft? Ich war selbst lange Mitglied des Uni versitätschores Leipzig und habe dort meine schönsten musikalischen Erleb nisse gehabt. Dort lernte ich übrigens auch meine Frau kennen. Meine Toch ter war später im Uni-Chor, da ist es doch klar, daß ich an diesen Dingen hänge. Das ist aber nur der persönliche Faktor. Tatsächlich sind diese En sembles ganz außerordentlich wichtig, auch um Leipzig attraktiv zu machen für die Studenten. Ich sehe, daß das Rektoratskollegium in der Pflicht ist, diese Dinge zu unterstützen. Es ist nicht leicht, weil es dafür ma teriell keine Fonds gibt, aber wir wer den ganz sicher Mittel und Wege fin den, daß keines von diesen Ensembles den Bach hinuntergeht. Der Uni-Chor ist wirklich berühmt und das World fa mily Ensemble, das Poetische Theater. Ich möchte gleich die Moritzbastei mit einbeziehen, die muß für die Studen ten erhalten werden. Wie, wird sich fin den. Wie lang ist Ihr durchschnittlicher Arbeitstag? Was sagt Ihre Familie dazu? Bleibt da noch Zeit für Hob bys, und wenn ja, für welche? Hier ist er 11 Stunden lang, manch mal 10, manchmal 12. Dann kommt aber zu Hause noch ein bißchen dazu; wenn ich auf Dienstreise bin, wird’s mehr. Also im Moment eigentlich für mich zu lang. Mein Hobby ist Musik, doch dazu komme ich selten. Manch mal spiele ich ein bißchen auf dem Synthesizer, wenn ich total „K. O.“ bin. Meine Frau - die Kinder sind groß - wußte, was so ungefähr auf uns zu kommt... Was ärgert Sie am stärksten? Am meisten ärgert mich an der Uni, daß Leute, die in der Vergangenheit Verantwortung hatten, die manche Dinge getan haben, zu denen sie nicht gezwungen wurden, die aber anderen Schaden zugefügt haben, daß die nicht den Anstand haben, zurück zutreten. Es fehlt einfach das, was man früher honorig nannte, nämlich wenn man Repräsentant einer ver fehlten Politik war, daß man dann zurücktritt. Das gilt auch für jene Kli nikdirektoren, die die Vertrauens abstimmung verloren haben. Ich ver stehe das nicht. Das ist für mich ein Mangel an Ehre. Und was bereitet Ihnen am meisten Freude? Die größte Freude zu Hause sind meine zwei kleinen Enkelkinder. Die größte Freude hier im Dienst ist, daß es an der Universität viele gibt, die mit mir an einem Strang ziehen. Was mich besonders freut, ist, daß wir uns im Rek toratskollegium in der Grundrichtung so einig sind. Aber das ist nicht nur das Kollegium, ich habe festgestellt, daß an der Universität viele Leute aus ihren Ni schen rausgetreten sind. Ich habe neue Freunde in der Zeit nach der Wende ge funden. (Mit dem Rektor sprachen Helmut Rosan und Jürgen Siewert.)
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